OGH vom 13.12.1988, 5Ob573/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter F***, technischer Angestellter, Hardtmuthgasse 104/1/6/85, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Richard Heiserer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf F***, Kaufhausdetektiv, Wolfgang Schmälzl-Gasse 30/18, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 32.263,36 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 13 R 196/87-15, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 38 Cg 238/86-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten erster Instanz.
Text
Begründung:
Am gegen 16 Uhr beobachtete der Beklagte in seiner Eigenschaft als Detektiv im Warenhaus S*** den Studenten Roland H***, der eine Damenhandtasche mit einem Verkaufspreis von S 675,-- in Diebstahlsabsicht aus einem Regal an sich genommen und sich umgehängt hatte. Nachdem der Dieb an der Kasse ohne zu bezahlen vorbeigegangen war, begann der Beklagte diesem nachzueilen. Als Roland H*** dies merkte, lief er in Richtung Hinterausgang davon, wobei der Beklagte ihm nachlief. Während des Laufens durch den Gang des Warenhauses zum Hinterausgang hatte Roland H*** gegenüber dem Beklagten noch einen Vorsprung von ca. 5 m. Da H*** aber die nach außen aufgehende Tür aufdrücken mußte, holte ihn der Beklagte nahezu ein; der Beklagte bremste sich mit einer Hand beim Türpfosten ab, um H*** nicht niederzurennen und versuchte ihn dann zu erfassen; dabei rutschte er aber zunächst ab, weil H*** wieder beschleunigt hatte, um nach rechts in der Rauhensteingasse davonzulaufen. Im Anschluß an die Tür beim Hinterausgang des Kaufhauses befindet sich vor dem ca. 2,5 m breiten Gehsteig eine etwa 3 m tiefe Fortsetzung des Ausganges. Als der Beklagte schon im Bereich des Gehsteiges war, wollte er Roland H*** richtig fassen; er hatte nicht die Absicht, diesen zu stoßen oder niederzustoßen. Beim Nachfassen beschleunigte er aber H***, wodurch dieser taumelte, worauf H*** und der Beklagte auf den in der Rauhensteingasse im Bereich des Hinterausganges des Warenhauses S*** geparkten PKW des Klägers, Nissan Bluebird (W 568.601) stürzten. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Beklagte selbst auch auf das Auto oder nur auf den auf das Fahrzeug gestürzten Roland H*** fiel. Jedenfalls aber wurden die Beschädigungen des Fahrzeuges dadurch, daß nicht nur Roland H*** darauf stürzte, sondern auch der Beklagte nachstürzte, ärger.
Mit der am erhobenen Klage begehrte Günter F*** wegen dieses Vorfalles aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 32.263,36 s.A., und zwar für Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Wertminderung und Kreditkosten. Der Beklagte sei ihm schadenersatzpflichtig, weil er den flüchtenden Dieb auf das geparkte Fahrzeug geschleudert habe. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihn kein Verschulden treffe und er nicht rechtswidrig gehandelt habe; er habe lediglich in Ausübung seines Berufes und im Interesse der öffentlichen Sicherheit den Ladendieb verfolgt und gestellt. Es sei nicht richtig, daß er den Dieb auf das Auto des Klägers geschleudert habe; er habe ihn auf dem Gehsteig gefaßt, worauf es zu einem Handgemenge gekommen sei, in dessen Verlauf der Ladendieb und er auf das Fahrzeug gestürzt seien. Im Zuge des Verfahrens änderte der Beklagte dieses Vorbringen dahin ab, daß sich der Ladendieb beim Handgemenge mit ihm losgerissen habe und dabei auf den PKW des Klägers gestürzt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von der Feststellung, der Beklagte habe den Ladendieb nicht stoßen wollen, er sei vielmehr beim Versuch, ihn zu fassen, abgerutscht und habe ihm dabei einen Beschleunigungsimpuls versetzt, wodurch der Dieb vorwärts taumelte und mit Schulter und Brust gegen den PKW fiel, gelangte das Erstgericht zu der Ansicht, der Beklagte habe in Notwehr-Hilfe für seinen Dienst- oder Auftraggeber S*** gehandelt, sodaß sein Verhalten gerechtfertigt gewesen sei, und zwar selbst dann, wenn ihm eine Ungeschicklichkeit unterlaufen sei. Bei Notwehr dürfe zum Schutz eines geringerwertigen Gutes auch ein höherwertiges beschädigt werden.
