OGH vom 20.03.2003, 6Ob211/02a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Konstantin S*****, in Obsorge der Mutter Gerda S*****, Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Gmunden, 4810 Gmunden, wegen Unterhaltsfestsetzung, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. Thomas S*****, vertreten durch Dr. Günter Tews & Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 130/02w-44, womit über den Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Gmunden vom , GZ 1 P 2831/95g-40, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Vater verpflichtet wird, dem Kind ab bis zu dessen Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 582 EUR zu bezahlen.
Das Mehrbegehren des Kindes von monatlich 115,66 EUR wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Obsorge steht seit dem Scheidungsvergleich vom der Mutter zu. Der Vater verpflichtete sich zu einem Unterhaltsbeitrag von 5.000 S monatlich für den am geborenen Sohn. Weitere Sorgepflichten bestehen nicht.
Am beantragte der Unterhaltssachwalter, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab auf 9.600 S 697,66 EUR) zu erhöhen. Der Vater erklärte sich nur zu einer monatlichen Unterhaltserhöhung auf 6.130 S für die Zeit vom bis und auf 7.000 S ab bereit. Er stellte am eine Bemessungsgrundlage von 3.700 EUR außer Streit. Zur steuerlichen Entlastung seien die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag anzurechnen. Danach ergebe sich ein Unterhaltsbeitrag von 565,55 EUR. Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsbegehren zur Gänze statt. Gemäß § 12a FLAG gelte die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindere dessen Unterhaltsanspruch nicht. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, das Gesetz nur deshalb anders auszulegen, weil der Gesetzgeber es unterlassen habe, steuerrechtlichen Vorgaben des VfGH zu entsprechen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Der Auffassung des VfGH (gemeint dessen Erkenntnis vom , B 1285/00) sei nicht zu folgen. § 12a FLAG könne im Sinne der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht entgegen seinem klaren Wortlaut teleologisch reduziert werden. Die Familienbeihilfe sei nicht unterhaltsmindernd.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Vater die Aufhebung zur Verfahrensergänzung, hilfsweise die Abänderung dahin, dass der 565,55 EUR übersteigende Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen werde.
Das durch den Unterhaltssachwalter vertretene Kind hat sich zum Revisionsrekurs nicht geäußert.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt. Bis zu den Erkenntnissen des und vom , G 7/02, ging die oberstgerichtliche Rechtsprechung entsprechend dem Wortlaut des § 12a FLAG davon aus, dass die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird, um die Betreuungslast wenigstens teilweise abzudecken. Sie sei nicht dazu bestimmt, den nicht betreuenden geldunterhaltspflichtigen Elternteil zu entlasten. Die Familienbeihilfe sei nicht auf die Unterhaltspflicht anrechenbar (1 Ob 218/00s mwN).
Mit Erkenntnis vom , G 7/02 ua, hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom , B 1285/00, vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe. Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %.
Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der zu entlastende Unterhaltsbetrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird.
Bei einem unstrittigen Nettoeinkommen des Vaters im festgestellten Ausmaß übersteigt das Jahresbruttoeinkommen jedenfalls 50.870 EUR, sodass der Grenzsteuersatz von 50 % (§ 33 Abs 1 EStG) für die Ermittlung der gebotenen Steuerentlastung heranzuziehen ist. Nach der Prozentkomponente ergäbe sich ein monatlicher Unterhalt von 740 EUR. Der Regelbedarf des mehr als 10-jährigen Kindes betrug ab 278,34 EUR. Der monatliche Unterhalt soll aber nach den Grundsätzen des sogenannten "Luxusunterhalts" das 2,5-Fache des Regelbedarfs nicht übersteigen. Der Unterhaltsbeitrag ohne steuerliche Entlastung machte hier also rechnerisch 695,85 EUR aus. Dieser Betrag ist nach der angeführten Formel steuerlich zu entlasten. 40 % (d.i. der reduzierte Grenzsteuersatz) des halben Unterhaltsbeitrags ergeben 139,17 EUR. Davon ist der vom Vater bezogene (oder zumindest beziehbare) Unterhaltsabsetzbetrag von 25,50 EUR abzuziehen. Dies ergibt eine steuerliche Entlastung von 113,67 EUR.
Daraus folgt die Unterhaltserhöhung auf 582 EUR monatlich und die Abweisung des Mehrbegehrens von 115,66 EUR.
Fundstelle(n):
VAAAD-39974