OGH vom 10.12.2014, 7Ob156/14p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Dr. Zsizsik Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei F*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen 135.082,68 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 104/14b 31, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 41 Cg 53/13b 25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teils das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.470,14 EUR (darin enthalten 836,69 EUR an USt und 5.450 EUR an Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft samt Gebäude, das er von 1993 bis 2011 bei der A***** AG unter anderem gegen Feuer mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt 495 m 2 versichert hatte. Am Gebäude wurden seit 1969 keine Zu oder Anbauten vorgenommen.
Seit 2008 betreute die Versicherungsmaklerin K***** K***** als „Submaklerin“ der Beklagten den Kläger bei Abschluss diverser „Versicherungsprodukte“.
Im Jahr 2011 betraute sie der Kläger mit der Bearbeitung der Kündigung des die Feuerversicherung umfassenden Versicherungsvertrags mit der A***** AG und mit der Erlangung einer vorläufigen Versicherungsdeckung für diese Sparte bei einer anderen Versicherung.
K***** K***** forderte den Kläger auf, ihr die für die Berechnung der Versicherungssumme und der Versicherungsprämie notwendigen Daten, wie die alte Polizze und Baupläne, zu übermitteln. Im Auftrag des Klägers übergab ihr dessen Vater eine Schachtel mit Ordnern, die sämtliche Versicherungsunterlagen (jene der A***** AG) enthielten; Baupläne des zu versichernden Gebäudes waren nicht dabei. K***** K***** sichtete die Unterlagen und erkundigte sich beim Vater des Klägers, ob sich seit der Ausstellung der letzten Polizze baulich am Haus etwas verändert oder ob sich das Haus vergrößert habe. Dies wurde verneint.
Die zu versichernde Fläche des Gebäudes erstreckt sich auf vier Stockwerke (Keller, Erdgeschoss, erster Stock und Dachgeschoss). K***** K*****, die öfter Gast des im Erdgeschoss gelegenen Gasthauses war, kannte das Gebäude von diesen Besuchen, sie hielt sich aber immer nur im Gastraum auf.
Am übermittelte sie ein (mit ihr vom Kläger zur Verfügung gestellten Daten) aktualisiertes Versicherungsantragsformular mit der Bitte um Überprüfung an die G***** AG. In dieses nahm sie eine Bruttogeschossfläche von 495 m² auf.
Ein Mitarbeiter der G***** AG übermittelte K***** K***** unter Zugrundelegung dieser Daten zwei Anbote (eines mit, eines ohne Selbstbehalt), in denen er irrtümlich von einer Bruttogeschossfläche von 369 m² ausging. Der Irrtum lag darin, dass er das zweite unter der Rubrik „Hochbau“ angeführte Geschoss in seine Anbote nicht aufnahm. K***** K***** fiel nicht auf, dass ein Stockwerk fehlte. Sie wusste allerdings, dass dieses Stockwerk in ihrer Anfrage enthalten war und von der Versicherung umfasst sein sollte.
Am nahm K***** K***** das Angebot der G***** AG namens des Klägers an: (Versicherungsbeginn für die Sparte Leitungswasser , für alle anderen Sparten ). Für die Bewertung der Versicherungssumme wurde eine verbaute Fläche im Keller von 126 m 2 , im Erdgeschoss von 126 m 2 und in der Mansarde von 117 m 2 (insgesamt 369 m 2 ) herangezogen. Der Kläger las die ihm übermittelte Polizze, die er in einem Aktenordner ablegte, nicht durch.
Nachdem es am zu einem Brand im Haus gekommen war, wurde in der Versicherungsabrechnung der G***** AG für die Wiederherstellung des Gebäudes auf Basis des Neuwerts ein vertraglicher Anspruch von 272.398,68 EUR ermittelt. Es stellte sich heraus, dass das Gebäude tatsächlich eine verbaute Fläche von 732 m 2 aufwies (Keller 185 m 2 , Erdgeschoss, inklusive Garage 277 m 2 , Obergeschoss 149 m 2 , Dachgeschoss 121 m 2 ). Aufgrund der Unterdeckung von 49,6 % übernahm die G***** AG nicht die gesamten Wiederherstellungskosten, sondern nur 50,4 % (137.316 EUR), die sie an den Kläger auszahlte; zusätzlich übernahm sie Nebenkosten von 55.748 EUR zur Gänze.