Das Gericht zweiter Instanz hatte Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, nahm unter Durchführung eines Augenscheines eine Beweiswiederholung vor und gelangte zu Feststellungen im Sinne des bereits wiedergegebenen Sachverhalts. Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:
Sowohl Koziol (Haftpflichtrecht2 I 98 f, 158 f, 171 f und 244) als auch Reischauer (in Rummel II Rz 10 zu § 1295 ABGB) befaßten sich mit bei Verfolgungsjagden entstandenen Schäden vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß es sich um solche Schäden handle, die dem Verfolgten oder dem Verfolger entstanden seien, sowie vor allem mit der Frage, inwieweit der Verfolgte bei der durch sein Verhalten ausgelösten Verfolgungsjagd entstandene Schäden zu ersetzen habe. Darum gehe es aber im vorliegenden Fall nicht, weil hier der Ersatz des einem unbeteiligten Dritten entstandenen Schadens vom Verfolger verlangt werde. In seiner Entscheidung vom , 8 Ob 3/87 (JBl 1987, 785), in welcher sich der Oberste Gerichtshof - soweit ersichtlich - erstmals mit Schäden bei einer Verfolgungsjagd zu befassen gehabt habe, sei es primär um die Ersatzpflicht des Verfolgten für Schäden am verfolgenden Polizeifahrzeug gegangen. Bei Behandlung einer aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung habe sich der Oberste Gerichtshof aber auch mit Ersatzforderungen für Schäden auseinandersetzen müssen, die am verfolgten Fahrzeug entstanden waren bzw. von diesem (offenbar Dritten) verursacht worden seien. Er sei hiebei zu dem Ergebnis gekommen, daß ein spezifischer Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung von Verkehrsvorschriften durch das verfolgende Fahrzeug und derartigen Schäden nur insoweit bestünden, als solche Schäden durch das verfolgende Fahrzeug unmittelbar, sei es gegenüber dem Verfolgten oder gegenüber Dritten, verursacht worden seien, etwa durch ein Abdrängen des verfolgten Fahrzeuges von der Fahrbahn, nicht aber durch die bloße Tatsache der Verfolgung allein. Eine Notwehrsituation sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil nicht ein Rechtsgut des Warenhausdiebes, sondern eines unbeteiligten Dritten, nämlich der PKW des Klägers, beschädigt worden sei. Diese Beschädigung sei allerdings nicht nur durch den verfolgten Dieb unmittelbar verursacht worden, sondern dadurch entstanden, daß beim versuchten Ergreifen des Diebes dieser und der ihn verfolgende Beklagte auf das Fahrzeug des Klägers gefallen seien. Im vorliegenden Fall könnte eine Notstandssituation gegeben sein, worüber § 1306 a ABGB bestimme: "Wenn jemand im Notstand einen Schaden verursacht, um eine unmittelbar drohende Gefahr von sich oder anderen abzuwenden, habe der Richter unter Erwägung, ob der Beschädigte die Abwehr aus Rücksicht auf die dem anderen drohende Gefahr unterlassen habe, sowie des Verhältnisses der Größe der Beschädigung zu dieser Gefahr oder endlich des Vermögens des Beschädigers und des Beschädigten zu erkennen, ob und in welchem Umfang der Schaden zu ersetzen sei." Nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges Handeln könne unter dem Gesichtspunkt des Notstandes oder der Nothilfe, der Abwendung der einem anderen drohenden Gefahr, betrachtet werden, es sei aber immer eine entsprechende Abwägung zwischen der drohenden Gefahr einerseits und der Größe der durch das vorsätzliche oder fahrlässige Abwehrverhalten anderseits angerichteten Schädigung erforderlich. So habe die Rechtsprechung in verschiedenen, mit Bränden zusammenhängenden Fällen eine Ersatzpflicht jeweils bejaht (vgl. SZ 15/120; ZVR 1958/254 und ZVR 1980/277). Hier gehe es um die Verfolgung und Anhaltung eines mit einer gestohlenen Handtasche im Wert von S 675,-- flüchtenden Warenhausdiebes, nicht aber etwa um die Verfolgung eines Mörders oder Räubers, der mit einer sehr wertvollen Beute geflüchtet wäre. Es habe daher nach Auffassung des Berufungsgerichtes bei der Verfolgung