OGH vom 07.12.1993, 5Ob560/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waldemar E*****, Maschinenwart, ***** Graz, N*****gasse 2, vertreten durch Dipl.Ing.Dr.Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Ingrid E*****, Kauffrau, ***** Fernitz, Dr.-H*****-Straße 6, vertreten durch Dr.Teja Kapsch, Rechtsanwältin in Graz, wegen restlich S 17.742,81 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 180/93-21, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 13 Cg 106/90-11, berichtigt mit Beschluß vom , GZ 13 Cg 106/90-13, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger hat im Zuge einer erbrechtlichen Auseinandersetzung mit seiner Schwester, der Beklagten, Schadenersatzansprüche wegen Verkürzung seines Pflichtteils geltend gemacht und folgendes Urteil begehrt:
Die beklagte Partei sei schuldig, zu Handen des Klagsvertreters den Betrag von S 100.000 samt 1,5 % kkm p.m. Verzugszinsen seit , wobei diese Verzugszinsen vierteljährlich im nachhinein zu den Quartalsterminen (31.März, 30.Juni, 30.September und 31.Dezember) zu berechnen und zum Kapital hinzuzuschlagen sind, zu bezahlen.
Nach einem Teilanerkenntnisurteil über S 50.000 samt 4 % Zinsen seit wurde die beklagte Partei mit Endurteil des Erstgerichtes vom schuldig erkannt, der klagenden Partei "den Betrag von S 50.000 samt 1,5 % kkm p.m. Verzugszinsen zu bezahlen". In der dagegen am zur Post gegeben Berufung beantragte die beklagte Partei, dem Klagebegehren "lediglich mit einem S 32.257,19 s.A. bestehenden Betrag Folge zu geben".
Offensichtlich durch diese Berufung wurde das Erstgericht darauf aufmerksam, daß der Spruch seines Urteils vom unvollständig ist. Es faßte daher am einen Berichtigungsbeschluß und gab dem Spruch seines Endurteils vom (unter Auslassung der Kostenentscheidung) folgende Fassung:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 50.000 samt 1,5 % Verzugszinsen kontokorrentmäßig per Monat seit aus S 100.000, wobei die Verzugszinsen vierteljährlich im nachhinein zu den Quartalsterminen (31.März, 30. Juni, 30.September und 31.Dezember) kontokorrentmäßig zu berechnen und zum Kapital hinzuzuschlagen sind, zu bezahlen."
Dieser Berichtigungsbeschluß wurde der beklagten Partei am zugestellt. Gleichzeitig sollte sie aufgefordert werden, die ihr zugekommene Ausfertigung des Endurteils zwecks Ersichtlichmachung der Berichtigung binnen 14 Tagen dem Gericht vorzulegen, doch ist zweifelhaft, ob ihr diese Aufforderung zugekommen ist.
Die Urschrift des erstgerichtlichen Endurteils vom (ON 11) wurde am richtiggestellt, nachdem der Berichtigungsbeschluß vom - mangels Anfechtung - in Rechtskraft erwachsen war. Dem Berufungsgericht lag daher bei der mündlichen Verhandlung über die Berufung der beklagten Partei am bereits die berichtigte Fassung des angefochtenen Endurteils vor.
Die von der Berufung betroffenen Teile des erstrichterlichen Urteils wurden in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesen. Daraufhin erstattete die beklagte Partei ihren Berufungsvortrag, ohne ihr Vorbringen oder ihre Rechtsmittelanträge zu ergänzen. Es wurde auch nicht gerügt, daß über das in berichtigter Fassung vorliegende Urteil des Erstgerichtes verhandelt wurde.
Mit Urteil vom bestätigte das Berufungsgericht das angefochtene Urteil. Dieser Entscheidung lag, wie dies auf S 4 der Urteilsausfertigung zum Ausdruck kommt, die Annahme zugrunde, daß die beklagte Partei vom Erstgericht zur Zahlung weiterer S 50.000 "samt den in der Klage begehrten Zinsen" verurteilt worden war. Das Berufungsurteil wurde der beklagten Partei am zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Am legte die beklagte Partei dem Erstgericht die ihr am zugekommene Ausfertigung des Endurteils vom vor und beantragte deren Berichtigung mit der Behauptung, daß eine diesbezügliche Aufforderung noch nicht ergangen sei. Als ihr dann am die berichtigte Ausfertigung des Endurteils vom zugestellt wurde, erhob sie dagegen neuerlich Berufung, und zwar mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren "lediglich mit einem Betrag von S 32.257,19 samt Zinsen seit Folge zu geben". Gleichzeitig stellte sie den Antrag, das zu 3 R 197/92 vom Oberlandesgericht Graz durchgeführte Berufungsverfahren einschließlich der ergangenen Entscheidung für nichtig (oder jedenfalls teilnichtig) zu erklären. Die diesbezügliche Berufungsschrift wurde dem Erstgericht am überreicht.
