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OGH vom 22.10.2007, 1Ob156/07h

OGH vom 22.10.2007, 1Ob156/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller, Mag. Dr. Wolfgang Graziani-Weiss und Mag. Bernhard Scharmüller, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Manfred L*****, *****, *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen EUR 18.168,21 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 20/07m-12, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 7 Cg 129/06h-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist alleiniger Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft mbH. Auf seine Stammeinlage sind lediglich EUR 18.168,21 einbezahlt, die restliche Stammeinlage haftet in gleicher Höhe unberichtigt aus. Auf Grund des vollstreckbaren Urteils des Landesgerichts Leoben vom , AZ 33 Cg 148/03i, steht der klagenden Partei gemeinsam mit einer Aktiengesellschaft eine Gesamthandforderung von EUR 21.787,45 samt Zinsen und Kosten gegenüber der Gesellschaft mbH zu. Zur Hereinbringung dieser Forderung bewilligte das Bezirksgericht Leoben mit Beschluss vom der klagenden Partei und der Aktiengesellschaft als betreibenden Parteien wider die verpflichtete Gesellschaft mbH die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Forderung der Gesellschaft mbH gegen den Beklagten auf Einzahlung der Stammeinlage bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung unbeschadet früher erworbener Rechte Dritter (Akt 7 E 2398/04k des BG Leoben). Außer Streit steht, dass das Bezirksgericht Leoben hinsichtlich des aushaftenden Teils der Stammeinlage bereits folgende „Vorexekutionen" bewilligt hatte:

am über EUR 13.081,11 (7 E 1497/00d);

am über EUR 13.953,18 (7 E 296/03s);

am über EUR 314,65 (7 E 1216/02h);

am über EUR 1.920,02 (7 E 147/03d);

am über EUR 5.112,92 (7 E 317/03d);

am über EUR 171,80 (7 E 665/03f).

In seiner Drittschuldnererklärung vom anerkannte der Beklagte die Forderung der Gesellschaft mbH auf Zahlung der noch offenen Stammeinlage in Höhe von EUR 18.164,64 und gab bekannt, dass er von der Gesellschaft mbH noch nicht auf Zahlung der aushaftenden Stammeinlage geklagt worden sei. Die Frage nach anderen Gläubigern sowie der Höhe deren Forderungen ließ er unbeantwortet. Der Aufforderung der klagenden Partei, die noch aushaftende Stammeinlage an die Klagevertreter zur Überweisung zu bringen, kam der Beklagte nicht nach.

Mit der vorliegenden Drittschuldnerklage begehrte die klagende Partei die Zahlung von EUR 18.168,21 sA; unter einem verkündete sie der GmbH den Streit. Die Aktiengesellschaft habe als weitere Überweisungsgläubigerin der Geltendmachung der Forderung zugestimmt. Der Beklagte habe trotz der Pfändung und des Überweisungsauftrags keine Zahlung geleistet.