so vorgegangen werden müssen, daß der verfolgende Beklagte nicht durch sein Verhalten unmittelbar das Eigentum oder die körperliche Sicherheit Dritter beschädigte oder gefährdete. Er habe also nicht so agieren dürfen, daß er durch sein Verhalten dritte Personen niederstoßen oder deren Eigentum beschädigen konnte, hätte ja ein Niederstoßen unbeteiligter Fußgänger etwa auch schwerste Verletzungen bei diesen zur Folge haben können. Diese bei der Verfolgung somit gebotene Sorgfalt habe der Beklagte vermissen lassen, so daß er beim Versuch, den mit der gestohlenen Tasche flüchtenden Dieb festzuhalten, diesen beschleunigt habe und mit diesem auf das Auto des Klägers gestürzt sei. Dieses Verhalten des Beklagten sei auch unter Bedachtnahme auf § 1306 a ABGB nicht gerechtfertigt oder entschuldigt, sondern ihm als Fahrlässigkeit vorzuwerfen und habe ihn daher ersatzpflichtig gemacht. Seine Ersatzpflicht zur ungeteilten Hand für den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden ergäbe sich aus § 1302 ABGB, weil sich nicht bestimmen ließe, in welchem Umfang die Schäden am Fahrzeug des Klägers auch durch ein bloßes Drauffallen des flüchtenden Diebes entstanden wären. Da noch nicht feststehe, ob und in welchem Umfang dem (richtig:) Kläger ein Ersatz für Mietwagenkosten, Wertminderung, Kreditkosten und Kreditzinsen gebühre, sei in diesem Umfang gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO eine Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht jedenfalls notwendig, weil es hierüber keine Feststellungen getroffen habe. Zur Begründung des beigesetzten Rechtskraftvorbehaltes führte das Berufungsgericht aus, daß es sich bei der Entscheidung, in welchen Fällen der Verfolger bei einer Verfolgungsjagd Dritten entstandene Schäden zu ersetzen habe, um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO handle. Gegen diesen unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß richtet sich der auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Hinblick auf den zutreffend beigesetzten Rechtskraftvorbehalt zulässig, aber nicht berechtigt. In seinem Rekurs vertritt der Beklagte die Ansicht, auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, wonach er nicht die Absicht gehabt habe, den Dieb zu stoßen, diesen beim "Nachfassen beschleunigt" habe und deswegen mit ihm gemeinsam auf das Auto gestürzt sei und er die Absicht gehabt habe, das Davonlaufen des Diebes zu verhindern, ergäbe sich, daß er sich vollkommen korrekt verhalten habe, um seiner Berufspflicht nachzukommen. Da er nicht habe voraussehen können, er werde bei seinem Bemühen, den Dieb zu fassen, diesen so "beschleunigen" daß er ausgerechnet auf ein Auto stürzen könnte, sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen er sich habe fahrlässig verhalten können.
Den vom Berufungsgericht hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten angestellten Erörterungen hielt der Rekurswerber entgegen, er habe nicht wissen können, ob der von ihm ertappte Dieb nicht vorher schon wertvolle Gegenstände gestohlen habe und ob es sich bei diesem nicht um einen Gewohnheitsdieb handle. Eine "Interessenabwägung" zwischen dem Wert der Handtasche und dem Schaden am PKW des Klägers habe er daher nicht vornehmen müssen und auch nicht vornehmen können. Eine derartige auf materiellen Werten beruhende "Interessenabwägung" sei überhaupt abzulehnen, weil der Schaden aus dem Diebstahl und jener am PKW für ihn nicht kalkulierbar gewesen seien und der "Schutz der Rechtsordnung gegen Diebe" weit höher zu bewerten sei, als ein bloß materieller, von ihm auch nicht vorhersehbarer Schaden am PKW des Klägers, wie er am Straßenverkehr alltäglich vorkomme. Da er bloß versucht habe, den Dieb mit den Händen zu fassen, also keine als rechtswidrig erkennbare Mittel eingesetzt habe, habe er den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht zu verantworten. Dem kann nicht gefolgt werden.
