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OGH vom 27.08.2015, 1Ob157/15t

OGH vom 27.08.2015, 1Ob157/15t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** L*****, vertreten durch die Dr. Farhad Paya Rechtsanwalt GmbH, Klagenfurt, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch die Jandl Schöberl Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 5.626,92 EUR sA über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 44/15i 13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 13 C 366/14i 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In einem zwischen den Streitteilen für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossenen „Operating Leasingvertrag“ verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines monatlichen Leasingentgelts von netto 536,11 EUR. Für den Fall, dass mit dem geleasten PKW im Jahr mehr als 20.000 km zurückgelegt werden, verpflichtete sich die Klägerin weiters zur Zahlung eines „Mehrkilometerentgelts“ von netto 0,087 EUR/km. Tatsächlich legte sie in den fünf Jahren der Vertragsdauer eine Strecke von (nur) 45.895 km zurück.

Die Klägerin begehrte nun den Klagebetrag samt Zinsen, der sich aus einer Multiplikation der (nicht in Anspruch genommenen) „Minderkilometer“ mit dem für die Mehrkilometervergütung festgesetzten Betrag zuzüglich Umsatzsteuer ergibt. Der Vertrag enthalte keine Regelung über eine Entgeltsreduktion bzw eine Vergütung an die Klägerin, sofern diese weniger als die vertraglich vereinbarten 20.000 km pro Jahr zurücklegt. Durch die einseitige Begünstigung der Beklagten in Gestalt der Klausel über eine Mehrkilometerabgeltung liege eine gröbliche Benachteiligung der Klägerin iSd § 879 Abs 3 ABGB vor. Die Beklagte habe das Fahrzeug in einem wesentlich besseren Zustand zurückerhalten, als im Leasingvertrag vereinbart, woraus sich auch ein höherer Zeitwert für den PKW ergäbe, als dies bei Abschluss des Vertrags kalkuliert worden sei. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei eine vernünftige, den Interessen aller Vertragsteile entsprechende Lösung zu finden, die nicht im Widerspruch zu ihren vorhandenen Willenserklärungen steht. Da die „neu vereinbarte“ Klausel einen Vertragspartner nicht eindeutig begünstigen dürfe, bestünde die richtige Lösung darin, der Klägerin für die „Minderkilometerleistung“ jenen Betrag zu refundieren, der für die entsprechende Fahrtstrecke als Mehrkilometerabgeltung in Rechnung gestellt worden wäre.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, eine Vereinbarung über eine Minderkilometerabgeltung sei nicht getroffen worden. Ein Rechtsgrund für die Forderung der Klägerin sei nicht nachvollziehbar. Der PKW habe auch keine Wertsteigerung gegenüber einer höheren Kilometerleistung im Rahmen der vertraglichen Höchstgrenze erfahren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erscheine keineswegs ungewöhnlich und iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend, wenn zwar der Leasinggeber Anspruch auf ein Mehrkilometerentgelt bei Überschreitung einer maximalen Fahrleistung von 20.000 km im Jahr hat, nicht aber der Leasingnehmer für eine geringere Kilometerleistung. Es käme auch niemand auf die Idee, bei einem „Mindergewicht“ eines Gepäckstücks im Flugverkehr Geld von der Fluglinie zu verlangen, wenn diese für schwerere als die maximal vorgesehenen Gepäckstücke einen Aufpreis verrechne. Der Klägerin wäre auch durch eine von ihr geltend gemachte Nichtigkeit der Klausel über die Mehrkilometerabgeltung nicht geholfen, zumal ein Wegfall dieser Klausel zu keiner Vertragslücke führte. Die Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB könne nicht dazu führen, dass dem Vertragspartner des AGB Verwenders ein Recht eingeräumt wird, dass er nach dem anwendbaren dispositiven (oder zwingenden) Recht nicht hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in Verbandsprozessen zu Vertragsklauseln über eine Mehrkilometerabgeltung ohne vergleichbare Minderkilometervergütung die Auffassung vertreten, es liege eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB und damit eine Unwirksamkeit der gesamten Klausel vor, wenn die einem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem, sachlich nicht zu rechtfertigenden Missverhältnis zur vergleichbaren Position des anderen steht. Bei Einordnung der Vertragsklausel als Vertragsstrafe gemäß § 1336 Abs 2 ABGB für eine vereinbarungswidrige Benützung des Leasingautos ergebe sich keine spiegelbildliche „Belohnung“ bei vertragskonformem Nichtausnützen der maximalen Kilometerleistung. Da der Klägerin vertraglich keine Möglichkeit des Ankaufs des Leasingobjekts eingeräumt wurde, sei die Bestimmung über die Benützung als bestandvertragliches Element des Vertrags anzusehen. Das dispositive Bestandrecht sehe aber im Zusammenhang mit der Nutzung des Bestandgegenstands keine Anrechnung von Mindernutzungen oder Ansprüche wegen geringerer Abnützung vor. Es liege vielmehr im Belieben des Bestandnehmers, welchen Nutzen er im Rahmen der Bestandabrede aus dem Bestandgegenstand zieht. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die zu beurteilende Klausel in vielen Leasingverträgen Verwendung finde und das Berufungsgericht von der dargestellten oberstgerichtlichen Rechtsprechung zum Verstoß derartiger Klauseln gegen § 879 Abs 3 ABGB abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird; insbesondere ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Vertragsklausel über eine Mehrkilometerabgeltung „zu beurteilen“, liegt doch eine insoweit erhöhte Inanspruchnahme des PKW gerade nicht vor.

Wie bereits das Erstgericht zutreffend dargelegt hat in der Sache ist dem auch das Berufungsgericht gefolgt liegt gerade unter der von der Revisionswerberin zugrunde gelegten Prämisse einer Nichtigkeit der „Mehrkilometerklausel“ eine Vertragslücke nicht vor, die mit den Mitteln der ergänzenden Vertragsauslegung zu füllen wäre. Mit dem Wegfall der Mehrkilometerklausel wegen Nichtigkeit wäre der Vertrag jedenfalls wieder ausgewogen. Die Nichtigkeit einer Vertragsklausel kann nicht zum Entstehen eines Rechts des Vertragspartners führen, das er sonst weder nach dem Vertrag noch dem Gesetz hätte (in diesem Sinne auch Graf in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 879 Rz 302).

Auf welcher Rechtsgrundlage der Anspruch der Klägerin überhaupt bestehen sollte, bleibt nach den Revisionsausführungen unklar. Die Klägerin erörtert zwar allgemein die Fälle eines allfälligen Mindererlöses bei Veräußerung eines übermäßig abgenützten Leasinggegenstands und eines Mehrgewinns beim Verkauf eines weniger benutzten Leasingfahrzeugs durch den Leasinggeber nach Vertragsbeendigung, lässt aber in keiner Weise erkennen, inwieweit gerade im vorliegenden Fall ein solcher von der Beklagten bestrittener Mehrgewinn entstanden wäre und aufgrund welcher Erwägungen sie Anspruch auf diesen haben sollte. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zur Ermittlung eines konkreten allenfalls unberechtigten Vermögensvorteils des Leasinggebers die von der Revisionswerberin gewählte Berechnungsvariante ungeeignet wäre, weil sie keinen Zusammenhang mit dem (denkbaren) konkreten „Mehrwert“ des zurückgestellten Leasingobjekts herstellt.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, womit sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00157.15T.0827.000