OGH vom 22.07.2009, 3Ob144/09m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei L***** A/S, *****, Dänemark, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. Jürgen H*****, 2. Judith Elisabeth H*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in Marchtrenk, und 3. L***** GmbH, *****, wegen 150.527,74 EUR sA, über den teils außerordentlichen, teils ordentlichen Revisionsrekurs der erst- und der zweitverpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 22 R 443/08s-28, womit einer der beiden Beschlüsse des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 10 E 4389/08i-2, bestätigt und der andere zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der teils ordentliche, teils außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei, ein dänisches Unternehmen, schloss mit der drittverpflichteten Partei, einer GmbH mit Sitz in Österreich, am einen Franchisevertrag, der in seinem Punkt 22. eine Schiedsklausel enthält, wonach die Vertragsparteien ein Schiedsverfahren gemäß der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Schiedsordnung des Dänischen Schiedsinstituts (Copenhagen Arbitration) vereinbarten.
Das Erstgericht erklärte auf Antrag der betreibenden Partei den Schiedsspruch des Schiedsgerichts des Dänischen Schiedsinstituts vom , Akte E 1010, für Österreich für vollstreckbar und bewilligte dieser mit gesonderter Entscheidung vom selben Tag aufgrund dieses Titels zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 150.527,74 EUR samt 1,5 % monatlichen Stufenzinsen bis zum Beginndatum gegen die drei verpflichteten Parteien die Forderungsexekution nach § 294 und § 294a EO und die Fahrnisexekution sowie gegen den Erstverpflichteten auch durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung an Liegenschaft-(santeil-)en desselben.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Erstverpflichteten in Ansehung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung insoweit Folge, als es diese im Zinsenbegehren auf die Hereinbringung von Stufenzinsen von 1,5 % jährlich verringerte. Im Übrigen gab es dem Rekurs desselben und dem Rekurs der Zweitverpflichteten gegen die Vollstreckbarerklärung und die Exekutionsbewilligungen nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Es führte dazu - soweit für das Verfahren dritter Instanz noch wesentlich - aus:
Zwischen Österreich und Dänemark stünden zwei multilaterale Verträge in Geltung, und zwar das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom , BGBl 1961/200 (im Folgenden: NYÜ) sowie das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit BGBl 1964/107 (in der Folge: EÜ). Da sie einander nicht derogierten, bestehe das EÜ neben dem NYÜ. Während sich der betreibende Gläubiger auf jeden der Verträge berufen könne, könne der Verpflichtete die Vollstreckung nur abwehren, wenn nach jedem davon ein Versagungsgrund gegeben wäre.
Die im Rekurs herangezogenen §§ 613 und 611 (wie auch § 617) ZPO seien gemäß § 577 Abs 1 und 2 ZPO nur bei einem Schiedsgericht mit Sitz in Österreich, demnach in diesem Verfahren nicht anzuwenden. Soweit die beiden Verpflichteten geltend machten, sie seien Konsumenten, die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung solcher mit einem Unternehmer lägen nicht vor, woraus auch die Unvereinbarkeit des Verfahrens vor einem ausländischen Schiedsgericht mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung folge, sei ihnen nicht zu folgen:
Sie hätten den Beweis nach Art V Abs 1 lit a NYÜ nicht erbracht, dass sie zum Abschluss der Schiedsvereinbarung nach österreichischem Recht in irgendeiner Weise nicht fähig gewesen wären oder dass die Vereinbarung nach dänischem Recht ungültig sei. Aus der Formulierung ihrer Beitrittserklärung zum Franchisevertrag (Punkt 25) gehe zweifelsfrei hervor, dass sie in ihrer Funktion als Bürgen hier nicht Konsumenten im Sinn des österreichischen sowie des EU-Rechts gewesen seien. Darin heiße es nämlich, sie seien direkte bzw indirekte Eigentümer des Franchise und würden in dieser Funktion als selbstschuldnerische Bürgen für die Erfüllung aller Verpflichtungen der Franchisenehmerin gemäß diesem Vertrag, einschließlich der Zahlungen jeglicher Regressforderungen gegenüber der Franchisenehmerin, haften. Da der Erstverpflichtete das Geschäft persönlich angebahnt habe und die Zweitverpflichtete Geschäftsführerin der drittverpflichteten GmbH gewesen sei, hätten sie ungeachtet der Unterfertigung „als Privatpersonen" nicht als Konsumenten zu gelten. Es könne daher keine Rede davon sein, die Schiedsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen die österreichischen Sondervorschriften für Konsumenten nicht gültig bzw widerspreche dem österreichischen ordre public.
