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OGH vom 08.09.2009, 4Ob133/09a

OGH vom 08.09.2009, 4Ob133/09a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Manfred ***** G*****, geboren am , vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau, Bereich Soziales, Jugend und Familie, als Unterhaltssachwalter, über den Revisionsrekurs der Mutter Gerlinde K*****, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 65/09g-U42, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom , GZ 3 P 144/06b-U36, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des minderjährigen Manfred ist geschieden, die Obsorge steht dem Vater allein zu. Die Mutter ist ab zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 100 EUR verpflichtet. Die Mutter erzielt ein monatliches Durchschnittseinkommen (inklusive gesetzlicher Sonderzahlungen) von 574,81 EUR und erhält für die Zeit vom bis voraussichtlich ein Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR täglich. Der Ehemann der Mutter erzielt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen (inklusive gesetzlicher Sonderzahlungen) von 2.390,48 EUR.

Am stellte die Mutter den Antrag, sie mangels Leistungsfähigkeit bis auf Weiteres von der Unterhaltspflicht zu entheben. Sie sei nun auch für den am geborenen Sohn aus zweiter Ehe sorgepflichtig. Sie verdiene als Aufräumerin lediglich 495 EUR monatlich netto, 14 mal jährlich. Die Unterhaltssachwalterin begehrte, den von der Mutter zu leistenden monatlichen Unterhalt ab auf 150 EUR zu erhöhen, weil die Mutter neben ihrem Einkommen als geringfügig beschäftigte Reinigungskraft Kinderbetreuungsgeld von 436 EUR monatlich erhalte. Ihr nunmehriger Ehemann habe darüber hinaus im Rahmen seiner Pflicht zur Leistung von Ehegattenunterhalt dafür Sorge zu tragen, dass sie ihrer eigenen Unterhaltspflicht gegenüber Manfred nachkommen könne. Die Mutter wendete ein, ihre Unterhaltspflicht sei ab zumindest auf 50 EUR monatlich herabzusetzen. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss dazu seien gemäß § 42 KBGG nicht als Einkommen des Kindes oder des beziehenden Elternteils zu werten. Ihr Ehemann könne ihr kein zusätzliches Taschengeld zur Verfügung stellen, sie sei auf ihr eigenes Einkommen angewiesen. Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsbegehren zur Gänze statt und wies das Begehren auf Unterhaltsherabsetzung auf monatlich 50 EUR ab. Aus der gesetzlichen Verpflichtung, zur Deckung der Bedürfnisse der Kinder „nach Kräften" beizutragen, sei abzuleiten, dass die sonst einkommenslose Mutter zur Sparsamkeit und Einschränkung ihrer persönlichen Bedürfnisse verpflichtet sei, dass sie unter Umständen auch zur Gänze auf die ihr von ihrem Ehegatten zur Verfügung gestellten Geldmittel zugunsten ihrer unterhaltsberechtigten Kinder verzichten müsse. Die gerechtfertigte Anspannung verpflichte sie, allenfalls auch Taschengeld von ihrem Ehemann einzufordern, dessen Ausmaß sich nach dessen Einkommensverhältnissen richte. Der Mutter sei zumutbar, unter Berücksichtigung ihrer weiteren Sorgepflichten einen monatlichen Unterhalt von 150 EUR für den minderjährigen Manfred zu bezahlen.

Das Rekursgericht gab dem von der Mutter erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einbeziehung des Kinderbetreuungsgelds in die Unterhaltsbemessungsgrundlage zulässig sei.