Vorauszuschicken ist, daß die Schadenersatzpflicht grundsätzlich zur Voraussetzung hat, daß der Schädiger rechtswidrig und schuldhaft handelt. Rechtswidrig ist ein menschliches Verhalten dann, wenn es gegen Gebote und Verbote der (gesamten) Rechtsordnung oder gegen die guten Sitten (§ 1295 Abs 2 ABGB) verstößt (Koziol-Welser8 I 414; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 90; ZVR 1976/229 ua). Abgesehen von den gebotene oder verbotene Verhaltenspflichten genau umschreibenden sogenannten Schutzgesetzen stellt ein solches gegen jedermann gerichtetes, menschliches Verhalten mißbilligendes Verbot etwa § 125 StGB dar; auch aus der Absolutheit des Eigentumsrechtes (§ 354 ABGB) ergibt sich, daß grundsätzlich jedermann sein Verhalten so einzurichten hat, daß die Rechte des Eigentümers nicht geschmälert, somit etwa eine Sache auch nicht beschädigt wird. Wenngleich aus der Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes - mangels genauer Umschreibung der Verhaltenspflichten - noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung geschlossen werden kann, so kann der eingetretene Erfolg doch die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens indizieren (Koziol, aaO, 93 und Haftpflichtrecht2 II 23; Koziol-Welser, aaO, 414;
Mayrhofer, Schuldrecht I, 271; ZVR 1976/229; SZ 48/109;
SZ 56/74 ua). Bei einem Eingriff in absolute Rechte, deren Gefährdung somit grundsätzlich verboten ist (Wolff in Klang2 VI, 15, 18/19; Koziol2 I 94; ZVR 1976/229 ua), ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das Verhalten des Schädigers einer Verhaltensnorm widersprochen hat; dies wird dann der Fall sein, wenn er das auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung, bei der einerseits etwa das allgemeine Interesse an der Bewegungsfreiheit und Entfaltungsmöglichkeit des einzelnen und das Interesse an Ordnung und Sicherheit sowie die Zumutbarkeit von Verhaltenspflichten, anderseits aber auch der Wert der bedrohten Güter und Interessen, sowie die Eignung des schädigenden Verhaltens, einen nachteiligen Erfolg herbeizuführen, also dessen Gefährlichkeit - jeweils ex ante betrachtet - zu berücksichtigen sind, objektiv zumutbar erscheinende Maß an Sorgfalt in Ansehung der Vermeidung der Gefährdung fremden Gutes nicht eingehalten hat (vgl. Wolff, aaO, 15; Koziol-Welser, aaO, 414 f; Koziol2 I 94 und II 23; Mayrhofer, aaO, 272;
MietSlg 33.218; EvBl 1984/60). Es gibt aber auch bestimmte, immer wieder vorkommende Interessenlagen, bei welchen das Gesetz selbst die Rechtswidrigkeit ausschließt. Dazu gehören die Rechtfertigungsgründe der Notwehr und des (rechtfertigenden) Notstandes.
Eine Notwehrsituation liegt dem gegenständlichen Anspruch nicht zugrunde, weil es nicht um den Ersatz eines Schadens geht, der jemandem zugefügt wird, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Angriff des Geschädigten abzuwehren. Zur Beurteilung steht vielmehr die Frage der Haftung für Schäden eines Dritten, die dieser nicht im Zuge der Abwehr dessen rechtswidrigen Angriffes, sondern aus Anlaß einer Notwehrlage, nämlich zur Abwehr einer in dem Angriff eines Diebes auf das Eigentum des Dienstgebers des den Angriff Abwehrenden gelegenen Gefahr durch Nothilfehandlungen zugefügt wurden. Für eine solche - der Abwendung der einem anderen drohenden Gefahr dienende - Nothilfehandlung gelten die für Notstandshandlungen selbst maßgeblichen Grundsätze.
Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt Notstand oder Nothilfe nur dann einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn die Notstands- oder Nothilfehandlung zum Schutz von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannten Rechtsgütern gesetzt wurde, eine umfassende, ex ante vorzunehmende, Interessenabwägung (Koziol2 I 108; Mayrhofer, aaO, 274; Kienapfel, Strafrecht3, Allgemeiner Teil, Z 12 Rz 22 f; ZVR 1980/277) die Notstandshandlung als rechtmäßig erscheinen läßt und diese die geringste mögliche Verletzung der fremden Interessen darstellt (vgl. Koziol2 I 108 f; Leukauf-Steininger, StGB, § 3 RN 49, 52). Diese Interessenabwägung hat vor allem den Wert des gefährdeten und des in Anspruch genommenen Gutes gegenüberzustellen, wobei jedoch auch ein Eingriff in ein höherwertiges Gut zur Rettung eines geringerwertigen Gutes gerechtfertigt sein kann, wenn ersteres nur geringfügig beeinträchtigt wird, das bedrohte hingegen sonst vernichtet worden wäre; außerdem muß das Verhältnis der Stärke der Gefährdung des bedrohten Gutes und des Gutes des Dritten beachtet werden. Wenngleich Schaden verursachende Notstands- und Nothilfehandlungen in der Regel absichtlich gesetzt werden, so können die für Notstand (Nothilfe) geltenden Regeln auch auf bloß fahrlässige Schadenszufügung (arg. a maiori ad minus) angewendet werden (vgl. Wolff, aaO 72; Koziol2 II 314; SZ 15/120; ZVR 1958/254; ZVR 1980/277 ua).
