OGH vom 14.11.2012, 7Ob157/12g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Ebenbichler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****versicherung Aktiengesellschaft (nunmehr H*****versicherung Aktiengesellschaft), Niederlassung Wien, *****, vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 36.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 35.000 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 653/11w 36, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 55 Cg 83/11h 31, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von A*****versicherung Aktiengesellschaft auf H*****versicherung Aktiengesellschaft, Zweigniederlassung Wien, richtiggestellt.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin jeweils die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu 1.:
Mit Hauptversammlungsbeschluss vom wurde die A*****versicherung Aktiengesellschaft (FN *****) als übertragende Gesellschaft mit der H*****versicherung Aktiengesellschaft (FN *****) als übernehmende Gesellschaft verschmolzen und nachfolgend im Firmenbuch eingetragen. Die Fortführung der inländischen Zweigniederlassung der A*****versicherung Aktiengesellschaft erfolgt nunmehr durch die H*****versicherung Aktiengesellschaft, Zweigniederlassung Wien. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist daher die Bezeichnung der Beklagten entsprechend dem offenen Firmenbuch richtigzustellen.
Zu 2.:
Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin besuchte vier Jahre die Schule in Jugoslawien; sie hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Ohne Beratung ist sie nicht in der Lage, den genauen Inhalt von Versicherungsverträgen zu erfassen.
Die mittlerweile gelöschte T***** INVEST ***** GmbH (kurz: T***** INVEST) war Rechtsnachfolgerin einer Courtagevereinbarung von K***** T***** mit der Beklagten. In der Vereinbarung wurde die Vertriebspartnerin als selbständiges Unternehmen in Kooperationsabsicht mit der Beklagten ohne ständige Vertretung definiert. Danach war sie ohne „persönliche Weisungsunterworfenheit“ verpflichtet, die Interessen der Beklagten redlich und sorgfältig zu wahren. Die T***** INVEST war berechtigt, Versicherungsanträge und Anzeigen während der Dauer eines Versicherungsverhältnisses entgegenzunehmen sowie Versicherungsurkunden auszuhändigen und bei Nebenleistungen mitzuwirken. Die Beklagte sagte zu, T***** INVEST bei ihrer Tätigkeit nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse in angemessenem Ausmaß zu unterstützen. Ab war die T***** INVEST zur Vermögensberatung berechtigt, ab zur gewerblichen Vermögensberatung mit der Berechtigung zur Vermittlung von Lebens und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsagent. Geschäftsführer der T***** INVEST war A***** T*****. Dieser war auch Vertriebspartner der (kreditgebenden) Bank und arbeitete mit deren Kundenberaterin zusammen. Wenn die Bank zur Besicherung von Krediten Versicherungen auf den Ablebensfall forderte, wurden diese von A***** T***** vermittelt.
Die Klägerin interessierte sich ursprünglich bei der Kundenberaterin der Bank für einen Kredit für ihre Liegenschaft in Jugoslawien. Da sie bereits offene Kredite hatte, trat auch ihr Ehemann als Kreditnehmer auf. Zur Besicherung dieses Kredits wurde am der Antrag auf eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Rente ausgefüllt. Die Klägerin wurde dabei von A***** T***** beraten. Der Inhalt der Beratung kann nicht festgestellt werden. Am wurde der Klägerin und ihrem Ehemann von der Bank ein Kredit in der Höhe von 47.000 EUR gewährt. Am selben Tag unterzeichnete die Klägerin eine Abtretungsanzeige in Bezug auf die Lebensversicherung zu Gunsten der Bank.
Der von der Klägerin und ihrem Ehemann unterschriebene Versicherungsantrag enthält den Firmenwortlaut und die Kontaktdaten sowohl der Beklagten als auch der T***** INVEST. Die Klägerin beantragte eine fondsgebundene Lebensversicherung mit der „Prämiensumme“ 25.385 EUR und einem Mindestablebensschutz im Fall ihres Ablebens in der Höhe von 183 % (46.454,55 EUR). Im Erlebensfall ist die fällige Leistung an die Versicherungsnehmerin auszuzahlen, für den Ablebensfall ist kein Bezugsberechtigter angegeben. Der Ehemann der Klägerin ist als „mitzuversichernder“ Partner angeführt. Als „Besondere Vereinbarung“ ist die Abtretung aller Ansprüche und Rechte zu Gunsten der Bank vermerkt.