Hätte K***** K***** nach Prüfung des Angebots der G***** AG das Angebot um das fehlende Stockwerk (126 m 2 ) korrigiert, wäre eine Fläche von 495 m 2 versichert gewesen. Dadurch hätte sich eine Unterdeckung von 32,4 % errechnet und die G***** AG hätte 67,6 % des Schadens (184.204 EUR) übernommen.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 135.082,68 EUR sA mit der Behauptung, K***** K***** habe in Verletzung ihrer Pflicht als Beraterin und Vertreterin in Versicherungsangelegenheiten unterlassen, zu überprüfen, welches Ausmaß die verbaute Fläche auf der Liegenschaft des Klägers aufweist. Hätte sie diese Pflicht erfüllt, wäre eine Unterversicherung vermieden worden und die G***** AG hätte den gesamten Brandschaden ersetzt. K***** K***** habe insbesondere ihre Pflicht verletzt, zu überprüfen, ob die Daten in den Versicherungsunterlagen der A***** AG richtig seien, diese Daten zu korrigieren und dadurch sicherzustellen, dass der Kläger einen „richtigen“ Versicherungsvertrag abschließt.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger habe aufgrund eigener Sorglosigkeit sein Gebäude über Jahre eklatant unterversichert, habe sich doch schon aus den Bauakten des Jahres 1969 ergeben, dass die verbaute Fläche 792 m 2 betrage. Aufgrund der Angaben des Klägers und der ihr zur Verfügung gestellten Unterlagen habe K***** K***** keinen Anlass zur Vermessung der verbauten Fläche gehabt. Sie habe das Anbot der G***** AG, in der die (unrichtige) Fläche ausgewiesen gewesen sei, Punkt für Punkt mit dem Kläger besprochen, ohne dass der Kläger widersprochen habe. Er habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass die Grundlagen des Versicherungsvertrags mit der A***** AG nicht zutreffend seien. Die Falschinformation an die G***** AG habe sich der Kläger selbst zuzurechnen. Soweit es um die Unterversicherung gehe, die daraus resultiere, dass die verbaute Fläche nicht 495 m 2 , sondern 732 m 2 betrage, treffe den Kläger zufolge der ausschließlich ihm zuzurechnenden unrichtigen Angaben das Alleinverschulden an der falschen Risikoberechnung.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 46.888 EUR sA. Das Mehrbegehren von 88.194,88 EUR sA und ein Zinsenmehrbegehren wies es ab. K***** K***** sei ihrer Verpflichtung, das Angebot der G***** AG mit ihrem Antrag zu vergleichen, nicht nachgekommen. Für diese schuldhafte Unterlassung ihrer Submaklerin und die dadurch verursachte Unterversicherung habe die Beklagte einzustehen. Hingegen sei die Submaklerin nicht verpflichtet gewesen, sich persönlich über die Richtigkeit der ihr durch Übermittlung der Vorpolizze bekannt gegebenen Geschossflächen zu informieren und das Gebäude zu vermessen. Ohne konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben habe sie sich darauf verlassen können, dass die Angaben ihres Kunden über die verbaute Fläche richtig seien.
Der Zuspruch von 46.888 EUR sA und die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens erwuchsen in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht änderte das im Umfang der Abweisung von 88.194,88 EUR sA angefochtene Urteil in eine Klagsstattgebung ab. Die laufende Überprüfung der bestehenden Versicherungsverträge und die Unterbreitung geeigneter Vorschläge für eine Verbesserung des Versicherungsschutzes gehörten zu den Hauptpflichten des Versicherungsmaklers im Rahmen der Wahrung der Interessen seines Kunden. Die Erfüllungsgehilfin der Beklagten habe diese Pflichten verletzt, indem sie nur obwohl ihr keine Baupläne des zu versichernden Gebäudes vorgelegen seien nach Flächenänderungen „seit Ausstellung der letzten Polizze“, aber nicht nach der tatsächlichen Fläche des zu versichernden Gebäudes gefragt und den Kläger auch nicht auf die Bedeutung richtiger Flächenangaben zur Vermeidung einer Unterversicherung hingewiesen habe. Ein Mitverschulden des Klägers käme nur dann zum Tragen, wenn sie ihn zuvor ausreichend informiert hätte. Da sie dies unterließ, habe die Beklagte dem Kläger den gesamten aus der Pflichtverletzung resultierenden Schaden, der der Höhe nach unbestritten sei, zu ersetzen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.