Eine Anwendung dieser von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall zeigt die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht.
Der Beklagte war als Warenhausdetektiv bemüht, einen gegenwärtigen Angriff eines Diebes auf das Eigentum seines Dienstgebers, also ohne Zweifel auf ein von der Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut, abzuwehren. Er hatte erkannt, daß es um den Diebstahl einer Damenhandtasche ging. Insoweit der Rekurswerber in diesem Zusammenhang davon ausgeht, der Dieb könnte noch andere Waren gestohlen haben oder ein Gewohnheitsdieb sein, entfernt er sich von der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage, weshalb auf diese Möglichkeit bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung nicht weiter einzugehen ist. Ausgehend vom Wert einer Damenhandtasche, den der Beklagte dieser erfahrungsgemäß beimessen konnte - als Warenhausdetektiv muß er wohl über derartige Kenntnisse verfügen - durfte der Beklagte nur solche Rettungshandlungen in Erwägung ziehen, bei welchen keine Gefährdung oder Verletzung höherwertiger Rechtsgüter in erheblichem Ausmaß zu befürchten gewesen wäre. So durfte er zur Verhinderung des Diebstahls einer Damenhandtasche keinesfalls eine solche Verfolgungsart wählen, bei der er sich infolge der von ihm eingehaltenen Laufgeschwindigkeit selbst außerstande setzt, sein körperliches Verhalten zu beherrschen, sodaß die Gefahr bestand, andere Personen oder selbst den Dieb niederzustoßen und dadurch erheblich zu gefährden oder Sachen in einem bedeutenden, mit dem Wert des durch den Diebstahl gefährdeten Gutes nicht in Einklang zu bringenden Ausmaß zu beschädigen. Im vorliegenden Fall ist der Beklagte dem Dieb mit einer derartigen Geschwindigkeit nachgelaufen, daß er ihn "niedergerannt" hätte, wenn er sich "nicht mit einer Hand beim Türpfosten abgebremst" hätte. In der Folge legte der Beklagte jedenfalls im Zuge der weiteren Verfolgung des Diebes ein Verhalten an den Tag, bei dem er nicht mehr in der Lage war, seine Körperhaltung zu beherrschen, sodaß es geschehen konnte, daß er - gemeinsam mit dem Dieb - auf einen vor dem Warenhaus am Fahrbahnrand parkenden PKW fiel, und zwar derart heftig, daß dabei doch erhebliche den Wert der Tasche um ein Vielfaches übersteigende Schäden eintraten. Unter den gegebenen Umständen kann auch nicht gesagt werden, der Beklagte hätte bei der von ihm gewählten Art der Verfolgung des Diebes nicht damit rechnen müssen, unbeteiligte Passanten oder Sachen zu gefährden. Von einer den Beklagten rechtfertigenden Nothilfehandlung kann somit keine Rede sein. Da auch nicht gesagt werden kann, der Beklagte hätte auf Grund unwiderstehlichen Zwanges nicht anders handeln können, liegt hier auch keine seine Schuld ausschließende Nothilfe vor (vgl. Koziol I2, 118). Unter diesen Umständen ist nicht weiter zu prüfen, ob und allenfalls in welchem Umfang der Beklagte gemäß § 1306 a ABGB nach richterlichem Ermessen Ersatz zu leisten hätte, wenn ihm weder Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu unterstellen, noch ein Schuldvorwurf zu machen gewesen wäre.
Das Berufungsgericht ist daher ohne Rechtsirrtum zur Annahme einer Haftung des Beklagten für den anläßlich der von ihm vorgenommenen Verfolgungsjagd entstandenen Schaden gelangt. Dem Rekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.