OGH vom 08.11.1994, 4Ob133/94

OGH vom 08.11.1994, 4Ob133/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GesellschaftmbH, *****, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter H***** vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 470.000,--), infolge Revisionsrekurses des Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 164/94-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom , GZ 6 Cg 117/94x-3, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

I. Die Revisionsrekursbeanwortung und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Der Antrag der Klägerin, dem Beklagten aufzutragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, Förderband-Reinigungsgeräte, insbesondere Förderband-Vorabstreiferblätter, anzubieten und/oder zu vertreiben, die mit dem Zeichen "M*****" versehen sind, sofern es sich nicht um Originalware der Klägerin, die vom Beklagten nicht verändert, insbesondere nicht aufgearbeitet wurde, handelt, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 13.732,20 bestimmten Äußerungskosten (darin S 2.288,70 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 34.340,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.723,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erzeugt und vertreibt (ua) Förderband-Abstreifersysteme. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Systeme sind die Vorabstreiferblätter, welche die Klägerin mit dem Zeichen "M*****" versieht. Die Marke "M*****" ist für die amerikanische Muttergesellschaft der Klägerin unter der Registernummer 9***** im Markenregister des Österreichischen Patentamtes eingetragen. Die Klägerin erhielt von ihrer Muttergesellschaft das Recht eingeräumt, ihre Erzeugnisse, ua die Förderband-Abstreifersysteme und die Vorabstreiferblätter, mit dem Zeichen "M*****" zu versehen und gegen Zeichenverletzungen durch Dritte gerichtlich vorzugehen.

Die Klägerin vertreibt Förderband-Abstreifersysteme seit Mitte 1990 in Österreich über den Beklagten. Ende 1993 bot der Beklagte Mitarbeitern der Klägerin an, von ihm aufgearbeitete "M*****"-Vorabstreiferblätter zu kaufen und zu vertreiben. Der Beklagte repariert abgenützte "M*****"-Vorabstreiferblätter, indem er die abgenützte Spitze abschleift und ein neues Stück Polyurethan auf die Spitze aufgießt. Der aufgegossene Teil ist durch den Farbunterschied und durch die Schleifspuren deutlich zu erkennen. Das Zeichen "M*****" ist in jenem Teil der Vorabstreiferblätter eingeprägt, der von der Reparatur nicht betroffen ist.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Förderband Reinigungsgeräte, insbesondere Förderband-Vorabstreiferblätter, anzubieten und/oder zu vertreiben, die mit dem Zeichen "M*****" versehen sind, sofern es sich nicht um Originalware der Klägerin, die vom Beklagten nicht verändert, insbesondere nicht aufgearbeitet wurde, handelt.

Die Vorabstreiferblätter seien Verschleißprodukte, die nach einer gewissen Einsatzdauer auszutauschen seien. Der Beklagte verletze durch die Lieferung aufgearbeiteter und damit entscheidend veränderter Vorabstreiferblätter, an denen er aber das Zeichen der Klägerin belasse, die Rechte der Klägerin am Firmenschlagwort und an der Marke "M*****".

Der Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Er repariere gebrauchte Vorabstreiferblätter nach einem System, welches er entwickelt habe. Seinen Kunden sei klar, daß er als selbständiger Kaufmann tätig werde. Das an der Unterseite der Vorabstreiferblätter eingeprägte Zeichen "M*****" werde von der Reparatur nicht betroffen. Durch die Reparatur würden die Vorabstreiferblätter nicht verändert, sondern lediglich wieder funktionsfähig gemacht. Die reparaturbedingte Farbänderung schließe eine Verwechslung aufgearbeiteter mit neuen Vorabstreiferblättern aus. Der Beklagte beabsichtige nicht, aufgearbeitete Vorabstreiferblätter an Dritte zu veräußern; er beschränke sich darauf, abgenützte zu reparieren. Das Zeichen "M*****" werde von ihm nicht kennzeichenmäßig gebraucht.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und machte ihren Vollzug vom Erlag einer Sicherheit von S 300.000,-- abhängig.

Durch das Aufarbeiten würden die gebrauchten Vorabstreiferblätter entscheidend verändert. Da der Beklagte die reparierten Vorabstreiferblätter wieder in Verkehr setze, ohne das Zeichen "M*****" entfernt zu haben, greife er in die Zeichenrechte der Klägerin ein. Wiederholungsgefahr sei gegeben. Die Sicherheit sei gemäß § 390 Abs 2 EO aufzuerlegen.

Die Klägerin erlegte die Sicherheit.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gemäß § 34 Abs 1 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden. Die Marke "M*****" habe für Vorabstreiferblätter in Österreich Verkehrsgeltung erlangt. Mit dem ersten Inverkehrsetzen der mit der Marke versehenen Ware sei das Markenrecht erschöpft. Dennoch könne der Zeicheninhaber Handlungen verbieten, welche die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke beeinträchtigen. Nach § 10a MSchG sei dies insbesondere dann der Fall, wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert werde. Der Beklagte beschränke sich nicht darauf, Ersatzteile herzustellen und zu vertreiben, bei denen das (fremde) Zeichen als reine Bestimmungsangabe verwendet wird. Er habe versucht, einen Vertrieb von bearbeiteten Vorabstreiferblättern aufzubauen. Dadurch würde in das Markenrecht der Klägerin eingegriffen, nicht jedoch durch die bloße Reparatur von Vorabstreiferblättern. Der Farbunterschied zwischen neuen und aufgearbeiteten Vorabstreiferblättern schließe Verwechslungen nicht aus, weil nicht alle Kunden vorher Original-Vorabstreiferblätter bezogen hätten. Der Farbunterschied weise nicht unzweifelhaft darauf hin, daß die Ware nachträglich von einem hierzu nicht Berechtigten bearbeitet wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

zu I) Die Klägerin hat die Revisionsrekursbeantwortung nach Ablauf der 14tägigen Rechtsmittelfrist des § 402 Abs 3 EO und damit verspätet zur Post gegeben. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist im Exekutionsverfahren ausgeschlossen (§ 58 Abs 2 EO); diese Bestimmung ist auch im Provisorialverfahren anzuwenden (§ 402 Abs 4 EO; JBl 1983, 493; ÖBl 1986, 45).

zu II) Nach § 1 Abs 1 MSchG ist die Marke ein Zeichen, das dazu dient, zum Handelsverkehr bestimmte Waren (oder Dienstleistungen) eines Unternehmens von gleichartigen Waren (und Dienstleistungen) anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Marke hat vor allem Herkunfts- und Garantiefunktion (Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht12 EinlWZG Rz 11, 12). Dem Markeninhaber ist (nur) der kennzeichenmäßige Gebrauch seines Zeichens vorbehalten (§§ 12, 13 MSchG). Kennzeichenmäßiger Gebrauch liegt vor, wenn im geschäftlichen Verkehr eine wörtliche oder bildliche Bezeichnung zur Kennzeichnung einer Ware oder in Beziehung auf sie so gebraucht wird, daß der unbefangene und flüchtige Durchschnittsabnehmer annimmt oder annehmen kann, das Zeichen diene zur Unterscheidung der so gekennzeichneten Waren von gleichen oder gleichartigen anderer Herkunft (Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht12 § 15 WZG Rz 23, 14; s ÖBl 1985, 158 - Ford-Spezialwerkstätte; ÖBl 1985, 46 - Holzknecht; auch ÖBl 1992, 273 - Mercedes-Teyrowsky). Nur in einem solchen Fall kann die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke beeinträchtigt werden, wenn die Ware weder vom Markeninhaber noch von einem von ihm ermächtigten Dritten mit dem Zeichen versehen und in Verkehr gebracht wird (ÖBl 1985, 46 - Holzknecht).

Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke werden jedoch nicht beeinträchtigt, wenn rechtmäßig gekennzeichnete und in Verkehr gebrachte Ware weitervertrieben wird, muß doch der Hersteller einer Ware annehmen, daß jeder Händler die von ihm erworbene Ware weiterveräußern will. Mit dem Inverkehrsetzen einer solchen Ware durch den Hersteller ist das Markenrecht "erschöpft" (Baumbach/Hefermehl aaO § 15 WZG Anm 46; MR 1992, 38 - Spinnrad mwN). In diesem Sinn bestimmt § 10a Abs 1 MSchG idF der MSchG-Nov 1992 BGBl 1993/917 (in Kraft getreten mit , BGBl 1993/917) in Umsetzung des Art 7 der sog "Markenrechtsrichtlinie" der EG, daß die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Damit wurde der im österreichischen Markenrecht von der Rechtsprechung schon bisher anerkannte Grundsatz der "Erschöpfung" des Markenrechts für den EWR-Bereich gesetzlich festgeschrieben, die Frage der "globalen Erschöpfung" aber weiterhin der Rechtspraxis überlassen (GRV 669 Blg NR 18. GP 5).

Vom Grundsatz der "Erschöpfung" des Markenrechtes besteht aber (seither) insofern eine Ausnahme, als Abs 1 nicht anzuwenden ist, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, daß der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist (§ 10a Abs 2 MSchG). Diese Ausnahme ist aber naturgemäß nur dann von Bedeutung, wenn eine Marke kennzeichenmäßig gebraucht wird, so daß die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke durch den Vertrieb der Ware in verändertem oder verschlechtertem Zustand beeinträchtigt werden. Nur in einem solchen Fall liegt im Belassen des Zeichens und im Weitervertrieb der Ware ein widerrechtliches neues "Versehen" der Ware mit dem geschützten Zeichen (Baumbach/Hefermehl aaO § 15 WZG Rz 47).

Das ist hier nicht der Fall: Der Beklagte will die von ihm reparierten Vorabstreiferblätter nicht als neu, sondern als aufgearbeitet in den Verkehr bringen. Etwas anderes ist auch nicht denkbar, ist die Reparatur doch auch demjenigen deutlich erkennbar, der noch kein Originalvorabstreiferblatt gesehen hat: Sowohl der Farbunterschied als auch die Schleifspuren zeigen, daß einem gebrauchten Vorabstreiferblatt ein neues Stück Polyurethan aufgegossen wurde. Das schließt die Annahme aus, daß das von der Reparatur nicht betroffene und daher noch sichtbare Zeichen "M*****" angebracht worden sei, um aufgearbeitete Vorabstreiferblätter von gleichartigen zu unterscheiden. Da der Beklagte die Vorabstreiferblätter demnach nur als aufgearbeitet vertreiben kann und (etwa gleich runderneurten Reifen) auch will, liegt kein kennzeichenmäßiger Gebrauch des Zeichens "M*****" vor (s Baumbach/Hefermehl aaO § 15 WZG Rz 14, wonach die Marke "Singer" bei einem Verkauf einer gebrauchten auflackierten Singer-Nähmaschine als aufgearbeitet nicht mehr zeichenmäßig benutzt wird).

Das unterscheidet den vorliegenden Fall von den den Entscheidungen ÖBl 1967, 112 - Gasfeuerzeuge und ÖBl 1969, 12 - Schick-Chic zugrundeliegenden Fällen, in denen nicht erkennbar war, daß die Ware von einem Dritten aufgearbeitet (repariert) worden war. Auch die Entscheidungen SZ 17/87 und ÖBl 1958, 68 - Seeburg sprechen nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Das Abschleifen der abgenützten Spitze und das Aufgießen einer neuen führt zu keiner Veränderung des "Wesens" der Vorabstreiferblätter; nach den zitierten Entscheidungen wird das Zeichenrecht aber "nur durch einen Umbau der Maschine mit einer Veränderung ihres Wesens, so daß der Mechanismus oder die Funktion geändert wird", verletzt.

Mit dem Vertrieb reparierter Vorabstreiferblätter als aufgearbeitet greift der Beklagte daher nicht in die von der Klägerin wahrgenommenen Markenrechte ein. Die gegenteilige Auffassung müßte dazu führen, daß das Inverkehrbringen (erkennbar!) reparierter alter Markenware, - jedenfalls bei jeder reparaturbedingten Veränderung - dem Markeninhaber vorbehalten wäre. Das hätte eine Beeinträchtigung des Reparaturgewerbes zur Folge, die mit dem Grundsatz der "Erschöpfung " des Markenrechts nicht in Einklang stünde. § 10 Abs 2 MSchG ist nur bei kennzeichenmäßigem Gebrauch, also in der Regel bei Vertrieb (vermeintlich) neuer Ware anzuwenden.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.