OGH 09.06.1998, 7Ob156/98m
Rechtssatz
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Norm | |
RS0111472 | Die unentgeltliche Vermietung einer Hoffläche zum Abstellen von Fahrzeugen im Zusammenhang mit der Vermietung einer Wohnung in dem selben Haus an einen Minderjährigen, der noch über gar kein Fahrzeug verfügt, stellt eine ungewöhnliche Nebenabrede dar, an die der spätere Erwerber des Hauses nicht gebunden ist. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft der EZ *****, vertreten durch Dr.Erich Kafka ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Markus R*****, vertreten durch Dr.Mag.Harald Schuster, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Karl Peter R*****, vertreten durch Dr.Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung (Streitwert nach RAT S 24.000,--, nach GGG S 7.950,--) im Verfahren über die "außerordentliche" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 73/98a-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 54 C 548/96f-11, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil durch einen Ausspruch dahin zu ergänzen, ob die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist oder nicht.
Text
Begründung:
Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Berufungsgericht das Klagebegehren des Inhalts, die zweitbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die im Haus W*****, gelegene Hoffläche binnen 14 Tagen geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben, ab. Es sprach dabei unter anderem aus, das der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,-- nicht übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei (§ 502 Abs 2 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Durch die Erweiterte Wertgrenzennovelle 1997 (BGBl I 1997/140), die auf Verfahren anzuwenden ist, in denen das Berufungsurteil nach dem gefällt wurde (Art XXXII Z 14 WGN 1997) wurde für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird, das bisherige Revisionsmodell nicht geändert (siehe § 502 Abs 5 Z 2 ZPO idF der WGN 1997 im Vergleich zu § 502 Abs 3 Z 2 ZPO alt). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung des Streitgegenstandes mit unter S 52.000,-- ist daher unbeachtlich, wenn ein Räumungsprozeß über eine in § 560 ZPO genannte Sache vorliegt (7 Ob 1577/91, WoBl 1993/108, MietSlg 45.717 uva, zuletzt 8 Ob 2140/96f). Eine Räumungsklage über eine im § 560 ZPO genannte Sache (§ 49 Abs 2 Z 5 JN) liegt auch dann vor, wenn sich der Streit nicht auf den gesamten "Bestandgegenstand", sondern nur auf einzelne Teile (einzelne Räumlichkeiten, Teilflächen einer Wohnung oder eines Hauses) erstreckt, sodaß auch in einem solchen Fall eine Ausnahme von der wertmäßigen Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 ZPO gegeben ist (6 Ob 626/92 = MietSlg 45.604). In einem solchen Fall bedarf es daher eines Ausspruches iSd § 500 Abs 2 Z 3 ZPO. Der vom Berufungsgericht vorgenommene Ausspruch, daß die Revision jedenfalls unzulässig sei, ist unbeachtlich. Dementsprechend hat das Berufungsgericht aber gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO auszusprechen, ob die ordentliche Revision zulässig ist oder nicht.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft der EZ *****, GB ***** M*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl Peter R*****, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom (berichtigt am ), GZ 40 R 73/98a-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 54 C 548/96f-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben, die angefochtene Berufungsentscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und die mit S 5.635,68 (darin S 609,28 USt und S 1.980,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Beklagte schloß am (durch seine Mutter) mit seinem mittlerweile verstorbenen Großvater, der Voreigentümer des Hauses W*****, B*****gasse 8 war, einen Mietvertrag über die Wohnung top Nr 11 zu einem monatlichen Hauptmietzins von S 45,-- ab. Bereits vor Abschluß des Mietvertrages benützten die Eltern des Beklagten mit Wissen und Willen des Hauseigentümers die Hoffläche der genannten Liegenschaft zum Abstellen ihrer PKWs aufgrund einer mündlichen Zusage. Ein gesondertes Entgelt wurde dafür nicht vereinbart und auch nie bezahlt. Im Jahr 1985 erfuhr die Mutter des Beklagten, daß das Haus verkauft werden sollte. Da sie die Autoabstellplätze im Hof für ihre Familie sichern wollte, vergewisserte sie sich bei ihrem Schwiegervater, ob sie diese behalten könne, was er ihr bestätigte. Kurz vor dem Verkauf der Liegenschaft Ende Juni 1985 wurde über Betreiben der Mutter des Beklagten der Autoabstellplatz in den Mietvertrag als mitgemietet eingetragen. Bei Übergabe der Unterlagen an die Hausverwaltung der Käuferin wurde jedoch ein Mietvertrag des Beklagten übergeben, der die Ergänzung "ein Autoabstellplatz" nicht enthielt. Die Tatsache, daß für die Wohnung des Beklagten zwei verschiedene Mietverträge existieren, nämlich einer mit dem Passus "ein Autoabstellplatz" und ein anderer ohne diesen Passus, wurde der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei erst im Zuge eines Besitzstörungsverfahrens bekannt.