Das Berufungsgericht wies dieses Rechtsmittel als sowohl unzulässig als auch verspätet zurück. Seine Entscheidungsgründe lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß die Zustellung der berichtigten Ausfertigung des Endurteils vom keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt habe, weil der beklagten Partei von Anfang an habe klar sein müssen, daß das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze stattgeben wollte und sie daher zur Zahlung der im Klagebegehren angeführten Zinsen verurteilt wurde. Damit erweise sich die Berufung als verspätet. Sie sei darüber hinaus aber auch unzulässig, weil das angefochtene Urteil bereits in Rechtskraft erwachsen sei. Überdies dürfe gegen ein Urteil grundsätzlich nur eine Berufungsschrift eingebracht werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob es der Beklagten wegen der besonderen Lage des Falles (Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nach Einbringung der Berufung) möglich gewesen wäre, innerhalb der gegen den Berichtigungsbeschluß offenstehenden Rechtsmittelfrist oder einer gedachten Berufungsfrist von 4 Wochen ihr Rechtsmittel in Ansehung des Zinsenbegehrens näher zu konkretisieren.
Im nunmehr vorliegenden Rekurs macht die beklagte Partei geltend, daß sie die Wirkungen des Endurteils vom erst mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung am gegen sich gelten lassen müsse. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung vom bereits das jetzt angefochtene Urteil war. Das Berufungsgericht habe sich mit den das Zinsenbegehren betreffenden Rechtsfragen auch gar nicht auseinandergesetzt. Der Entscheidungswille des Erstgerichtes hinsichtlich der Zinsen sei zwar schon durch den Berichtigungsbeschluß vom hervorgekommen, doch komme es für den Lauf einer neuen Rechtsmittelfrist nicht auf diesen Beschluß, sondern auf die Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung an. Der Rekursantrag geht dahin, das zu 3 R 197/92 beim Oberlandesgericht Graz durchgeführte Berufungsverfahren für nichtig oder teilnichtig zu erklären und dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung über die Berufung vom aufzutragen.
Der Rekurs ist im Hinblick auf § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, daß im Falle der beantragten oder von Amts wegen verfügten Berichtigung des Urteils die Rechtsmittelfristen grundsätzlich erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung beginnen (E 24 zu § 419 ZPO, MGA14) und daß daran auch die vorherige Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nichts zu ändern vermag (3 Ob 598/87 mit ausdrücklicher Ablehnung der in RZ 1983, 47/5 veröffentlichten gegenteiligen Entscheidung). Ebenso mag zutreffen, daß der Entscheidungswille des Erstgerichtes hinsichtlich der Zinsen aus der noch unberichtigten Ausfertigung des Endurteils vom nicht so eindeutig hervorging, wie das Berufungsgericht annimmt, da allein schon der fehlende Beginn des Zinsenlaufs und die verabsäumte Akkordierung mit dem Teilanerkenntnisurteil über S 50.000 samt 4 % Zinsen seit (ON 4) zu Zweifeln Anlaß gaben (vgl. 8 Ob 201/74). Auf diese Rechtsfragen kommt es im gegenständlichen Fall jedoch gar nicht an.
Auszugehen ist davon, daß das Berufungsgericht am über genau jenes Urteil verhandelte und entschied, das die beklagte Partei jetzt erneut mit Berufung anficht. Daß dies möglicherweise in Verletzung von Verfahrensvorschriften geschah, die - der Wertung der §§ 405, 498 Abs 1 ZPO folgend - eine Beschränkung des Verhandlungs- und Entscheidungsgegenstandes auf die Überprüfung des Ersturteils in der den Parteien zugestellten unberichtigten Fassung verlangt hätten, kann nicht mehr aufgegriffen werden, weil das Berufungsurteil (und damit auch das Ersturteil in der berichtigten Fassung) in Rechtskraft erwachsen ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, richtete sich daher die am eingebrachte Berufung gegen eine bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung. Die Zurückweisung des Rechtsmittels erfolgte aus diesem Grund zu Recht.
Fundstelle(n):
FAAAD-39654