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OGH vom 24.01.1983, 1Ob831/82

OGH vom 24.01.1983, 1Ob831/82

Norm

ABGB § 971;

ABGB § 979;

Kopf

SZ 56/12

Spruch

Vertragliche Nebenpflicht des Verleihers ist es, auf ungewöhnliche und auch bei Überprüfung durch den Entlehner nicht erkennbare Risiken beim Transport des geliehenen Gegenstandes hinzuweisen

(LGZ Graz 4 R 321/82; BGZ Graz 28 C 274/80)

Text

Die "Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum", die vom beklagten Land Steiermark privatwirtschaftlich geführt wird, veranstaltete in der Zeit vom 29. 5. bis eine Einzelausstellung von Werken des Klägers. Die vom Kläger zur Verfügung gestellten Werke wurden in seinem Atelier in Wien ausgewählt. Die beklagte Partei erteilte an die Firma P den Auftrag, die für die Ausstellung bestimmten Werke des Klägers nach Graz zu transportieren. Unter diesen befand sich eine Stahlplastik "Hochrelief Katalog Nr. 184" mit einer Größe von 20 x 16 x 10 cm. Auf einer Bodenplatte ist ein Quader angeklebt; an der vom Beschauer aus betrachtet linken oberen kurzen Seitenkante des Quaders schließt ein nach oben gerichteter, mit der Seitenkante des Quaders verbundener, schräg nach links ragender Würfel an. An die hintere obere Würfelecke schließt ein weiterer nur mit dem Würfeleck in Verbindung stehender Würfel an. Die Verbindungsstelle der beiden Würfel hat einen Querschnitt von 5 mm2. Der Quader und die beiden Würfel wurden vom Kläger aus einem einzigen Eisenwerkstück gefertigt. Um einen gleichsam schwebenden Zustand der beiden Würfel hervorzurufen, wurden die Würfel unter Vermeidung von Schweißarbeiten ausgeschnitten bzw. aufgebogen. Das Objekt wurde anschließend mit Farbe versehen. Durch die Art der Herstellung wies das Objekt im Bereich der Biegestellen der beiden Würfel Haarrisse auf. Die Eckenverbindung der beiden Würfel war bereits vor dem Transport "angerissen". Allein die Eigenmasse des oberen Würfels genügte, um bei einer relativ geringen Stoßbelastung im Querschnitt der Eckenverbindung eine derart hohe Biegespannung hervorzurufen, daß ein Bruch der Eckenverbindung verursacht werden konnte. Die schon vorhandene Schädigung der Eckenverbindung war äußerlich nicht erkennbar. Die Firma P wurde vom Kläger darauf hingewiesen, daß insbesondere die kleineren Objekte vorsichtig zu verpacken wären. Die Firma P erachtete auch das Hochrelief für transportfähig und lehnte daher den Transport des Werkes nicht ab. Das Hochrelief, dessen Beschädigung an den Verbindungsstellen der beiden Würfel durch bloßen Augenschein nicht wahrgenommen werden konnte, wurde vom Verpackungsmeister der Firma P mit Schaumstoff, Schaumgummi, Luftpolster und Tuflinfolie verpackt und mit der Bodenplatte nach unten in einen genormten kleinen Faltkarton gegeben, dessen Freiraum mit Schaumstoff ausgefüllt wurde. Der Karton wurde mit einem Klebeband versehen, auf dem Karton wurde das Symbol "Vorsicht Glas" angebracht. Der Transport erfolgte mit einem LKW, der über eine Spezialfederung verfügte. Beim Auspacken des Hochreliefs in den Ausstellungsräumen in Graz stellte sich heraus, daß der obere Würfel abgebrochen war.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von 30 000 S als Ersatz des Wertes des Kunstwerkes. Die Firma P hätte das Objekt mit Styropor verpacken müssen. Der Kläger habe ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß das Objekt außerordentlich heikel sei. Der Kläger habe auf die Verpackungsart keinen Einfluß gehabt. Es sei Aufgabe der Firma P gewesen, die Verpackung und die Transportart selbst zu wählen. Die Firma P hätte auf Grund der Angaben des Klägers, das Werk sei heikel, von sich aus klären müssen, was der Kläger darunter verstehe. Eine Reparatur, die nur durch Schweißen der Bruchstelle erfolgen könne, sei aus künstlerischen Gründen nicht möglich, weil hiedurch der Eindruck der Schwerelosigkeit der Verbindung verloren ginge.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Beschädigung des Hochreliefs ungeachtet größter Vorsicht und umsichtiger Verpackung eingetreten sei. Durch den schon vorhandenen Einriß an der Verbindungsstelle sei eine Biegespannung erzeugt worden, die einen Transport praktisch nicht zugelassen habe. Die vom Kläger verwendete Art der Verbindung sei zu labil gewesen, um den Erfordernissen eines auch noch so sorgfältig durchgeführten Transportes zu genügen. Die totale Labilität sei dem Transporteur nicht bekannt gewesen; er hätte vom Kläger darauf hingewiesen werden müssen. Derart zerbrechliche Gegenstände müßten in eigens von einem Modelleur individuell angefertigten Styroporformteilen transportiert werden. Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, auf die Besonderheiten der Fragilität des Objektes hinzuweisen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vom Verpackungsmeister der Firma P vorgenommene Verpackung habe den Erfordernissen für den Transport von Kunstgegenständen entsprochen. Sie sei fachgerecht vorgenommen worden. Während der Fahrt mit dem Transportfahrzeug sei es zufolge der hiebei aufgetretenen unvermeidlichen Erschütterungen trotz der ordnungsgemäßen Verpackung zu einem Bruch der Eckenverbindung der beiden Würfel gekommen. Die Beschädigung sei weder auf eine unsachgemäße Verpackung noch einen unsachgemäßen Transport, sondern darauf zurückzuführen, daß das Hochrelief bereits vor Durchführung des Transportes für den Verpacker nicht erkennbare Risse aufgewiesen habe. Dieser Bruch sei nicht vorhersehbar gewesen. Ein Verschulden der Firma P als Erfüllungsgehilfin der beklagten Partei sei daher nicht erweislich. Daß die beklagte Partei eine abstrakte Haftungsverpflichtung abgegeben habe, sei vom Kläger nicht einmal behauptet worden. Das Kunstwerk repräsentiere einen Wert von 30 000 S.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes mit dem angefochtenen Beschluß, dem es einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte, auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Gemäß § 1298 ABGB sei die beklagte Partei beweispflichtig, daß die Beschädigung des Hochreliefs ohne ein Verschulden ihrer Leute bzw. Erfüllungsgehilfen eingetreten sei. Zutreffend weise der Berufungswerber darauf hin, daß der am Ausstellungsobjekt während des Transportes von Wien nach Graz aufgetretene Schaden keineswegs während der Fahrt des Transportfahrzeuges aufgetreten sein müsse und daß auch die vom Erstgericht aus seinen Tatsachenfeststellungen gezogene Schlußfolgerung, Erschütterungen des Objektes während des Transportes seien trotz ordnungsgemäßer Verpackung unvermeidbar gewesen, nicht zwingend sei. Die Berechtigung der erhobenen Feststellungs- und Beweisrüge müsse allerdings vorerst dahingestellt werden, weil die bisher vorliegenden Tatsachenfeststellungen zur verläßlichen Beurteilung der Sache nicht ausreichten. Das Erstgericht habe keine genauen Feststellungen über den Transport des Objektes vom Atelier des Klägers zum Transportfahrzeug und vom Transportfahrzeug zu den Ausstellungsräumen getroffen. Wäre, was noch nicht geklärt sei, ein händischer Transport zum und vom LKW angebracht gewesen, ginge dies, wäre er nicht durchgeführt worden, zu Lasten der beklagten Partei. Wäre eine Verpackungsart mit den vorgeformten Styroporformteilen üblich, hätte deren Nichtverwendung gleichfalls die beklagte Partei zu vertreten. Daß die Risse in der Eckenverbindung der Würfel nicht erkennbar gewesen seien, besage jedenfalls nicht, daß das Objekt nicht ungeachtet dieses Umstandes als besonders fragil anzusehen gewesen wäre. Erst wenn zu den aufgezeigten Punkten ausreichende Tatsachenfeststellungen vorlägen, werde verläßlich beurteilt werden können, ob das Ausstellungsobjekt nur solchen Erschütterungen ausgesetzt worden sei, die bei einem derartigen Transport unvermeidlich seien, dh. auch bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Sollte sich eine Haftung der beklagten Partei ergeben, wäre zu prüfen, ob eine Instandsetzung des Hochreliefs möglich sei. Es werden auch Feststellungen über den Bekanntheitsgrad des Klägers zu treffen sein. Falls die Plastiken des Klägers bestimmte Handelswerte hätten, richte sich ihr gemeiner Wert nach diesen. Die Schadensbemessung dürfe sich allerdings weder am Versicherungswert noch am Verkaufspreis einer Kommerzgalerie orientieren. Bei der Vernichtung einer nicht in beliebiger Zahl beschaffbaren Gattungssache sei zwar für die Ermittlung des Verkehrswertes der Verkaufswert maßgebend. Der dem geschädigten Kläger entgangene Verkaufserlös für sein Werk liege aber jedenfalls unter dem Verkaufspreis einer in Gewinnerzielungsabsicht geführten Galerie. Liege kein Totalschaden vor, sondern sei eine Reparatur möglich und tunlich, so sei nicht die Wertdifferenz zwischen dem ursprünglichen Handelswert und dem Restwert maßgebend, sondern es seien die Reparaturkosten und eine allenfalls verbleibende Wertminderung zuzusprechen.

