OGH vom 02.07.1958, 2Ob247/58
Norm
Kopf
SZ 31/93
Spruch
Ein Ausspruch im Ehescheidungsurteil gemäß § 61 Abs. 2 EheG., daß den Kläger ein Verschulden trifft, ist für die Anwendung des § 1266 ABGB. von Bedeutung.
Entscheidung vom , 2 Ob 247/58.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger begehrt die Aufhebung des mit der Beklagten im Jahre 1934 abgeschlossenen Erbvertrages mit der Begründung, daß seine Ehe mit der voll entmundigten Beklagten im Jahre 1952 gemäß § 51 EheG. rechtskräftig geschieden und im Urteil ausgesprochen worden sei, daß ihn ein Verschulden treffe. Die vermögensrechtlichen Ansprüche, die sich aus der Scheidung der Ehe ergeben hätten, seien vollständig geregelt und der Unterhalt der Beklagten durch Vereinbarung gesichert. Der Erbvertrag sei im Hinblick auf die Scheidung der Ehe sinnlos geworden. Wenn ihm die Fortsetzung der Ehe zufolge der geistigen Erkrankung der Beklagten nicht mehr zuzumuten sei, dann habe das gleiche Schicksal auch den Erbvertrag zu treffen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Beklagte an der Zerrüttung der Ehe keine Schuld treffe, während das Verschulden des Klägers festgestellt sei. Demzufolge bestimme sich das Schicksal des Erbvertrages nach § 1266 ABGB.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Ausführungen des Klägers sind, wie schon die Unterinstanzen richtig erkannt haben, nicht geeignet, sein Begehren auf Aufhebung des Erbvertrages gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Es ist nicht einzusehen, warum hier nicht dieselben Grundsätze anzuwenden sein sollten wie bei einer Scheidung der Ehe, die auf Grund von Verschuldenstatbeständen begehrt wird. Die Beklagte hatte im Ehescheidungsprozeß gemäß § 61 Abs. 2 EheG. überhaupt nur unter der Voraussetzung die Möglichkeit, das Begehren auf Feststellung eines Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe zu stellen, daß sie berechtigt gewesen wäre, zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung der Ehe wegen Verschuldens des Klägers zu klagen. Sie hätte an Stelle dieses Antrages somit auch eine Widerklage mit derselben Wirkung einbringen können, nämlich daß im Urteil ein Verschulden des Klägers ausgesprochen wird, für welchen Fall die Bestimmung des § 61 Abs. 1 EheG. die Grundlage bildet (siehe Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 212). Schon daraus allein läßt sich ableiten, daß ein auf diese Weise festgestelltes Verschulden des die Scheidung aus einem anderen Gründe begehrenden Klägers dem Verschulden gleichzuhalten ist, das im Falle einer Scheidung aus Verschulden auf Grund einer Klage und Widerklage festgestellt wurde.
Es ist auch keineswegs verfehlt, wenn das Erstgericht zur Stützung seiner Auffassung auf § 69 Abs. 1 EheG. hingewiesen hat. Danach sind auch dann, wenn die Ehe allein aus einem der in den §§ 50 bis 52 und 55 EheG. bezeichneten Gründe geschieden wurde, das Urteil aber einen Schuldausspruch enthält, die Vorschriften der §§ 66 und 67 EheG., die für den Fall der Ehescheidung aus Verschulden gelten, anzuwenden. Wenn diese Regelung auch nur im Zusammenhang mit der Unterhaltsfrage getroffen wurde, so zeigt sie doch in eindeutiger Weise, daß die verschiedene Beurteilung eines Verschuldensausspruches bei Scheidung der Ehe aus Verschulden oder aus anderen Gründen, wenn dort ein Verschulden des anderen Ehegatten festgestellt wurde, nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen ist. Vielmehr ist damit zum Ausdruck gebracht, daß ein auf diese Weise für schuldig erkannter Ehegatte denselben Bestimmungen unterworfen sein soll, wie es im Falle des § 66 EheG. ein allein oder überwiegend schuldiger Ehegatte ist. Dieselben Grundsätze sind daher auch auf die Regelung der Ehepakte im Sinne des § 1266 ABGB. anzuwenden, zumal die Wirkungen der seinerzeitigen Trennung der Ehe mit denen der Scheidung der Ehe gleichzusetzen sind. Ist eine Scheidung der Ehe gemäß den §§ 50 bis 52 und 55 EheG. erfolgt und ist gleichzeitig ausgesprochen worden, daß den einen Ehegatten ein Verschulden trifft, dann ist eben dieser Ehegatte an der Zerrüttung der Ehe schuldtragend, während dem anderen Ehegatten ein Verschulden nicht zur Last zu legen ist. Es erübrigt sich daher auch in diesem Falle, den Grad des Verschuldens festzustellen.
Der Hinweis des Klägers auf die Nichtanwendung der Härteklausel des § 54 EheG. geht fehl, weil mit der Härteklausel nur ein Schutz für den schuldlosen Ehegatten geschaffen wurde, ohne Rücksicht darauf, ob den anderen Teil ein Verschulden trifft. Gerade für den Fall, daß die vom schuldigen Teil begehrte Scheidung der Ehe aus anderen Gründen sittlich gerechtfertigt wäre, ist dem schuldlosen Teil gemäß § 61 Abs. 2 EheG. die Möglichkeit eingeräumt worden, durch eine Widerklage oder durch einen bloßen Antrag das Verschulden des anderen Teiles an der Zerrüttung der Ehe feststellen zu lassen. Damit ist dem an der Zerrüttung der Ehe schuldigen Ehegatten die Möglichkeit genommen, die Scheidung der Ehe aus einem anderen Gründe durchzusetzen, ohne daß auf die von ihm gesetzten schweren Eheverfehlungen, die nicht mit der Geisteskrankheit des anderen Gatten im Zusammenhang stehen, Bedacht genommen würde.
Aus der Tatsache, daß sein Scheidungsbegehren als sittlich gerechtfertigt angesehen wurde, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil durch den Ausspruch seines Verschuldens feststeht, daß die Beklagte berechtigt gewesen wäre, selbst die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers zu begehren. Hätte dies die Beklagte getan, dann hätte der Kläger ein Verschulden der Beklagten überhaupt nicht geltend machen können und es wäre, wenn die Ehe geschieden worden wäre, sein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe festgestellt worden.
Wie immer man daher die Sache betrachtet, erscheint die Rechtsauffassung der Unterinstanzen richtig, daß der Beklagten als der an der Zerrüttung der Ehe Schuldlosen die Rechte aus dem Erbvertrag für den Todesfall vorbehalten bleiben.