Die im Schiedsverfahren Beklagten hätten bereits am eine Klagebeantwortung eingebracht. Nach einer Verhandlung am über das anzuwendende Recht sei die abschließende Verhandlung auf den und auf Antrag derselben zweimal verschoben worden. In der Verhandlung am habe die Anwältin der Beklagten die Vertagung beantragt, weil sie erst am Vortag von diesen neue Anweisungen erhalten hätten. Das Schiedsgericht habe das mit Verfahrensbeschluss abgelehnt. Als in der Folge von ihr vorgebracht worden sei, die Schiedsklausel sei auf den Erst- und die Zweitverpflichtete nicht anwendbar, habe dieses auch entschieden, dass in den umfassenden Schriftsätzen der Beklagten keine Einwendungen gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts vorgebracht worden seien. Dies hätte aber mit der ersten Vorlage eines Schriftsatzes erfolgen müssen. Das Schiedsgericht sei für die Sache zuständig und die Verzögerung der Einwendung der Unzuständigkeit sei nicht gerechtfertigt. Nach Verkündung dieser Entscheidung habe die Anwältin die Verhandlung verlassen. Daher könne auch nicht von der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs gesprochen werden.
Zu Recht mache der Erstverpflichtete aber geltend, dass im Rahmen der Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung kein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Erst- und der Zweitverpflichteten ist zum Teil jedenfalls unzulässig, zum Teil aber mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
1. Klarzustellen ist vorerst aber, inwieweit diese den zweitinstanzlichen Beschluss anfechten. In der Anfechtungserklärung wird der zweitinstanzliche Beschluss als „vollinhaltlich" (was also auch den stattgebenden Teil umfasste) angefochten bezeichnet. In Punkt b. des Revisionsrekursantrags wird ausdrücklich nur die Abänderung dahin begehrt, dass die Exekutionsbewilligungen abgewiesen würden; in Punkt c. (Eventualaufhebungsantrag) wird dagegen begehrt den „angefochtenen Beschluss" ohne Einschränkung aufzuheben. Inhaltlich bezieht sich aber das Rechtsmittel auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel und das New Yorker Übereinkommen (NYÜ) überhaupt sowie wie schon in zweiter Instanz auf die Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs nach § 611 Abs 2 Z 8 ZPO. Wenn man weiters den im Schriftsatz folgenden Aufschiebungsantrag mit einbezieht, wo von einem Begehren auf „Abweisung des Antrages auf Vollstreckbarerklärung" die Rede ist, besteht insgesamt kein Zweifel, dass nicht nur die bestätigte Exekutionsbewilligung angefochten wird, sondern überhaupt alles, was der betreibenden Partei in zweiter Instanz bewilligt wurde. Das Rechtsmittel ist in diesem Sinn als hinreichend bestimmt anzusehen (RIS-Justiz RS0043912).
2. Die eingeschränkte Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung gegen den Erstverpflichteten durch das Rekursgericht (ohne ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens) bedeutet keine volle Bestätigung im Sinn des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (hier iVm § 78 EO), weil auch die Abänderung im Zinsenbereich eine solche Qualifikation hindert (zutreffend Zechner in Fasching/Konecny² § 528 ZPO Rz 116). Im Übrigen ist aber die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts sowohl ihm als auch der Zweitverpflichteten gegenüber zur Gänze bestätigt worden. Die Entscheidungen über die Exekutionsanträge sind nämlich in der Frage ihrer Anfechtbarkeit vor dem Obersten Gerichtshof nach dem beantragten Exekutionsmittel (RIS-Justiz RS0044257 [T38]) einerseits und andererseits nach Personen gesondert zu beurteilen. Mehrere Verpflichtete bilden selbst bei Solidarhaftung für das Exekutionsverfahren keine notwendige Streitgenossenschaft (EvBl 1977/88; 3 Ob 182/98f; vgl Heller/Berger/Stix, EO4 758 [die von ihnen angeführten Ausnahmen liegen auch hier nicht vor]; Jakusch in Angst, EO² § 65 Rz 9), ebenso wenig - von hier nicht maßgebenden Ausnahmen abgesehen - eine Vollstreckungsgenossenschaft iSd § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Z 1 ZPO (3 Ob 168/04h; 3 Ob 196/07f), was jedenfalls für die Forderungs- und Fahrnisexekution gilt (3 Ob 117/76 = EvBl 1977/88 ua; RIS-Justiz RS0002202). Es ist aber darüber hinaus evident, dass durch die Häufung der Exekutionsanträge deren Schicksal nicht untrennbar verknüpft wird. Nur illustrativ ist auf die teilweise abändernde Entscheidung gegenüber dem Erstverpflichteten in diesem Verfahren und darauf hinzuweisen, dass nicht daran zu zweifeln ist, dass die Verfahren in Ansehung einzelner Verpflichteter - auch wegen der in der Regel unterschiedlichen Exekutionsobjekte - völlig unterschiedliche Verläufe haben können. Verpflichtete sind nicht zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen nur andere betreffende (Teile von) Entscheidungen berechtigt (3 Ob 117/76; 7 Ob 71/78 ua; RIS-Justiz RS0035374; Fasching in Fasching/Konecny² Einl IV/1 Rz 40 mwN; generell für das Exekutionsverfahren ebenso Jakusch aaO). Die Bewilligung von Exekutionen gegen mehrere Verpflichtete in einem Beschluss führt daher auch nicht zu einem einheitlich zu beurteilenden Entscheidungsgegenstand - weder für die Wertgrenzen noch für die Gleichförmigkeit der Entscheidungen.
Demnach liegen sowohl gegenüber der Zweitverpflichteten im vollen Umfang als auch gegenüber dem Erstverpflichteten bei der Fahrnis- und der Forderungsexekution konforme und damit unanfechtbar gewordene Entscheidungen vor. Die Verbindung mit der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung (hier erst in zweiter Instanz) ändert bei bewilligenden Entscheidungen nach ständiger Rechtsprechung daran nichts (3 Ob 49/06m ua; RIS-Justiz RS0114023 [T3]). Insoweit ist daher das Rechtsmittel ohne Prüfung in der Sache zurückzuweisen.
3. Im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel gilt die Unanfechtbarkeit gleichförmiger Beschlüsse nicht (§ 84 Abs 4 EO). In diesem Umfang und (schon mangels auch nur der Erwähnung der Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung) zum abändernden Teil der Rekursentscheidung im eigentlichen Exekutionsverfahren gelingt es den Verpflichteten nicht die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 und § 83 Abs 2 EO darzulegen.