Der Beklagte wandte - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, dass die Leistung des geschuldeten Betrags nicht möglich gewesen sei, weil die Forderung auf die aushaftende Stammeinlage bereits vor Pfändung durch die klagende Partei zu Gunsten anderer Gläubiger gepfändet worden sei. Er habe auf diese Forderungsexekutionen noch nichts geleistet; diese seien „aufrecht" und gingen der Exekution der klagenden Partei im Rang voraus. Unter einem erstattete der Beklagte eine neuerliche Drittschuldneräußerung, in welcher er nunmehr die Frage nach anderen Gläubigern - wie aus den weiter oben widergegebenen Feststellungen ersichtlich - beantwortete. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens statt. Die klagende Partei sei als Überweisungsgläubigerin berechtigt, im Namen der ihr verpflichteten GmbH den beklagten Drittschuldner auf Zahlung der noch aushaftenden Stammeinlage in Anspruch zu nehmen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, den Klagebetrag samt Zinsen beim Bezirksgericht Leoben als Exekutionsgericht binnen 14 Tagen zu erlegen; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Jeder Überweisungsgläubiger sei ermächtigt, die überwiesene Forderung einzuklagen. Da unstrittig sei, dass mehrere Forderungsprätendenten dem Drittschuldner gegenüberstünden und er zu Gunsten der von diesen betriebenen Forderungen, die die Gesamtsumme der von ihm geschuldeten Stammeinlage jedenfalls überschreiten, keinerlei Zahlungen erbracht habe, könne er lediglich zum gerichtlichen Erlag der restlichen Stammeinlage beim Exekutionsgericht verurteilt werden, auch wenn ein Zahlungsbegehren erhoben worden sei. Es handle sich - auch ohne vorangegangenes Erlagsverfahren - um eine nach § 307 Abs 1 EO zulässige Hinterlegungsklage, deren Begehren allerdings nicht auf Zahlung, sondern auf Gerichtserlag laute. Sei der eingeklagte Anspruch gepfändet, könne - auch wenn Zahlung begehrt worden sei - „auf gerichtlichen Erlag" verurteilt werden. Dieser Ausspruch stelle zum Zahlungsbegehren eine quantitative Minderung dar, sodass einem solchen Urteil § 405 ZPO nicht entgegenstehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die Pfändung von Stammeinlageforderungen einer GmbH berechtigt den Überweisungsgläubiger, anstelle der Gesellschaft Zahlung von den Gesellschaftern zu verlangen (SZ 52/37). Die Pfändung einer Stammeinlagenforderung einer GmbH kann auch von mehreren Gläubigern zu verschiedenen Zeitpunkten erwirkt werden (§ 300 EO); die Rangordnung der Pfandrechte richtet sich dann nach dem Zeitpunkt, in welchem die erlassenen Zahlungsverbote dem Drittschuldner zugestellt wurden (§ 300 Abs 2 EO). Hier wurde die der verpflichteten GmbH gegen den Beklagten zustehende Stammeinlageforderung gepfändet und der klagenden Partei zur Einziehung mit dem Beisatz überwiesen, dass früher erworbene Rechte Dritter nicht berührt würden. Die ex lege vorrangigen Befriedigungsrechte Dritter wurden durch die Überweisung zur Einziehung nicht beeinträchtigt. Die Rangfolge der Befriedigungsrechte der andrängenden Gläubiger ist dann vom Drittschuldner bei seiner Leistung an diese zu berücksichtigen; er hat an die Gläubiger nach Priorität ihrer Befriedigungsrechte (§§ 300, 300a EO) zu leisten. Bei unklarer Sach- bzw Rechtslage kommt dem Drittschuldner die Möglichkeit zur Hilfe, den geschuldeten Betrag gemäß § 307 EO bei Gericht zu erlegen (Oberhammer in Angst, EO § 303 Rz 5). Das Vorhandensein mehrerer Forderungsprätendenten ist eine der Voraussetzungen für einen Gerichtserlag. Zweite Voraussetzung ist allerdings das Vorliegen einer unklaren Sach- oder Rechtslage. Bei mehreren Forderungsprätendenten muss zwischen den Beteiligten über die Rangordnung ihrer Ansprüche Streit bestehen. Wenngleich hier kein allzu strenger Maßstab anzulegen (Oberhammer aaO, § 307 Rz 4) und ein Drittschuldner insbesondere nicht dazu zu verhalten ist, umfangreiche Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, ist der Gerichtserlag nicht zulässig, wenn der Schuldner bei zumutbarer Prüfung die Sach- und Rechtslage leicht erkennen konnte (Reischauer, Hinterlegung zu Gunsten mehrerer [potentieller] Gläubiger; in JBl 2001, 541 [543, 554] und 614 [621]). Im vorliegenden Fall behauptete nun der Beklagte ausdrücklich, dass auf Grund mehrerer dezitiert dargestellter, dem Rang der Pfändung durch die klagende Partei vorangehender Pfändungen der Drittschuldnerforderung eine Befriedigung der klagenden Partei nicht möglich sei. Ob diese Behauptung den Tatsachen entspricht - was bei leichter Erkennbarkeit der Sach- und Rechtslage einen Erlag unzulässig machte -, blieb ungeprüft.