Am stellte die Beklagte die Versicherungsurkunde über diese Versicherung aus. Darin wird die Klägerin als Versicherungsnehmerin und ihr Ehemann als mitversicherter Partner genannt. In Bezug auf ihren Ehemann ist die versicherte Leistung „Prämienbefreiung bei Tod des mitversicherten Partners“. Wem die Versicherungsurkunde zugestellt wurde, kann nicht festgestellt werden. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom über die Ausstellung der Versicherungsurkunde informiert, wobei sie als Versicherungsnehmerin und sowohl ihr Ehemann als auch sie als versicherte Personen angeführt werden. Weitere Informationen über den Inhalt des Versicherungsschutzes finden sich darin nicht.
Am wurde die Klägerin von der Beklagten verständigt, dass die Bank über die Abtretung ihrer Versicherung informiert wurde.
Bereits zuvor, am , hatte die Bank der Klägerin und ihrem Ehemann einen weiteren Kredit in der Höhe von 70.000 EUR genehmigt, der zur Abdeckung des ersten Kredits und einem weiteren Kreditrest verwendet wurde.
Am informierte die Beklagte die Klägerin, dass die Leistung im Ablebensfall aus der Versicherung 48.680 EUR betrage. Das Schreiben führte wiederum die Klägerin als Versicherungsnehmerin und sie sowie ihren Ehemann als versicherte Personen an.
Sämtliche Schreiben der Beklagten an die Klägerin enthalten jeweils den Vermerk: „Es betreut Sie: Fa. T***** INVEST ...“.
Am genehmigte die Bank der Klägerin und ihrem Ehemann einen Kredit in der Höhe von 125.000 EUR. Dieser diente zur Abdeckung des Kredits vom über 70.000 EUR, einer Kontoabdeckung und der Deckung eines weiteren Kreditrests. Bei diesem Kredit begnügte sich die Bank damit, dass cirka die Hälfte der Kreditsumme durch eine Ablebensversicherung der Klägerin von ca 82.000 EUR besichert werden muss. Auf Grund des Alters ihres Ehemanns wäre eine Ablebensversicherung für ihn zu teuer gekommen. Es kann nicht festgestellt werden, ob und wer die Klägerin beim Versicherungsantrag beriet. Zur Besicherung dieses Kredits wurde am ein weiterer Antrag auf eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Rente ausgefüllt. Das Formular enthält lediglich die Kontaktdaten der Beklagten. Handschriftlich ist darauf T***** INVEST vermerkt. Die Klägerin beantragte eine fondsgebundene Lebensversicherung ohne Partnermitversicherung mit einer „Prämiensumme“ von 33.172 EUR und einem Ablebensschutz von 250 % (rechnerisch 82.930 EUR). Im Erlebensfall ist die Klägerin bezugsberechtigt, im Ablebensfall ihr Ehemann. Abermals wurde die „Besondere Vereinbarung“ der Abtretung an die Bank getroffen. Der Antrag wurde von der Klägerin unterzeichnet, nicht jedoch von ihrem Ehemann. Zusammen mit der Kreditvereinbarung für den Kredit vom unterzeichnete die Klägerin am selben Tag auch eine Abtretung der nunmehr abgeschlossenen Versicherung zu Gunsten der Bank.
Die (von der Beklagten) über die zweite Lebensversicherung ausgestellte Versicherungsurkunde führt die Klägerin als Versicherungsnehmerin an. Bezugsberechtigt im Erlebensfall ist die Klägerin, im Ablebensfall ihr Ehemann. Es kann nicht festgestellt werden, an wen die Versicherungsurkunde versandt wurde. Mit Schreiben vom informierte die Beklagte die Klägerin über den Abschluss der zweiten Lebensversicherung. Darin ist die Klägerin als versicherte Person angeführt und weiters, dass sie die Versicherungsurkunde durch ihren Abschlussvermittler erhalten soll.
Mit Schreiben vom informierte die Beklagte die Klägerin über die Abtretung „ihres Vertrags zu Gunsten“ der Bank. In diesem Schreiben sind auch die erste Lebensversicherung und die Klägerin als Versicherungsnehmerin angeführt, als versicherte Personen scheinen die Klägerin und ihr Ehemann auf.
Mit Schreiben vom informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Mindest Ablebensfallsumme in der zweiten Lebensversicherung 86.898 EUR betrage. Lediglich die Klägerin war als Versicherungsnehmerin und versicherte Person angeführt.
Nach dem Tod des Ehemanns der Klägerin erfolgte keine Zahlung der Beklagten. Im Oktober 2010 forderte ein Inkassobüro der Bank von der Klägerin 108.984,47 EUR. In diesem Schreiben ist der Kreditvertrag vom angeführt, wobei die Hauptforderung 97.927,80 EUR beträgt.