Über Rekurs der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Werden Kunstgegenstände dem Veranstalter einer Ausstellung unentgeltlich für die Zeit der Ausstellung zur Verfügung gestellt, kommt ein Leihvertrag zustande. Entgegen den Ausführungen des Rekurses war es die beklagte Partei, die mit dem Transport die Firma P beauftragte (Außerstreitstellung) und daher auch für die Kosten des Transportes und die Transportversicherung aufzukommen hatte. Der Leihvertrag kam demnach als Realkontrakt durch die vereinbarte Übergabe der Kunstwerke an die Firma P zwecks Durchführung des Transportes zustande. Da der Transport der Kunstwerke Sache der beklagten Partei war, handelte es sich bei der Firma P gemäß § 1313a ABGB um ihren Erfüllungsgehilfen, für dessen Verhalten sie einzustehen hat (SZ 3/18; SZ 2/123; Stanzl in Klang[2] IV/1, 688). Wurde der entlehnte Gegenstand nach Zustandekommen des Leihvertrages auf dem für die beklagte Partei durchgeführten Transport beschädigt, trifft sie als Entlehnerin gemäß § 1298 ABGB die Beweislast, daß die Beschädigung ohne ihr oder das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen eintrat (5 Ob 683/81; Stanzl aaO 687). Diesen Beweis trat die beklagte Partei auch an. Sie und ihr Erfüllungsgehilfe hatten die nach der Sachlage gebotenen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, damit der entlehnte Gegenstand für den Transport ordnungsgemäß verpackt und der Transport selbst ordnungsgemäß durchgeführt wird. Nur wenn auch die dem Einzelfall gemäß gebotenen Vorsichtsmaßnahmen eine Beschädigung oder Zerstörung des Gutes auf Grund außergewöhnlichen Zufalles nicht verhindern konnten, wurde die beklagte Partei nicht haftbar (Stanzl aaO 687). Der Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei wußte zwar, daß es sich bei dem zu befördernden Gut um einen Kunstgegenstand handelte (vgl. § 429 Abs 2 HGB), dessen Transport er, wenn ihm nach fachmännischer Beurteilung das Risiko der Beförderung zu groß erschien, abzulehnen und das er nach übernommener Beförderung besonders zu schützen hatte. Vertragliche Nebenpflicht des Klägers aber war es, die beklagte Partei bzw. deren Erfüllungsgehilfen auf Risiken hinzuweisen, die auf eine aus künstlerischen Gründen gewählte Herstellungsart zurückzuführen waren und auch bei der gebotenen Überprüfung auf Transporttauglichkeit nicht erkannt werden konnten (vgl. SZ 50/137). Eigenes Verschulden hat er selbst zu vertreten (Stanzl aaO 688).

