OGH vom 27.08.2008, 7Ob153/08p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta A*****, vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Dieter F***** wegen Räumung, über den Rekurs des Beklagten, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 28/08k-10, mit dem die Berufung des Beklagten gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Montafon vom , GZ 1 C 561/07v-6, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über die Berufung zu entscheiden.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
2.) Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Über das Vermögen des Beklagten wurde mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , AZ 14 S 8/07z, das Konkursverfahren eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Mag. Bernd W*****, Rechtsanwalt in Bludenz, bestellt.
Mit am beim Erstgericht eingelangter Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Räumung einer im Obergeschoss eines Hauses in S***** gelegenen Wohnung. Sie habe im Zuge des Insolvenzverfahrens die betreffende Liegenschaft, dessen Eigentümer der Beklagte gewesen sei, gekauft. Der Beklagte weigere sich, die Wohnung, die er titellos benütze, zu räumen.
Die Räumungsklage und die Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung am wurden anstatt dem Beklagten - wie dies verfügt worden war - dem Masseverwalter zugestellt. Zur Tagsatzung am kam der Masseverwalter nicht, wohl aber erschienen der Beklagte und dessen Rechtsvertreter. Die Erstrichterin erörterte die Frage der passiven Klagslegitimation des Beklagten (als Gemeinschuldner), worauf die Klägerin durch ihre Rechtsanwältin die Richtigstellung der Bezeichnung der beklagten Partei auf den Masseverwalter und - da dieser nicht erschienen sei - die Fällung eines Versäumungsurteils beantragte.
Das Erstgericht erließ am antragsgemäß den Beschluss auf Berichtigung der Parteibezeichnung und unter einem das - in der Tagsatzung am vorbehaltene - Versäumungsurteil. Zur Berichtigung der Parteibezeichnung führte das Erstgericht aus, auch eine Räumungsklage betreffe prinzipiell das zur Konkursmasse gehörende Vermögen und sei daher gegen den Masseverwalter zu richten. Da es sich nicht um eine anmeldepflichtige Konkursforderung handle, sei die Änderung der Parteibezeichnung zulässig.
Mit rechtskräftigem Beschluss des Konkursgerichts vom wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Beklagten mangels Kostendeckung aufgehoben (14 S 8/07z des Landesgerichts Feldkirch). Danach erhob der Beklagte gegen das Versäumungsurteil Berufung, die vom Berufungsgericht zurückgewiesen wurde. Da die Berichtigung der Parteibezeichnung auf den Masseverwalter in Rechtskraft erwachsen sei, fehle dem Beklagten als Gemeinschuldner zur Erhebung der Berufung die Sach- und Prozesslegitimation.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Berufung zugelassen und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung aufgetragen werde; in eventu möge das Versäumungsurteil aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs, der ungeachtet des Umstands, dass er - offensichtlich aufgrund eines Schreib- oder Diktierfehlers - an das Oberlandesgericht Innsbruck gerichtet ist, über Verfügung des Rekursgerichts vom dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde (was zweifellos dem Willen des Rechtsvertreters des Rekurswerbers entspricht, dem als Anwalt nicht die Annahme unterstellt werden kann, das Oberlandesgericht sei für das Rechtsmittel zuständig), ist jedenfalls zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) und auch berechtigt.
Der Beklagte hat zwar ausdrücklich nur das Versäumungsurteil angefochten. Seine Ausführungen richten sich jedoch erkennbar auch gegen den Berichtigungsbeschluss, weshalb dieser entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Im Übrigen hätte aber auch die Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses an der Rechtsmittellegitimation des Beklagten nichts geändert: Erlangt doch nach § 59 KO ein Gemeinschuldner mit Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses die volle Verfügungsfähigkeit über sein Vermögen zurück und tritt anstelle des Masseverwalters in schwebende Prozesse ein (8 Ob 190/98v, ÖBA 2000/862, 322 = ZIK 2000/68, 57 ua). Auf die Tatsache der Konkursaufhebung und ihre Folgen ist in jeder Lage des Verfahrens - auch im Berufungs- und im Revisionsstadium - Bedacht zu nehmen (8 Ob 190/98v mwN).
Deshalb ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Legitimation des beklagten ehemaligen Gemeinschuldners zur Erhebung der Berufung gegen das Versäumungsurteil, die die Bekämpfung der Berichtigung der Parteibezeichnung einschließt, zu bejahen. Der Beklagte ist jedenfalls seit der Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses (wieder) Prozesspartei. Prozesshandlungen können daher nur mehr von ihm oder gegen ihn vorgenommen werden (JBl 1978, 34 = VersE 796 ua).
Dem Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung ist daher Folge zu
geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Die Zurückweisung der von der Klägerin erstatteten Rekursbeantwortung beruht darauf, dass der Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, bloß einseitig ist (RIS-Justiz RS0043760; RS0098745; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 Rz 7 zu § 519; G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540]; 7 Ob 29/07a; aA Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 Rz 75 f zu § 519 und Rz 14 zu § 521a). Im Lichte der Verfahrensgarantien nach Art 6 MRK hat der Oberste Gerichtshof hievon nur dann Ausnahmen gemacht, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel von der Verwertung eines durch eine Partei beigebrachten Beweises abhing (7 Ob 190/07b mwN; RIS-Justiz RS0041857), was aber im vorliegenden Fall nicht zutrifft.
Fundstelle(n):
TAAAD-39697