Die Klägerin begehrte von der beklagten Lebensversicherungsgesellschaft die Zahlung von 36.000 EUR sA an Schadenersatz. Sie habe über Vermittlung der T***** INVEST, einer der Beklagten als Anscheins oder Pseudomaklerin zuzurechnenden Versicherungsvermittlerin, zur Besicherung zweier von ihr und ihrem Ehemann als Mitkreditnehmer bei einer Bank abgeschlossener Kreditverträge über 47.000 EUR (erster Kredit vom ) und 125.000 EUR (letzter Kredit vom ) jeweils fondsgebundene Lebensversicherungs verträge abgeschlossen. Entgegen der mündlichen Zusicherung des Vermittlers sei das Ableben ihres Ehemanns in keinem der beiden Verträge vom Versicherungsschutz umfasst gewesen. Darüber sei sie nicht aufgeklärt worden. Bei richtiger und vollständiger Beratung wäre es zu dieser Deckungslücke nicht gekommen. Vielmehr hätte sie keine fondsgebundenen Lebensversicherungsverträge abgeschlossen, sondern ausschließlich eine Ablebensversicherung für beide Kreditnehmer. Ihr Ehemann sei am verstorben. Die Beklagte habe es zu vertreten, dass der aushaftende Kreditsaldo von 97.206,18 EUR, den sie alleine nicht mehr bedienen könne, nicht durch eine Ablebensversicherung gedeckt sei. Vorsichtshalber werde nur ein Teilbetrag geltend gemacht.
Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe alle ihre Rechte aus den beiden Versicherungsverträgen der Kreditgeberin abgetreten, sodass sie zur Geltendmachung der daraus resultierenden Schadenersatzansprüche nicht legitimiert sei. Die T***** INVEST sei ein (gewerblicher) Vermögensberater und Makler. Diese sei weder Versicherungsagent noch Pseudomakler der Beklagten gewesen. Eine Falschberatung liege nicht vor, weil der Wunsch der Klägerin nach einer Ablebensversicherung nicht nach außen getreten sei. Der Klägerin sei ein Mitverschulden anzulasten, weil sie die Versicherungsanträge nicht ausreichend durchgelesen habe. Die Forderung sei auch verjährt, weil ihr spätestens am der Schaden auffallen hätte müssen.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten (Haftpflichtversicherer der T***** INVEST) stellte jeden Beratungsfehler in Abrede.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Abweisung des Zahlungsbegehrens von 1.000 EUR sA erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Bei sorgfältigem Verhalten der als Pseudomaklerin oder Anscheinsagentin zu qualifizierenden T***** INVEST (§§ 43 Abs 1, 43a VersVG) wäre es zum Abschluss einer Versicherung gekommen, aus der bei Ableben des Ehemanns der Klägerin die Hälfte der Kreditsumme des ersten Kredits an die Kreditgeberin zur Auszahlung gelangt wäre. Dennoch stehe der Klägerin kein Schadenersatz zu, weil auf Grund der Zessionen auch bei ordnungsgemäßer Beratung die Versicherungssumme nicht an sie, sondern an die Kreditgeberin überwiesen worden wäre. Für den geltend gemachten Schaden sei die Fehlberatung „nicht kausal“ gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es übernahm nicht die von der Klägerin bekämpften erstinstanzlichen Feststellungen, wonach die Sachbearbeiterin der Kreditgeberin für die Genehmigung des ersten Kredits eine jeweils nur 50%ige Absicherung der Kreditsumme gegen das Ableben beider Kreditnehmer verlangt habe und selbst davon ausgegangen sei, dass beide (nur) je zur Hälfte ablebensversichert gewesen seien. Rechtlich führte es aus: § 1394 ABGB bestimme, dass die Rechte des Zessionars mit den Rechten des Zedenten in Rücksicht auf die überlassene Forderung dieselben seien. Aus dieser gesetzlichen Formulierung folge, dass Nebenrechte, die ausschließlich dem Zweck der Hauptforderung, ihrer Sicherung oder Durchsetzung dienten, ohne weiteres mit dieser auf den Zessionar übergingen. Schon danach sei der auf das Auffüllen der Deckungslücke abzielende Anspruch auf jene Versicherungsleistung, die bei ordentlicher Beratung angefallen wäre, als unselbständiges, forderungsbezogenes Nebenrecht, das letztlich auf die Durchsetzung des abgetretenen versicherungsvertraglichen Anspruchs auf Leistung der Versicherungssumme nach dem Ableben des Ehemanns der Klägerin abgezielt habe von der Abtretung erfasst. Auch eine Auslegung der Abtretungserklärungen führe zu keinem anderen Ergebnis, sollten doch alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag von der Abtretung erfasst sein. Die Haftung aus culpa in contrahendo für eine vorvertragliche Verletzung von Schutz , Sorgfalts und Aufklärungspflichten sei nicht deliktischer, sondern vertraglicher Natur. Es handle sich um einen (an die Kreditgeberin abgetretenen) Anspruch aus dem Versicherungsvertrag.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob Schadenersatzansprüche aus culpa in contrahendo als Nebenrechte gemäß § 1394 ABGB vom Umfang der Abtretung erfasst seien, von erheblicher Bedeutung sei.
Die Klägerin macht in der Revision unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, dem Klagebegehren im Betrag von 35.000 EUR stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in den Revisionsbeantwortungen, die Revision zurück oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Das vorvertragliche Schuldverhältnis, dessen Verletzung als culpa in contrahendo bezeichnet wird, entsteht zwar auf Grund des Gesetzes, also ex lege (§ 859 ABGB) schon mit der Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts, es steht jedoch den rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen nahe. Die vorvertraglichen Schutz , Sorgfalts und Aufklärungspflichten unterliegen daher hinsichtlich des Ersatzes von Vermögensschäden, der Gehilfenzurechnung und der Beweislast demselben strengen Regime wie die Verletzung vertraglicher Pflichten. Das ABGB enthält zwar keine allgemeine Bestimmung über vorvertragliche Pflichten, doch werden sie zum Beispiel in den §§ 874 und 878 ABGB vorausgesetzt und im Bereich des Versicherungsvertragsrechts in der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nach § 16 VersVG ausdrücklich normiert. Über § 874 ABGB hinaus ist daher seit langem anerkannt, dass präsumtive Vertragspartner schon mit der Kontaktaufnahme zu rechtsgeschäftlichen Zwecken in ein vorvertragliches Schuldverhältnis eintreten, das von einem späteren Vertragsabschluss unabhängig ist und Schutz , Sorgfalts und Aufklärungspflichten begründet (7 Ob 229/08i mwN).
Dass die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs und Sorgfaltspflichten schadenersatzpflichtig macht und der Versicherungsagent, wozu nach § 43 Abs 1 letzter Halbsatz VersVG auch der Anscheinsagent zählt (7 Ob 58/09v), bei der Anbahnung des Abschlusses eines Versicherungsvertrags Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist, für dessen Verschulden dieser einzustehen hat, entspricht der Lehre und Rechtsprechung (7 Ob 38/89 mwN = SZ 62/187; 7 Ob 229/08i). Sieht sich der Versicherungsnehmer zufolge seiner erkennbar falschen, vom Versicherungsagenten pflichtwidrig nicht aufgeklärten Vorstellungen über den Umfang der Versicherung einer für ihn unerwarteten Deckungslücke gegenüber, dann ist ihm der Versicherer für den im Entgang des Versicherungsschutzes liegenden Schaden ersatzpflichtig und damit deckungspflichtig, wenn der Schaden bei rechtzeitiger Aufklärung durch den entsprechenden Abschluss einer den Versicherungsschutz gewährleistenden Versicherung gedeckt worden wäre (7 Ob 229/08i mwN; RIS Justiz RS0080386 [T4]).
2. Forderungen des Versicherungsnehmers „aus der Versicherung“ (§ 15 VersVG) können als Geldforderungen im Allgemeinen ohne weiteres abgetreten, verpfändet oder gepfändet werden und sind daher als Sicherungsmittel geeignet. Ansprüche aus der Lebensversicherung können daher grundsätzlich gemäß § 15 VersVG abgetreten werden, ohne dass dadurch das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem berührt würde (1 Ob 662/90 = ZfRV 1992, 70 [ Hoyer , Zankl ]). Der Versicherungsnehmer kann schon vor dem Versicherungsfall seinen möglichen Anspruch auf die Versicherungsleistung abtreten, weil auch künftige Forderungen Gegenstand der Abtretung sein können ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ [1995] 278 mwN; RIS Justiz RS0032906).
