OGH vom 29.11.2001, 6Ob212/01x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der beim Landesgericht Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen P*****, wegen Verhängung von Zwangsstrafen nach § 283 HGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Franz N***** und Dr. Thomas H*****, alle ***** Neudorf, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 251/00p-10, womit infolge Rekurses der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 1 Fr 10305/99p-5, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs und der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes werden zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom die Geschäftsführer vergeblich aufgefordert, den Jahresabschluss der Gesellschaft zum einzureichen, worauf die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art 234 EG anregten. Mit weiterem Beschluss vom (ON 3) sprach das Firmenbuchgericht aus, dieser Anregung nicht zu entsprechen; gleichzeitig forderte es die Geschäftsführer neuerlich auf, den Jahresabschluss vom binnen zwei Wochen bei sonstiger Verhängung der angedrohten Zwangsstrafe (je 10.000 S) einzureichen. Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom (ON 5) die angedrohte Zwangsstrafe von je 10.000 S und forderte die Geschäftsführer neuerlich unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 50.000 S neuerlich zur Offenlegung auf.
Der Jahresabschluss wurde schließlich nach Erlassung des Strafbeschlusses eingereicht.
Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen den Beschluss vom zurück. Die Rechtsmittelwerber seien weder dadurch beschwert, dass ihrer Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht entsprochen wurde, noch auch durch den Auftrag zur Vorlage des Jahresabschlusses unter Androhung einer erst zu verhängenden Zwangsstrafe. Den Beschluss vom über die Verhängung der Zwangsstrafe von je 10.000 S bestätigte das Rekursgericht.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer richtet sich gegen die Bestätigung der verhängten Zwangsstrafen. Sie machen auch geltend, einer der Geschäftsführer sei vor Rechtskraft der Erzwingungsbeschlusses aus dem Unternehmen ausgeschieden, könne daher die von ihm geforderte Leistung nicht mehr erbringen und sei zur Offenlegung nicht mehr verpflichtet.
Das Rechtsmittel der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; 6 Ob 211/01z, RIS-Justiz RS0011629). Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG iVm § 15 FBG zu bewerten hat. Eines Ausspruchs des Rekursgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es somit nicht.
Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom - Publizitäts- richtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom - Bilanzrichtlinie nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (vor allem der Entscheidung vom , Slg 1997 I-6843 - Daihatsu = EuZW 1998, 45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN, 6 Ob 211/01z uva, RIS-Justiz RS0113282). Der Revisionsrekurs macht keine Umstände geltend, die eine Änderung dieser Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH wird nicht nahegetreten.
Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der
Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu
überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der
Erneuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen
nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s =
ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157; 6 Ob 211/01z uva). Eine Nachholung
der Offenlegung erst im Rekursverfahren konnte das
Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend
erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen. Aus denselben Gründen
konnte auch das Ausscheiden des zweiten Geschäftsführers (dieser war
erst nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses ausgeschieden)
nicht berücksichtigt werden.
Auf die im Revisionsrekurs angesprochene Frage eines (auch) strafrechtlichen (repressiven) Charakters der Zwangsstrafe braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung - wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung erster Instanz - ohnehin nachkam und somit kein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem repressiven Charakter der Zwangsstrafe stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.
Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, könnte erst im Vollstreckungsverfahren entschieden werden.
Fundstelle(n):
SAAAD-40178