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Räumung der Hoffläche des Hauses W*****, B*****gasse 8, von seinem Fahrzeug. Der Beklagte benütze den Hof titellos zum Parken. Selbst wenn der Zusatz "ein Autoabstellplatz" vor dem Stichtag im Einvernehmen mit dem damaligen Liegenschaftseigentümer in den Mietvertrag eingefügt worden sein sollte, handle es sich hiebei um eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhalts, an die die Rechtsnachfolger im Eigentum nicht gebunden seien, da sie diese Abrede weder kannten noch kennen mußten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, den Abstellplatz mitgemietet zu haben und daß die entsprechende Einfügung in seinen Mietvertrag lange vor Verkauf der Liegenschaft erfolgt sei. Die Vereinbarung über die Autoabstellplätze sei ein integrierender Bestandteil seines Mietvertrages gewesen.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Die Klägerin sei als Rechtsnachfolgerin der Voreigentümer gemäß § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG in die mit dem Rechtsvorgänger geschlossenen Hauptmietverträge eingetreten. Die unentgeltliche Ausdehnung der Mietverträge auf eine Parkfläche im Hof eines Großstadthauses sei jedoch eine ungewöhnliche Nebenabrede, an die die Klägerin als Einzelrechtsnachfolgerin nicht gebunden sei. Die Klägerin habe von dieser Nebenabrede keine Kenntnis gehabt. Eine - nicht eingewendete - Verschweigung liege nicht vor, weil die Klägerin bemüht gewesen sei, die Benützung der Hoffläche durch den Beklagten zu unterbinden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung mit dem angefochtenen Urteil in eine Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Die Anmietung eines Autoabstellplatzes im Hof eines Wohnhauses im Großstadtgebiet stelle einen wesentlichen Punkt und daher keine Nebenabrede des Bestandvertrages dar. Dies ergebe sich auch aus der entsprechenden Einfügung in den Originalmietvertrag. Gegen das Vorliegen einer Nebenabrede und für das Vorliegen eines wesentlichen Vertragspunktes spreche objektiv, daß einer Parkfläche als Bestandobjekt besonders im städtischen Raum ein selbständiger Verkehrswert zukomme. Selbst wenn man den Standpunkt verträte, es liege eine Nebenabrede vor, so sei diese nicht ungewöhnlich, weil es im großstädtischen Gebiet mit knappem Parkraum durchaus üblich sei, den Bestandnehmern Parkmöglichkeiten im Hof einzuräumen. Es komme daher weder auf die tatsächliche Kenntnis des Erwerbers, noch auf die Frage einer konkludenten Erweiterung des Bestandrechtes durch den Beklagten an.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.
Nach § 2 Abs 1 Satz 3 und 4 MRG ist der Rechtsnachfolger des Vermieters an den wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag auch dann gebunden, wenn dieser nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist; enthält jedoch der Hauptmietvertrag Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger des Vermieters an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Zunächst ist der Revisionswerberin zuzustimmen, daß eine zwei Jahre nach Abschluß des Bestandvertrages über eine Wohnung getroffene zusätzliche Vereinbarung, mit der dem Bestandnehmer das Recht eingeräumt wird, im Hof unentgeltlich ein Fahrzeug parken zu dürfen, keine "Hauptabrede" darstellt, weil eine solche Zusage für das Bewohnen der ursprünglich angemieteten Räume in keiner Weise erforderlich war.
Nach der Rechtsprechung (JBl 1986, 386 mit kritischer Anmerkung von P. Huber = MietSlg 37.239/37 = SZ 58/145; MietSlg 39.223; WoBl 1989/74; MietSlg 40.231 und 40.236; WoBl 1995/57) ist eine Nebenabrede dann ungewöhnlich iSd § 2 Abs 1 3. Satz MRG, wenn sie bei vergleichbaren Mietgegenständen und vergleichbarem Vertragsinhalt nicht oder jedenfalls nur selten vereinbart wird, etwa weil kein Bedürfnis nach einer solchen Vereinbarung besteht oder weil sie der typischen Interessensituation der Beteiligten nicht entspricht. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit einer Nebenabrede in der Form, daß dem Mieter zusätzlich das Parken im Hof gestattet wurde, vertrat die Rechtsprechung zu 1 Ob 634/85 (vgl dazu die oben vorerst zitierten Veröffentlichungen) den Standpunkt, daß die unentgeltliche Mitvermietung einer Hoffläche in einem großstädtischen Wohnhaus "ungewöhnlich" sei. Bei anders gelagerten Sachverhalten wurden die Revisionen des Bestandgebers unter Berufung auf die jeweils vorliegenden Umstände des Einzelfalles als unzulässig zurückgewiesen (7 Ob 1699/95 sowie 4 Ob 1664/95 = MietSlg 47.179). Der vorliegende Sachverhalt ist jenem der Entscheidung 1 Ob 634/85 gleichzuhalten. Der Kritik P. Hubers wäre aber insoweit beizustimmen, als die Vermietung von Hofflächen im dicht verbauten großstädtischen Gebiet mit Parkplatznot grundsätzlich nicht ungewöhnlich wäre, wohl aber eine unentgeltliche Überlassung an einen Mieter, wie im vorliegenden Fall, der noch gar nicht über ein Fahrzeug verfügte.
Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1998:0070OB00156.98M.0609.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAD-40222