OGH vom 11.07.2008, 3Ob139/08z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert Lorenz P*****, vertreten durch Plankel, Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Gernot L***** & Co, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Einwendungen gegen einen betriebenen Unterlassungsanspruch, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 176/07b-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom , GZ 3 C 17/07y-5, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei verworfen wird. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.606,28 EUR (darin 267,28 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses sowie die mit 2.131,36 EUR (darin 355,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
In dem im Jahr 1999 zwischen den Parteien geschlossenen Syndikatsvertrag wurde folgende Schiedsvereinbarung geschlossen:
„Alle Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag, einschließlich von Streitigkeiten über das gültige Zustandekommen, über die Verletzung, Auflösung oder Nichtigkeit dieses Vertrages, werden unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein entsprechend den Bestimmungen dieses Vertrages eingerichtetes Schiedsgericht endgültig entschieden ... ."
Der Kläger ist aufgrund eines Schiedsspruchs vom in Österreich, in allen EU-Mitgliedstaaten und weiteren an Österreich angrenzenden Staaten zur Unterlassung verpflichtet, „im Geschäftszweig der E***** AG (Erzeugung von und Handel mit Naturprodukten, insbesondere solchen, die auf der Grundlage des biologischen Landbaus hergestellt werden, sowie die Vermittlung von Geschäften über Naturprodukte) Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung zu machen oder sich bei irgendeiner anderen Gesellschaft im Geschäftszweig der E***** AG als persönlich haftender Gesellschafter oder mit einer Kapitalbeteiligung welcher Art auch immer unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen oder eine Stelle als Geschäftsführungsorgan, Kontrollorgan oder Berater zu bekleiden". Zur Durchsetzung der Unterlassungsverpflichtung wurde am zu AZ 1 E 5960/05g des Bezirksgerichts Kitzbühel die Exekution bewilligt. In der Folge ergingen Strafbeschlüsse.
Mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage stellte der Kläger folgende Urteilsbegehren:
„1) Den Einwendungen des Klägers, dass er dem Schiedsspruch vom nicht zuwidergehandelt hat, mithin die Voraussetzungen für die Bewilligung der Vollzugsanträge ON 17 bis ON 24 jeweils zu 1 E 5960/05g des Bezirksgerichtes Kitzbühel nicht vorliegen, wird Folge gegeben. Der mit den Beschlüssen des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom , und , GZ 1 E 5960/05g, bewilligte Vollzug der Exekution ist unzulässig.
2) Den Einwendungen des Klägers, dass der Syndikatsvertrag vom samt Nachträgen vom Kläger aus wichtigem Grund aufgehoben wurde, mithin der von der beklagten Partei zu 1 E 5960/05g BG Kitzbühel exekutiv betriebene Unterlassungsanspruch erloschen ist, wird Folge gegeben. Der von der beklagten Partei zu 1 E 5960/05g BG Kitzbühel exekutiv betriebene Unterlassungsanspruch ist erloschen. Die Bewilligung der Vollzugsanträge ON 17 bis ON 24 jeweils zu 1 E 5960/05g BG Kitzbühel ist daher unzulässig."
Nach der Klageerzählung habe der Kläger dem Exekutionstitel nicht zuwider gehandelt. Er habe mit Schreiben vom den Syndikatsvertrag aus wichtigen Gründen aufgehoben. Der Kläger sei daher nicht mehr an das Wettbewerbsverbot des Schiedsspruchs gebunden.
