OGH vom 19.11.2002, 4Ob225/02w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Markus K*****, geboren am *****, und des mj. Stefan K*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Vaters Gustav K*****, vertreten durch Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwalt in Gmunden, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 144/02d-37, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom , GZ 1 P 56/96w-32, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der mj. Markus und der mj Stefan K***** sind die ehelichen Kinder Gustav K*****s und Andrea K*****s. Beide Kinder befinden sich in Obsorge der Mutter.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater mit Beschluss vom seinen Kindern ab monatlich je 4.800 S zu zahlen. Sein monatliches Nettoeinkommen betrug damals 26.225 S; dazu kam eine Versehrtenrente von 3.714 S monatlich. Vom Gesamteinkommen des Vaters wurden 2.500 S an berufsbedingt notwendigen Kosten eines PKW und 1.000 S an krankheitsbedingtem Mehraufwand abgezogen.
Von Jänner bis Dezember 2001 betrug das Nettoeinkommen des Vaters 26.993 S monatlich. Seine Versehrtenrente wurde ihm mit Bescheid der AUVA vom mit 946.707 S abgefunden. Der Abfindungsbetrag entspricht dem 21,2367-fachen Jahresausmaß der Rente. Für seine Fahrten zum Arbeitsplatz wendet der Vater 2.500 S monatlich auf. Der Vater hatte und hat keine weiteren Sorgepflichten.
Der mj Markus ist seit August 2001 als Lehrling beschäftigt. Im ersten Lehrjahr erhält er eine Lehrlingsentschädigung von 5.560 S (= 404,06 EUR) monatlich. Er hat keine mit seiner Ausbildung verbundenen Aufwendungen.
Der Vater beantragt, den Unterhalt für Markus und Stefan für die Zeit von Jänner bis Juli 2001 auf je 3.800 S herabzusetzen, den Unterhalt für Stefan ab August 2001 mit 4.100 S festzusetzen und ihn von der Unterhaltsverpflichtung für Markus von diesem Zeitpunkt an zu befreien. Bemessungsgrundlage sei allein sein Arbeitseinkommen, weil seine Versehrtenrente weggefallen sei. Davon abzuziehen seien die Fahrtkosten und der krankheitsbedingte Mehraufwand. Markus sei unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe mit Antritt seiner Lehrstelle als selbsterhaltungsfähig anzusehen. Die Familienbeihilfe sei außerdem teilweise auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.
Die Mutter beantragt, den Herabsetzungsantrag, soweit er Stefan betrifft, abzuweisen; für Markus stimmt sie einer Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf 3.675 S (= 267,07 EUR) ab August 2001 zu. Die Versehrtenrente sei nach wie vor zu berücksichtigen. Die Lehrlingsentschädigung betrage nur 4.765,20 S; der berufsbedingte Mehraufwand 1.230 S.
Das Erstgericht setzte den Unterhalt für Markus für die Zeit vom bis mit 267,07 EUR und für die Zeit ab mit 203,48 EUR fest; das Mehrbegehren wies es ab. Markus habe Anspruch auf 20 % des väterlichen Einkommens. Aufgrund seines Eigeneinkommens vermindere sich sein Unterhaltsanspruch auf monatlich 2.800 S (= 203,48 EUR). Da die Lehrlingsentschädigung im Nachhinein ausgezahlt werde, stehe erst ab ein anrechenbares Eigeneinkommen zur Verfügung. Der Herabsetzung für August habe die Mutter zugestimmt. Die Familienbeihilfe sei nicht anzurechnen.