3.1. Soweit die Verpflichteten (mit dem Argument, die Schiedsklausel sei nicht durch ihre Unterschriften gedeckt) der Sache nach den Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit a bzw c des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom , BGBl 1961/200 (im Folgenden weiterhin NYÜ), relevieren, je nachdem, ob man meint, es liege eine Schiedsklausel (zwischen betreibender und drittverpflichteter Partei) vor, aber das Schiedsgericht habe in Ansehung der anderen beiden Beteiligten seine Kompetenz überschritten, oder das Vorhandensein einer Schiedsvereinbarung mit den Beklagten überhaupt verneint, ist ihnen Folgendes entgegenzuhalten: Das Fehlen des Schiedsvertrags muss vor dem Schiedsgericht eingewendet werden, rügeloses Einlassen heilt diesen Mangel, was aus Art V des ebenfalls anzuwendenden Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsbarkeit (EÜ) - worauf auch im Revisionsrekurs Bezug genommen wird - folgt (3 Ob 221/04b = SZ 2005/9 = IPRax 2006, 496 mit jedenfalls insofern zustimmender Besprechung von Spickhoff aaO 522;Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art V NYÜ Rz 16 und Art II NYÜ Rz 26 mwN der dRsp in FN 79). In casu sah das dänische Schiedsgericht den entsprechenden Einwand als nach seinem Verfahrensrecht verspätet (präkludiert) an. Das wäre zwar nach Art V Z 2 EÜ an sich noch im Exequaturverfahren überprüfbar. Eine erhebliche Rechtsfrage - dass im Einzelfall zu Unrecht eine verspätete Einwendung angenommen wurde, würde im Übrigen eine solche noch nicht begründen - wird im Zusammenhang damit aber nicht aufgeworfen. Die Verpflichteten gehen nämlich auf die Begründung des Schiedsgerichts dazu mit keinem Wort ein.
3.2. Zwar kann ein Verstoß gegen konsumentenrechtliche Bestimmungen (hier - wie schon vom Rekursgericht klargestellt wurde, was die Verpflichteten einfach ignorieren - nicht gegen § 617 ZPO, der für Entscheidungen ausländischer Schiedsgerichte nach § 577 Abs 2 ZPO nicht gilt) grundsätzlich den materiellrechtlichen ordre public verletzen (Hausmaninger in Fasching/Konecny² § 611 ZPO Rz 224). Das ist aber zu Art V Abs 2 lit a NYÜ für die Schiedsvereinbarung zu verneinen. Eine solche Vereinbarung ist auch für Verträge zwischen Unternehmern mit Konsumenten zulässig (§ 6 Abs 2 Z 7 KSchG;Hausmaninger aaO § 617 Rz 19), wenn auch nur nach konkretem Aushandeln. Art 14 KSchG (nur eingeschränkte Zuständigkeitsvereinbarungen) wurde bisher analog auf Schiedsvereinbarungen angewendet (Kathrein in KBB² § 14 KSchG Rz 2; Rechberger/Melis in Rechberger³ § 617 ZPO Rz 1 e) je mwN). Einen Verstoß gegen diese Norm machen die Verpflichteten mit dem - wie dargelegt unzutreffenden - Hinweis auf § 617 ZPO geltend. Dieser Einwand wird aber wiederum schon durch die Einlassung vor dem Schiedsgericht (s oben 3.1.) entkräftet (Rechberger/Melis aaO mwN). Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts an sich kann aber nicht gegen die Grundwertungen des österreichischen Rechts verstoßen. Dass das auch der Gesetzgeber so sieht, zeigt der neue (hier, wie gesagt, unanwendbare) § 617 Abs 6 Z 1 ZPO, der überflüssig wäre, wenn die zwingenden konsumentenrechtlichen Bestimmungen durchwegs zum ordre public zählten und daher unter § 611 Abs 2 Z 8 ZPO fielen. Dass die Klausel nicht ausgehandelt worden wäre, bringen die Verpflichteten auch gar nicht vor. Damit machen sie aber - aus der Aktenlage ergibt sich dazu nichts - auch einen Verstoß gegen den ordre public nach Art V Abs 2 lit a NYÜ nicht hinreichend geltend.
Zu den nicht vom Rechtsmittelausschluss betroffenen Teilen des zweitinstanzlichen Beschlusses sind somit erhebliche Rechtsfragen nicht zu beantworten.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 78 EO iVm § 528a und § 510 Abs 3 ZPO).