Zur Begründung verwies das Rekursgericht auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 112/08f, wonach das Kinderbetreuungsgeld in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, weil es keine Hinweise in den Gesetzesmaterialien gebe, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 42 KBGG von der bisherigen Rechtsprechung abrücken habe wollen. § 42 KBGG treffe keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des Kinderbetreuungsgelds in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers. Hiefür seien die allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätze maßgebend. Sozialleistungen, die für den Allgemeinbedarf des Empfängers zur Verfügung stehen, seien unabhängig von einer Zweckbestimmung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Dies gelte auch für das Kinderbetreuungsgeld, zumindest wenn ihm Einkommensersatzfunktion zukomme. Die Mutter verfüge über ein anrechenbares Nettoeinkommen von monatlich 1.010,71 EUR, welches unter Bedachtnahme auf die Prozentmethode - der Minderjährige hätte danach Anspruch auf 20 - 1 = 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage - die Leistung des hier begehrten Unterhaltsbetrags von 150 EUR durchaus ermögliche. Es sei daher nicht weiter zu prüfen, ob die Mutter im Sinn des Anspannungsgrundsatzes auch noch einen Geldunterhaltsanspruch gegen ihren nunmehrigen Ehegatten geltend machen müsste, um ihrer eigenen Unterhaltspflicht nachzukommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter, mit dem sie die Herabsetzung ihrer monatlichen Unterhaltspflicht auf 50 EUR anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 42 KBGG (idgF BGBl I 2007/76) gelten das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind nach § 43 Abs 1 KBGG nicht pfändbar, von der Einkommenssteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge (Abs 2 leg cit).

Der Oberste Gerichtshof sprach zu 10 Ob 112/08f, 10 Ob 8/09p und 10 Ob 7/09s aus, dass § 42 KBGG keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des Kinderbetreuungsgelds in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers trifft. In den knappen Gesetzesmaterialien gibt es keine Hinweise, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des § 42 KBGG von der Rechtsprechung abrücken habe wollen, dass das Kinderbetreuungsgeld als Eigeneinkommen des unterhaltspflichtigen Beziehers gelte. Auch das Belassen der Überschrift „Unterhaltsanspruch" und die Wortfolge „und mindert nicht den Unterhaltsanspruch" deuten in diese Richtung. Neben dieser klaren Bezugnahme auf Unterhaltsansprüche, nicht auf Unterhaltspflichten, wird in § 42 KBGG das „eigene Einkommen" des Kindes und des beziehenden Elternteils angesprochen. „Eigeneinkommen" steht im Zusammenhang mit einer Unterhaltsberechtigung, nicht einer Unterhaltspflicht.

Das Kinderbetreuungsgeld ist daher nach den allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln. Sozialleistungen, die für den Allgemeinbedarf des Empfängers zur Verfügung stehen, fallen nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Zweckbestimmung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0047454, RS0080395). Dies gilt auch für das Kinderbetreuungsgeld, zumindest wenn ihm Einkommensersatzfunktion zukommt: Auch im hier gegebenen Fall wird von der Mutter „langes" und damit unter dem Existenzminimum liegendes Kinderbetreuungsgeld bezogen, das für die Betreuung eines Kindes im eigenen Haushalt verwendet wird. Die Unpfändbarkeit des Kinderbetreuungsgelds (§ 43 Abs 1 KBGG) hat für die unterhaltsrechtliche Bewertung als Einkommen nach ständiger Rechtsprechung keine Bedeutung (RIS-Justiz RS0003799). Eine der Entscheidung 7 Ob 223/08g entsprechende Anrufung des Verfassungsgerichtshofs mit dem Ziel, eine gleichheitswidrige Verschiedenbehandlung der Kinder aus der früheren und jetzigen Ehe der Mutter zu vermeiden, ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 42 KBGG, der verfassungskonform eine unterschiedliche Behandlung des Kinderbetreuungsgeldbezugs einerseits bei Unterhaltsansprüchen und andererseits bei Unterhaltspflichten vorsieht, entbehrlich (10 Ob 7/09s).

Soweit sich die Revisionsrekurswerberin auf die Entscheidung 6 Ob 219/08m beruft, die ausspricht, dass der Gesetzgeber in § 42 KBGG in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht habe, dass er im Bereich des Unterhaltsrechts das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben wolle, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich diese Entscheidung insofern auf einen anderen Fall bezieht, als dort zu prüfen war, ob der Kindergeldbezug als Eigeneinkommen Unterhaltsansprüche eines weiteren Unterhaltsberechtigten schmälert. In dieser Hinsicht ist der Gesetzeswortlaut zweifellos eindeutig. Hier ist aber die Leistungsfähigkeit der Kinderbetreuungsgeldbezieherin selbst als Unterhaltspflichtige zu beurteilen.

Da die Revisionsrekurswerberin eine Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung sohin nicht aufzuzeigen vermochte, musste ihrem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben.