OGH 25.08.2016, 5Ob137/16g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. N***** D*****, geboren am *****, 2. H***** D*****, geboren am *****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Harald Mezriczky, Notar in Schwechat, wegen Berichtigungen gemäß § 136 GBG ob der EZ 1248 GB *****, infolge des „außerordentlichen Revisionsrekurses“ von 1. G***** A*****, 2. V***** M*****, 3. Mag. B***** C*****, 4. H***** K*****, 5. C***** S*****, 6. Dr. M***** B*****, 7. H***** E*****, 8. Dr. B***** B*****, 9. M***** L*****, 10. M***** W*****, 11. Dipl.-Ing. T***** W*****, 12. Dipl.-Ing. H***** B*****, 13. L***** M*****, 14. G***** M*****, 15. E***** O*****, 16. G***** K*****, 17. R***** G***** und 18. R***** G*****, beide *****, 19. Dipl.-Ing. T***** L*****, 20. M***** D*****, 21. P***** W*****, 22. Univ.-Prof. H***** W*****, 23. R***** R*****, 24. W***** W*****, 25. E***** S*****, 26. I***** H***** und 27. G***** H*****, beide *****, 28. Ing. G***** Z*****, 29. Dkfm. W***** P***** und 30. T***** P*****, beide *****, 31. A***** F*****, 32. R***** D***** und 33. B***** D*****, beide *****, 34. Ing. H***** S***** und 35. M***** S*****, beide *****, 36. M***** B*****, 37. A***** B*****, alle vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 17 R 69/16t-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , TZ 1417/2016, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht gestützt auf § 136 GBG antragsgemäß bewilligte Löschung näher bezeichneter Bestandrechte. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils (5.000 EUR,) nicht (aber) 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ der oben genannten Parteien mit dem Antrag, „den bekämpften Grundbuchsbeschluss des Erstgerichtes ersatzlos aufzuheben“.
Das Erstgericht legte über Aufforderung des Rekursgerichts den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ direkt dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgehensweise widerspricht dem Gesetz:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 126 Abs 2 GBG kann ein Beschluss des Rekursgerichts nach Maßgabe der §§ 62, 63 und 66 AußStrG angefochten werden, wobei die Bestimmungen der §§ 122 bis 125 GBG (hinsichtlich des § 63 Abs 2 AußStrG sinngemäß) zu beachten sind.
Hat das Rekursgericht – wie hier – den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zugelassen und besteht
– wie hier – der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur (RIS-Justiz RS0123020) nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR (RIS-Justiz RS0125732) übersteigt oder nicht. Der Revisionsrekurs ist
– außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG).
Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist – auch im Verfahren außer Streitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, sofern dieser zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt, keine offenkundige Unter- oder Überbewertung vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (5 Ob 73/16w; 5 Ob 71/16a; RIS-Justiz RS0042410 [T28]; RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]; vgl auch RS0042450; RS0042437). Keine dieser Ausnahmen von der Bindungswirkung liegt hier vor:
Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber gilt nämlich die Bewertungsvorschrift des § 58 Abs 2 JN im vorliegenden Fall nicht, weil dafür „das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig“ sein muss. Die Anwendung des § 58 Abs 2 JN setzt nach bisheriger Rechtsprechung voraus, dass das Vorliegen eines Bestandvertrags mit einer bestimmten Zinshöhe geltend gemacht wird (7 Ob 629/91; 5 Ob 224/07p wobl 2009/94). Demgegenüber hatten die Vorinstanzen hier (nur) nach grundbuchsrechtlichen Grundsätzen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Löschung von Bestandrechten nach § 136 GBG vorliegen. Die „Eintragung“ des Bestandrechts ähnelt aber nach ihrer Rechtswirkung eher einer Anmerkung denn einer Einverleibung (vgl RIS-Justiz RS0122463), weshalb die Entscheidung über deren Löschung nicht notwendigerweise den Bestand des Rechts an sich, sondern lediglich den Fortbestand der Eintragungswirkungen berührt. Ein Verstoß gegen zwingende Bewertungsvorschriften liegt somit nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof ist daher nur dann zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen, wenn das Rekursgericht seinen Zulassungsausspruch nach § 63 Abs 3 AußStrG abändert. Das Erstgericht wird somit den Rechtsmittelschriftsatz dem Rekursgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz der Rechtsmittelwerber den Erfordernissen an eine Zulassungsvorstellung schon entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt dabei der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5]).
Aus den genannten Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. N***** D*****, geboren am *****, 2. H***** D*****, geboren am *****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Harald Mezriczky, Notar in Schwechat, wegen Berichtigungen gemäß § 136 GBG ob der EZ 1248 GB *****, über den Revisionsrekurs der Einschreiter 1. G***** A*****, 2. V***** M*****, 3. Mag. B***** C*****, 4. H***** K*****, 5. C***** S*****, 6. Dr. M***** B*****-R*****, 7. H***** E*****, 8. Dr. B***** B*****-E*****, 9. M***** L*****, 10. M***** W*****, 11. Dipl.-Ing. T***** W*****, 12. Dipl.-Ing. H***** B*****, 13. L***** M*****, 14. G***** M*****, 15. E***** O*****, 16. G***** K*****, 17. R***** G***** und 18. R***** G*****, beide *****, 19. DI T***** L*****, 20. M***** D*****, 21. P***** W*****, 22. Univ.-Prof. H***** W*****, 23. R***** R*****, 24. W***** W*****, 25. E***** S*****, 26. I***** H***** und 27. G***** H*****, beide *****, 28. Ing. G***** Z*****, 29. Dkfm. W***** P***** und 30. T***** P*****, beide *****, *****, 31. A***** F*****, 32. R***** D***** und 33. B***** D*****, beide *****, 34. Ing. H***** S***** und 35. M***** S*****, beide *****, 36. M***** B*****, 37. A***** B*****, alle vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 17 R 69/16t-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , TZ 1417/2016, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 1248 KG *****. Im C-Blatt dieser Liegenschaft waren aufgrund diverser Mietverträge zugunsten der Einschreiter (bzw ihrer Rechtsvorgänger) Bestandrechte (an bestimmten Teilflächen) „bis 2015-12-31“ einverleibt.
Das Rekursgericht bestätigte die vom Erstgericht über Gesuch der Antragsteller gemäß § 136 GBG angeordnete Löschung dieser Bestandrechte. Diese seien jeweils „bis 2015-12-31“ befristet gewesen und könnten daher nach Fristablauf über Antrag nach § 136 GBG gelöscht werden.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht nachträglich über Antrag gemäß § 63 AußStrG (iVm § 126 Abs 2 GBG) für zulässig, weil zur konkreten Fallgestaltung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und von der Entscheidung eine große Personenanzahl betroffen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil die Rechtssache nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von der nach § 62 Abs 1 AußStrG erforderlichen Bedeutung abhängt:
1. Die wegen Zeitablaufs gegenstandslos gewordene Eintragung eines Bestandrechts kann vom Grundbuchgericht gemäß § 131 GBG von Amts wegen gelöscht werden (vgl dazu Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 131 GBG Rz 12). Dass in einem solchen Fall grundsätzlich auch eine Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 136 GBG vorgenommen werden kann, stellen die Revisionsrekurswerber nicht grundsätzlich in Frage.
2. Die Revisionsrekurswerber berufen sich auf die jüngere Judikatur des erkennenden Senats (vgl 5 Ob 194/15p mwN), wonach (auch) ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag nach § 1095 ABGB verbücherungsfähig sei, sofern zumindest eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers vereinbart ist. Wenn die Revisionsrekurswerber daraus ableiten, dass in Fortführung dieser Rechtsprechung ein Bestandverhältnis auch dann gemäß § 1095 ABGB verbücherungsfähig sein müsse, wenn die Einschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten unmittelbar aus den Bestimmungen des MRG resultieren, sprechen sie schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage an, weil hier nicht die Verbücherungsfähigkeit eines Bestandvertrags zu beurteilen ist.
3. Die Revisionsrekurswerber stellen nicht in Abrede, dass die jeweiligen Bestandverträge mit der Befristung „bis 2015-12-31“ eingetragen waren. Damit geht aber auch ihr Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 258/08i (= RIS-Justiz RS0124631) ins Leere, weil dort die Löschung eines eingetragenen Bestandrechts vor Ablauf der vertraglich festgelegten Bestandzeit begehrt wurde. Aus dem Umstand, dass bei einer solchen Sachlage der Nachweis der Auflösung des Bestandvertrags durch ein auf Räumung lautendes Urteil gefordert wird (vgl auch Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht, § 136 GBG Rz 55), lässt sich für den hier zu beurteilenden Fall der bereits verstrichenen Bestandzeit nichts gewinnen.
4. Ob, wie die Revisionsrekurswerber meinen, die Befristung der eingetragenen Bestandverträge unwirksam war und die Kündigungsbeschränkungen des MRG gelten, ist im Grundbuchverfahren nicht zu untersuchen. Es begründet daher weder eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen noch eine Nichtigkeit ihrer Entscheidungen, wenn sie die Löschung der Bestandrechte auch ohne Vorliegen der von den Revisionsrekurswerbern verlangten, die Beendigung der Bestandverhältnisse ausweisenden Urteile bewilligten.
5. Schließlich verweisen die Revisionsrekurs-
werber selbst auf die Wirkung der bücherlichen Einverleibung eines Bestandvertrags (§ 1095 ABGB), die darin besteht, dass auch jeder spätere Erwerber entgegen der sonst geltenden Regel des § 1120 ABGB an den eingetragenen Bestandvertrag „für die übrige Zeit“ gebunden bleibt (RIS-Justiz RS0020428 [T1; T2]; Binder/Pesek in Schwimann/Kodek4 § 1095 ABGB Rz 11; Würth in Rummel³ § 1095 ABGB Rz 1). Diese Bindung des Rechtsnachfolgers ist im Anwendungsbereich des MRG, wie ihn die Revisionsrekurswerber für sich reklamieren, auch dann gegeben, wenn das Bestandverhältnis nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (Binder/Pesek aaO § 1095 ABGB Rz 14).
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00137.16G.0825.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAD-40326