Nun ist bei Vorhandensein mehrerer Überweisungsgläubiger jeder von ihnen zwar berechtigt, die Drittschuldnerklage einzubringen. Im Drittschuldnerprozess hat aber das Erstgericht zu prüfen, ob die Klage ins Leere geht, weil auf diesen Gläubiger im Hinblick auf die früher erworbenen Rechte Dritter nichts mehr entfällt. Zu diesem Zweck ist die Höhe des Überweisungsbetrags nach Maßgabe des Rechtsbestands der gepfändeten Forderung im Hinblick auf die früher erworbenen Rechte Dritter zu beurteilen. Ergibt diese Prüfung das Bestehen eines Überweisungsbetrags, hat grundsätzlich eine Verurteilung zur Zahlung - und nicht zur Hinterlegung - zu erfolgen, es sei denn, es läge eine unklare Sach- und Rechtslage vor (§ 307 Abs 1 EO).

Ausgehend von seiner Rechtsansicht hat es das Erstgericht jedoch unterlassen, sich mit der Frage zu befassen, ob infolge früher erworbener Rechte Dritter die Drittschuldnerklage zur Gänze oder zum Teil ins Leere ginge bzw ob dieser Umstand für den Drittschuldner ohne Weiteres leicht erkennbar war. Die vorhandenen Feststellungen zu den „Vorexekutionen" reichen nicht aus; so fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wann die Zahlungsverbote an den Drittschuldner zugestellt wurden, ob - was von der klagenden Partei ausdrücklich bestritten wurde - diese Exekutionen „aufrecht" sind oder ob und allenfalls in welcher Höhe Zahlungen geleistet wurden.

Die vom Berufungsgericht indirekt als Belegstelle für die Zulässigkeit des Gerichtserlags zitierte Entscheidung 1 Ob 229/37 (= SZ 19/80) hatte noch den durch die EO-Novelle 1991, BGBl 1991/628, mittlerweile aufgehobenen § 305 Abs 3 EO, zur Grundlage. Dieser normierte, dass - soweit eine Forderung an einen Gläubiger überwiesen wurde - die Überweisung dieser Forderung an einen anderen Gläubiger unstatthaft sei. Zum Unterschied von der nunmehrigen Rechtslage war die Überweisung also nur an einen einzigen Gläubiger zulässig und war allein dieser befugt, gegen den Drittschuldner gerichtlich oder außergerichtlich vorzugehen. Mangels entsprechender Registrierung von Forderungsexekutionen konnte es aber zu versehentlichen mehrfachen Überweisungen kommen. Auf diesen Fall stellte die Entscheidung SZ 19/80 ab, wenn sie den Gerichtserlag für zulässig erachtete. Dieser Entscheidung kommt nunmehr aber keine Relevanz zu, da nach Aufhebung des § 305 Abs 3 EO die Überweisung „unbeschadet früher erworbener Rechte Dritter" erfolgt, der Fall einer „versehentlichen" mehrfachen Überweisung also nicht mehr denkbar ist, und darüber hinaus § 307 Abs 1 EO (idF der EO-Novelle 1991) als Voraussetzung für den Gerichtserlag eine unklare Sach- und Rechtslage fordert. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu treffen haben, die eine Prüfung zulassen, ob und allenfalls in welcher Höhe zu Gunsten der klagenden Partei ein „Überweisungsbetrag" besteht und ob ein Gerichtserlag zulässig gewesen wäre. Sollte der Beklagte obsiegen, wären im Hinblick auf die Kostenentscheidung auch Feststellungen dazu zu treffen, ob er bei Abgabe der Drittschuldnererklärung seine sich aus § 301 Abs 1 EO ergebenden Verpflichtungen schuldhaft nicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig erfüllt hat.

Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.