Der Kläger wies nun nach seinem Vorbringen die Firma P nur darauf hin, daß der Transport des Kunstgegenstandes "heikel" sei. Das bedeutete zwar, daß wegen der Gestaltung des Werkes der Transport besondere Vorsicht erfordere; diesem Hinweis konnte noch nicht entnommen werden, daß bei der Anfertigung des Hochreliefs aus künstlerischen Gründen in Kauf genommen worden war, daß die Verbindung der beiden aus einem Werkstück gewonnenen und daher nicht zusammengeschweißten Würfel nicht jene Festigkeit aufwies, die ohne besonderen Hinweis vorausgesetzt werden konnte. Auf ein auch für Kunstgegenstände besonderes, sich aus der Art der Herstellung ergebendes Risiko machte der Kläger aber den Verpackungsmeister der Firma P nicht aufmerksam. Nur für den Fall einer besonderen Labilität des Kunstgegenstandes, auf die der Kläger hätte hinweisen müssen, wäre es nach dem Vorbringen der beklagten Partei und ihres Nebenintervenienten erforderlich gewesen, eine andere als die tatsächlich getroffene Verpackungsart zu wählen. Das Erstgericht stellte fest, daß sich der Bruch des Verbindungsstückes zwischen den beiden Würfeln während der Fahrt des Transportfahrzeuges ereignete und die vorgenommene Verpackung und Art des Transportes den Erfordernissen für Transporte von Kunstgegenständen im allgemeinen entsprochen habe und fachgerecht gewesen sei. Beide Feststellungen wurden in der Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat zur Beweisrüge nicht Stellung genommen. Wäre aber die Feststellung richtig, daß die Beschädigung des Gutes sich während der Fahrt mit dem Transportfahrzeug ereignete, bedürfte es keiner weiteren Feststellung mehr, ob die Beförderung des Kartons zum LKW und vom LKW in den Ausstellungsraum fachgerecht erfolgt wäre, da dann auszuschließen wäre, daß die Beschädigung während dieser Teile des Transportes eintrat. Daß die beklagte Partei selbst vorgebracht hätte, die von ihrem Erfüllungsgehilfen gewählte Verpackungsart sei unzureichend gewesen, trifft nicht zu. Sie trug vielmehr vor, die totale Labilität des Gegenstandes sei dem Transporteur unbekannt gewesen, obwohl er darauf hätte hingewiesen werden müssen, weil derartig zerbrechliche Gegenstände in eigens von einem Modelleur angefertigten Styroporformteilen zu transportieren seien.

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes bedürfte es keiner Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage mehr. Dies führt dazu, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben ist, damit sich dieses mit der Beweisrüge des Klägers auseinandersetzt.

Zu den nur für den Fall einer Haftung der beklagten Partei dem Gründe nach in Betracht kommenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Höhe des geltend gemachten Schadens ging das Erstgericht unbekämpft davon aus, der Kläger zähle zu denjenigen lebenden Künstlern, deren Werke im Kunsthandel bereits einen bestimmbaren Verkehrswert haben (vgl. SZ 39/206). Sollte festgestellt werden, daß eine Reparatur aus künstlerischen Gründen nicht möglich sei, ist bei Zerstörung eines Kunstwerkes, bei dem die Anschaffung eines Ersatzstückes nicht in Betracht kommt, der vom Künstler und nicht der von einer Kommerzgalerie erzielbare Verkaufserlös als jener Wert, den die zerstörte Sache im Vermögen des Geschädigten hatte (vgl. SZ 51/37; SZ 48/89), der Schadensberechtigung zugrunde zu legen (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 194 f.).