1. Unbekämpft blieb die Haftung der Beklagten dafür, dass durch das Unterbleiben des Vergleichs von Antrag und Angebot nur eine Fläche 369 m 2 (und nicht von 495 m 2 ) versichert wurde. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist demnach, ob die Beklagte auch für den Ersatz des Schadens haftet, der daraus resultiert, dass nicht die gesamte Fläche von 732 m 2 versichert wurde.
2. Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Nach § 3 Abs 3 MaklerG sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Der vom Kläger herangezogene Versicherungsmakler ist als solcher im Sinne der §§ 26 ff MaklerG regelmäßig Doppelmakler. Er wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren (RIS Justiz RS0114041). Als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens ist es Hauptaufgabe des Versicherungsmaklers, den Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen (RIS Justiz RS0118893). Aus dem Treueverhältnis zwischen Auftraggeber und Makler ergeben sich für Letzteren Schutzpflichten, Sorgfaltspflichten und Beratungspflichten (RIS Justiz RS0061254). Der Haftungsmaßstab des Versicherungsmaklers ist jener des § 1299 ABGB (1 Ob 209/02w, 5 Ob 43/02p, 10 Ob 89/04t). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (4 Ob 242/01v, 10 Ob 89/04t; RIS Justiz RS0109996).
3. Aus der Lehre und der Judikatur ist eine besondere Nachforschungspflicht des Maklers nicht ableitbar. Wenn für den Makler keine Veranlassung besteht, an der Richtigkeit einer Information zu zweifeln, darf er sie weiter geben und ist zu Nachforschungen nicht verpflichtet. Er ist verpflichtet, sämtliche Informationen über das Geschäft, sowohl die günstigen wie die ungünstigen, weiterzugeben, er ist aber nicht verpflichtet, sich über die Wahrheit der ihm zugekommenen Informationen zu vergewissern. Er darf lediglich nicht den Eindruck erwecken, er habe den Wahrheitsgehalt überprüft (RIS Justiz RS0112587).
4. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Submaklerin der Beklagten den Kläger aufforderte, ihr die für die Berechnung der Versicherungssumme bzw Prämien notwendigen Daten, wie beispielsweise die alte Polizze und die Baupläne zu übermitteln. Sie sichtete letztlich die übermittelten Unterlagen. Diese enthielten zwar die Versicherungsunterlagen der Vorversicherung, jedoch keine Baupläne. Daraufhin erkundigte sie sich nochmals ausdrücklich, ob seit Ausstellung der letzten Polizze die die Versicherung einer Bruttogeschossfläche von 495 m 2 umfasste bauliche Änderungen beim Haus erfolgten, insbesondere ob sich dieses vergrößert habe. Dies wurde verneint. Vor diesem Hintergrund bestand ohne Hinzutreten weiterer Umstände für die Submaklerin keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Flächenangaben in den ihr übermittelten Versicherungsunterlagen zu zweifeln und von einer offenbar bereits jahrelangen Unterversicherung des Gebäudes durch den Kläger auszugehen.
Der Kläger argumentiert, der Submaklerin hätte die mit freiem Auge erkennbare Flächendifferenz von nahezu 300 m 2 jedenfalls anlässlich ihrer Besuche der Gaststätte auffallen und sie zu einer neuerlichen Vermessung veranlassen müssen. Hier übersieht er, dass sich die Submaklerin bei ihren Besuchen lediglich im Erdgeschoss und dort auch nur im Gastraum aufhielt. Damit konnte sie weder das Ausmaß der gesamten Fläche im Erdgeschoss, noch jene in den anderen Stockwerken kennen. Eine Nachforschungspflicht in Form einer Vermessung der verbauten Flächen trifft sie damit nicht.
Aus welchen Gründen der Submaklerin wegen der ihr erkennbaren Unerfahrenheit des Klägers in Versicherungsangelegenheiten die Unrichtigkeit der ihr übermittelten Flächenangaben hätte auffallen müssen, bleibt offen.
5. Da die Submaklerin keine Veranlassung hatte, an der Richtigkeit der sich aus den ihr übermittelten Unterlagen ergebenden Flächenangaben zu zweifeln, traf sie auch keine Pflicht zur Überprüfung der vom Kläger gemachten Angaben durch Vermessung. Der daraus abgeleitete Anspruch auf Schadenersatz besteht nicht, sodass das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00156.14P.1210.000