OGH vom 19.12.2005, 4Ob223/05f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann K*****, 2. Maria K*****, beide vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 152/05h-10, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 3 Cg 142/05x-4, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Unbestritten blieb, dass die Kläger ausschließlich Eier aus Freilandhaltung produzieren und diese teils selbst, teils über die Beklagte vermarkten. Die Beklagte stellte überdies außer Streit, dass sie im Betrieb der Kläger erzeugte und aus Freilandhaltung stammende Eier als Eier aus Bodenhaltung vertrieben hat. Sie gestand zu, dass der Beipackzettel, der auf die Herkunft der Ware aus dem Unternehmen der Kläger hinwies, insofern unrichtig war, als die Eier nicht, wie dort angegeben, aus Bodenhaltung stammten.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr der zur Sicherung eines inhaltsgleichen Hauptbegehrens erhobene Anspruch, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die unrichtige Behauptung zu unterlassen, dass aus dem Betrieb der Kläger stammende Eier Eier aus Bodenhaltung seien, wenn diese ausschließlich aus Freilandhaltung stammen. Die Kläger stützen ihren Unterlassungsanspruch auf §§ 2 und 7 UWG. Die Behauptungen der Beklagten seien unrichtig und zur Irreführung des Publikums geeignet; sie setzten auch den Betrieb der Kläger herab, die ausschließlich aus Freilandhaltung stammende Eier (somit ein höherwertiges Produkt) erzeugten.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die unrichtige Bezeichnung sei weder zur Irreführung geeignet noch setze sie die Kläger herab. Sie sei für den Kaufentschluss unerheblich. Im Übrigen sei die Kennzeichnung nicht unrichtig, da sie die Voraussetzungen des Art 4 der Richtlinie 1999/74/EG erfülle.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zur Gänze (der - hier nicht wiedergegebene - Punkt 2 des Sicherungsantrags ist nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens). Die unwahre Tatsachenbehauptung sei sowohl zur Irreführung als auch zur Schädigung des Kredits der Kläger geeignet.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung in Ansehung der unrichtigen Herkunftsbezeichnung (Bodenhaltung statt Freilandhaltung), wies das Sicherungsbegehren im Übrigen (unbekämpft) ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei jedem Begehren 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil „zur Deklaration von Eiern unter ihrem Wert" oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Soweit die Kläger Eier auch an Letztverbraucher verkauften, stünden die Streitteile miteinander in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis. Die unrichtige Bezeichnung der aus dem Betrieb der Kläger stammenden Eier sei objektiv geeignet, den Absatz der Kläger zu schmälern, weil viele Konsumenten aus tierschützerischen Erwägungen Eier eines ausschließlich Freilandhaltung betreibenden Produzenten bevorzugten und der Verdacht entstehen könne, dass in einem Betrieb mit mehreren qualitativ unterschiedlichen Formen der Hühnerhaltung Verwechslungen zum Nachteil des Kunden vorkommen könnten. Dass die Behauptung, ein Unternehmer vertreibe billige, weniger wertvolle Ware, zur Kreditschädigung nach § 7 Abs 1 UWG geeignet sei, habe der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen. Die Deklaration des Produkts unter seinem Wert wäre nur dann nicht zu beanstanden, wenn kein Produzent genannt würde. In Verbindung mit der Angabe des Produzenten setze sie diesen aber herab und verstoße damit gegen § 7 Abs 1 UWG.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat den Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass Rechtsprechung „zur Deklaration von Eiern unter ihrem Wert" fehle. Die Beklagte macht geltend, dass sich die Frage, ob die Vermarktung von Eiern aus Freilandhaltung als „Eier aus Bodenhaltung" den Produzenten herabsetze, bei zahlreichen anderen Produkten stelle.
Dass eine Frage häufig zu entscheiden ist, vermag noch keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen, wenn zu ihrer Lösung die schon bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausreichen. Das trifft für die Beurteilung der hier zu beantwortenden Frage zu.
Ob eine Behauptung geeignet ist, den Kredit eines Unternehmers zu schädigen, ist unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Falles zu beurteilen (4 Ob 407/82 = ÖBl 1984, 45 - Werbetextgeräte), wobei die abstrakte Gefährdungseignung genügt (4 Ob 9/91 = ÖBl 1991, 205 - Labels; 4 Ob 92/91 = MR 1991, 245 [Korn] - Rettet die Eiche ua). Geeignet, den Kredit zu schädigen, ist alles, was beim Publikum eine nachteilige Meinung vom Geschäftsbetrieb eines Unternehmens, von seinen Waren oder seiner Kreditwürdigkeit erwecken kann und damit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge meist dazu führt, dass der betroffene Betrieb einen Schaden erleidet oder der Kredit seines Inhabers erschüttert wird (4 Ob 95/93 = MR 1993, 182 - Schlechtes Geschäft; 4 Ob 133/93 = ÖBl 1994, 79 - Informationsnebel). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind, bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 72/04y = ÖBl 2005/15 - Wiener Werkstätten IV).
Soweit die Beklagte geltend macht, mit der Bezeichnung von Eiern als „Eier aus Bodenhaltung" sei noch keine Herabsetzung des Unternehmens der Kläger verbunden, weil dieser Begriff nicht negativ besetzt sei, übersieht sie, dass es nicht um die Abgrenzung gegenüber Eiern aus Käfighaltung geht. Dass aber Eier aus Freilandhaltung höherwertig als Eier aus Bodenhaltung sind, gesteht auch die Beklagte zu. Dazu kommt, dass die Kläger Eier nur in Freilandhaltung produzieren und dass sie auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen sind, da ein bloßer Augenschein nicht erkennen lässt, ob das Ei aus Freilandhaltung oder aus Bodenhaltung stammt.
Nicht gefolgt werden kann der Beklagten auch insoweit, als sie darauf verweist, dass Eier aus Freilandhaltung jedenfalls den Kriterien entsprechen, die erfüllt sein müssen, damit Eier als „Eier aus Bodenhaltung" bezeichnet werden dürfen (und nicht als „Eier aus Käfighaltung" bezeichnet werden müssen). Dieses Argument wäre nur dann von Bedeutung, wenn es darum ginge, ob der Verbraucher irregeführt wird und ob gegen Kennzeichnungsvorschriften verstoßen wird, wenn Eier der höchsten Qualitätsklasse als solche einer niedrigeren Qualitätsklasse vermarktet werden. Für die - hier allein maßgebliche - Frage, ob der Kredit des Produzenten leidet, wenn aus seinem Unternehmen stammende Eier als solche einer niedrigeren Qualitätsklasse vermarktet werden, obwohl er ausschließlich Eier der höchsten Qualitätsklasse auf den Markt bringt, hat dies nichts zu tun.
Die Entscheidung hängt daher auch nicht von der von der Beklagten formulierten Frage ab, „ob Eier, die den Kriterien für 'Eier aus Freilandhaltung' gemäß der Verordnung (EG) Nr 2295/2003 entsprechen, als 'Eier aus Bodenhaltung' vermarktet werden dürfen". Für das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen fehlen damit die Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen; ihre Revisionsrekursbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
Fundstelle(n):
DAAAD-39698