3. Die Klägerin behauptet in der Revision, sie mache gegenüber der Beklagten Ansprüche geltend, die „allenfalls im Zusammenhang“ mit den Versicherungsverträgen stünden. Die Verletzung ihrer vorvertraglichen Aufklärungsansprüche bestehe darin, dass der von ihr (und der finanzierenden Bank) gewünschte Ablebensversicherungsvertrag hinsichtlich ihres verstorbenen Ehemanns nicht zustande gekommen sei. Die Hauptforderung aus einem noch nicht zustande gekommenen Vertrag (unterlassener Abschluss einer Ablebensversicherung für den verstorbenen Ehemann) könne nicht abgetreten werden.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Klägerin aus der Beratung beim (zweiten) Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung vom kein Schadenersatzanspruch zusteht. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen steht nicht fest, ob und wer die Klägerin dabei beriet. Zudem wäre auf Grund des Alters des Ehemanns der Klägerin eine Ablebensversicherung in Bezug auf ihn zu teuer gekommen. Damit steht aber gerade nicht fest, dass die Klägerin als Versicherungsnehmerin mit der Beklagten einen den Ablebensfall ihres mittlerweile verstorbenen Ehemanns deckenden Versicherungsvertrag abgeschlossen hätte. War der Klägerin aber aus finanziellen Gründen der Abschluss eines solchen Ablebensversicherungsvertrags nicht möglich, fehlt es schon am kausalen Schaden.
Im Antrag der Klägerin an die Beklagte vom auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit Rente wird unter „Besondere Vereinbarungen“ die Abtretung „aller Ansprüche und Rechte“ an die Kreditgeberin festgehalten. Mit der von der Klägerin unterzeichneten Abtretungsanzeige vom selben Tag setzte die Kreditgeberin die Beklagte davon in Kenntnis, dass ihr die Klägerin „alle aus dem ... Versicherungsvertrag zustehenden Rechte“ gegen die Beklagte rechtsverbindlich abgetreten hat. Nach dem Wortlaut („alle aus dem ... Versicherungsvertrag zustehenden Rechte“) sind von der Abtretung an die Kreditgeberin auch Schadenersatzansprüche aus culpa in contrahendo erfasst, weil diese gleichsam an die Stelle der vertraglichen Leistungspflicht treten (in diesem Sinn 7 Ob 229/08i zur Wirkung einer Zahlungssperre infolge Vinkulierung). Nach dem Geschäftszweck (§ 914 ABGB) der Abtretungsvereinbarung kann es nicht entscheidend sein, ob die Versicherungsleistung der beklagten Versicherungsgesellschaft unmittelbar auf einem gültigen Versicherungsvertrag oder auf Schadenersatz infolge schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Schutz , Sorgfalts- und Aufklärungspflichten durch den (Anscheins )Versicherungsagenten als Gehilfen des Versicherers beruht ( Ertl , Rechtsprechungsübersicht Versicherungsrecht 2009 [Teil I], ecolex 2010, 330 [333] zum Vinkulierungsvertrag). Der von der Klägerin zufolge ihrer erkennbar falschen Vorstellungen über den Umfang der ersten fondsgebundenen Lebensversicherung gegenüber der Beklagten geltend gemachte Entschädigungsbetrag ist von der umfassenden Abtretungsvereinbarung mit der Kreditgeberin erfasst. Da die Schadenersatzansprüche aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis bezüglich der (ersten) fondsgebundenen Lebensversicherung rechtswirksam an die Kreditgeberin abgetreten wurden, fehlt der Klägerin die Aktivlegitimation zur Geltendmachung dieser Ansprüche.
Zudem wäre § 159 Abs 2 VersVG zu beachten. Im Fall, dass die Versicherung für den Tod eines anderen (nicht des Versicherungsnehmers) genommen wird und die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten wie wohl hier übersteigt, ist zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen (Ehemann der Klägerin) erforderlich. Der Zweck dieser Bestimmung ist, den Versicherten vor Spekulationen auf seinen Tod zu schützen und gilt daher immer, wenn der Versicherungsnehmer ein vermögenswertes Interesse am Tod des Versicherten hat (RIS Justiz RS0080812; 7 Ob 189/10k). Dass ihr Ehemann diese schriftliche Einwilligung zu einer Versicherung auf sein Ableben (die festgestellte Unterschrift bezieht sich nicht darauf) erteilt hätte, hat die Klägerin aber nicht behauptet.
4. Da die Ansprüche aus culpa in contrahendo von der Abtretung umfasst sind, braucht die Frage, ob der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo abgeleitet aus § 1394 ABGB als Nebenrecht anzusehen ist, das ausschließlich dem Zweck der Hauptforderung, ihrer Sicherung oder Durchsetzung dient und bei der Abtretung auch ohne besondere Vereinbarung mit der Hauptforderung übergeht (RIS Justiz RS0032665; vgl RS0032648), nicht geklärt werden. Ein Fall der unzulässigen Haftungsfreizeichnung (§ 6 Abs 1 Z 9 KSchG), mit dem die Klägerin in der Revision argumentiert, liegt hier nicht vor.
5. Der Revision der Klägerin ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2012:0070OB00157.12G.1114.000