Das Rekursgericht setzte den Unterhalt für Markus vom 1. 8. bis mit 267,07 EUR, vom 1. 9. bis mit 189 EUR und ab mit 194 EUR fest, wies das Mehrbegehren ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage sei um die krankheitsbedingten Mehraufwendungen zu vermindern und betrage somit 1.977,21 EUR. Die Familienbeihilfe sei nicht anzurechnen. Stefan habe Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 18 % der Bemessungsgrundlage; der Unterhaltsanspruch von Markus belaufe sich auf 20 %. Der nach der Prozentwertmethode ermittelte Unterhaltsbeitrag übersteige den Regelbedarf. Bei überdurchschnittlichen Verhältnissen sei von dem nach der Prozentwertmethode errechneten Geldunterhaltsanspruch jene Quote vom Kindeseinkommen abzuziehen, die sich aus der bisherigen Geldunterhaltshöhe im Verhältnis zu dieser zuzüglich der Differenz zwischen Mindestpension und Regelbedarf ergebe. Die Differenz zwischen Mindestpension und Regelbedarf habe im Zeitraum von September bis Dezember 2001 5.192 S betragen; sie betrage seit Jänner 2002 5.478 S (= 398,10 EUR). Markus habe daher für die Zeit von September bis Dezember 2001 einen restlichen monatlichen Geldunterhaltsanspruch von 189 EUR; für die Zeit ab Jänner 2002 seien es 194 EUR.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist im Sinne seines Aufhebungsantrags berechtigt.
Der Vater macht geltend, dass die Familienbeihilfe auf den Unterhalt anzurechnen sei. Der Unterhaltsanspruch für Markus werde für 2001 zu Unrecht mit 395,44 EUR errechnet. Bis inklusive Juni 2001 habe er nur Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 18 % der Bemessungsgrundlage gehabt, weil er erst am sein 15. Lebensjahr vollendet habe.
Richtig ist, dass der Unterhaltsbemessung für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren bei einer konkurrierenden Sorgepflicht für ein weiteres Kind ein Prozentsatz von 18 % zugrundegelegt wird (s Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 140 Rz 5c mwN). Die Vorinstanzen sind daher für den Zeitraum bis zur Vollendung des 15. Lebensjahrs des mj Markus zu Unrecht von einem Prozentsatz von 20 % ausgegangen.
Grundsätzlich berechtigt sind die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers auch insoweit, als er eine Anrechnung der Transferleistungen begehrt:
Der Oberste Gerichtshof hat gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass bei ihm anhängiger Revisionsrekurse beim Verfassungsgerichtshof beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.
Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit - entgegen der in der Äußerung vertretenen Auffassung der Kinder - bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll.
Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % - wenn die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Absenkung proportional fortgeschrieben wird - zu einem Steuersatz von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Steuersatz von 25 % (s Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003 [in Druck]).
Für ein proportionales Fortschreiben der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Absenkung spricht, dass die Berechnung damit nachvollziehbar wird und für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen. So kann Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, S 799 [803 f]) seinen Vorschlag, die jeweiligen Grenzsteuersätze auf 40 %, 34 % bzw 28 % abzusenken, nur damit begründen, dass ihm die zur Absenkung führenden Erwägungen (niedrigerer Steuersatz für bestimmte Einkunftsarten und Steigerung der Leistungsfähigkeit durch die steuerliche Entlastung) durch die von ihm vorgeschlagenen Sätze hinreichend berücksichtigt erschienen.
Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird.
Im vorliegenden Fall bezieht der Vater ein monatliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit von 26.993 S (= 1.961,66 EUR); dazu kommt eine Versehrtenrente von 3.714 S (= 269,91 EUR). Das Bruttoeinkommen des Vaters ist nicht festgestellt und auch dem Akt nicht eindeutig zu entnehmen. Vom Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt (s Zorn aaO S 804), aber inklusive Versehrtenrente - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist; es kann nämlich, anders als der Rechtsmittelwerber offenbar meint, nicht in jedem Fall der auf 40 % abgesenkte Höchststeuersatz von 50 % zugrundegelegt werden. Nach § 33 Abs 1 EStG beträgt die Einkommensteuer für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (s Zorn aaO S 804), muss - wie schon ausgeführt - bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.
Das Erstgericht wird das Verfahren durch Feststellung des Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können. Bei der Unterhaltsbemessung für Markus wird zu berücksichtigen sein, dass er das 15. Lebensjahr erst im Juni 2001 vollendet hat.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.