Das Erstgericht erklärte zu P 2. der Klage seine Unzuständigkeit und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Die Schiedsklausel des Syndikatsvertrags unterstelle auch Streitigkeiten um die Auflösung des Vertrags der Schiedsgerichtsbarkeit. Der Kläger mache einerseits Einwendungen nach § 35 EO geltend, dass der der Exekution zugrunde liegende Anspruch erloschen sei, und andererseits Einwendungen nach § 36 EO, wonach er dem Exekutionstitel nicht zuwidergehandelt habe. Über letztere Einwendungen sei in diesem Verfahren noch zu verhandeln. Über die Frage, ob der der Exekutionsführung zugrunde liegende Anspruch erloschen sei, sei das Gericht nicht zuständig. Darüber werde ein Schiedsverfahren durchzuführen sein. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Von der Zuständigkeitsnorm des § 35 Abs 2 EO abweichende Parteienvereinbarungen seien nach Maßgabe des § 104 Abs 1 Z 2 JN zulässig, weil § 51 EO über die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände der Exekutionsordnung auf die sich aus Anlass eines Exekutionsverfahrens ergebenden Prozess4 nach den §§ 35 ff EO nicht anzuwenden sei. Die Schiedsfähigkeit einer Rechtsstreitigkeit sei nunmehr nach der durch das Schiedsrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl I 2006/7 geschaffenen Rechtslage nach § 582 ZPO zu beurteilen, wonach jeder vermögensrechtliche Anspruch, über den von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden sei, Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein könne. Hier sei aber wegen des offenkundig schon vor dem geschlossenen Schiedsvertrags noch die Bestimmung des § 577 Abs 1 ZPO alt anzuwenden. Danach sei die objektive Schiedsfähigkeit an die Vergleichsfähigkeit geknüpft. Zur alten Rechtslage sei im Schrifttum die Auffassung vertreten worden, dass Schiedsverträge über exekutionsrechtliche Klagen nach den §§ 35 bis 37 EO ausgeschlossen seien, weil es in diesen Fällen um die Beseitigung eines Hoheitsakts bzw die Einwirkung auf einen Hoheitsakt gehe. Die Rechtskraft einer Entscheidung sei grundsätzlich der Parteiendisposition entzogen. Dieser Argumentation könne sich das Rekursgericht aber nicht anschließen. Mit der Oppositionsklage werde eine Änderung des Sachverhalts geltend gemacht, die nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sei. Das verfolgte Rechtsschutzziel der Oppositionsklage sei sowohl die Feststellung des Erlöschens bzw der Hemmung des Anspruchs als auch die Unzulässigerklärung jeglicher Zwangsvollstreckung aus dem Exekutionstitel. Mit einem stattgebenden Urteil werde in die Rechtskraft des Exekutionstitels nicht eingegriffen. Eine Schiedsvereinbarung sei daher zulässig und wirksam. Dies werde zur neuen Rechtslage nach § 582 ZPO im Schrifttum auch vertreten. Die Entscheidung über das Urteilsbegehren, der Anspruch sei wegen Auflösung des Syndikatsvertrags erloschen, sei den ordentlichen Gerichten entzogen. Das Oppositionsbegehren sei richtigerweise zurückgewiesen worden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von den angeführten Lehrmeinungen abgewichen sei und eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.
Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger, der Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei nicht stattzugeben. Die beklagte Partei beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Rechtsfrage der sachlichen Unzuständigkeit des Gerichts über ein Oppositionsbegehren aus dem Grund einer Schiedsvereinbarung der Parteien keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt. I.1. Das Rekursgericht hat zutreffend und unbekämpft ausgeführt, dass nach Lehre und Rechtsprechung die Bestimmung des § 51 EO über die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände der EO und die Wirkungslosigkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen der Parteien nicht für die aus Anlass eines Exekutionsverfahrens eingeleiteten Prozesse gilt (RIS-Justiz RS0001485; Jakusch in Angst, EO2, § 35 Rz 82; Fucik in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 51 Rz 1; Heller/Berger/Stix, EO4, 607).
Eine Schiedsgerichtsvereinbarung bewirkt nicht die Unzulässigkeit des Rechtswegs, sondern nur die verzichtbare sachliche Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichts, die mit Unzuständigkeitseinrede geltend zu machen ist (RIS-Justiz RS0039844; RS0039817).
2. Die danach grundsätzlich zu bejahende Zulässigkeit einer Schiedsvereinbarung und die deswegen gegebene Unzuständigkeit des mit Oppositionsklage angerufenen ordentlichen Gerichts wird im Schrifttum aber zur hier anzuwendenden alten Rechtslage nach § 577 ZPO verneint (Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze², § 1 JN Rz 36; Hausmaninger in Fasching aaO § 582 ZPO Rz 4). Die mit den exekutionsrechtlichen Klagen verfolgten Ansprüche seien nicht schiedsfähig, weil es dabei um die Beseitigung der einer Parteiendisposition entzogenen Rechtskraft gehe (Hausmaninger aaO Rz 45) bzw um die Einwirkung auf einen Hoheitsakt (Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit, 113; Zeiler, Schiedsverfahren, § 582 ZPO Rz 15).
II. Der den Lehrmeinungen entgegenstehenden rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts kann nicht zugestimmt werden:
1. Wohl trifft es zu, dass das prozessuale Ziel der Klage nach § 35 EO iSd in der Rechtsprechung und überwiegenden Lehre vertretenen Kombinationstheorie in der Feststellung des Erlöschens des titulierten Anspruchs und der Unzulässigerklärung der Exekution, und zwar der Anlassexekution und aller künftiger Exekutionen, besteht (RIS-Justiz RS0001674; Jakusch aaO § 35 Rz 3 mwN). Die Oppositionsklage greift daher nicht in die Rechtskraft des Exekutionstitels ein (Jakusch aaO Rz 2). Ihr Gegenstand ist nicht die Richtigkeit und Gültigkeit des Exekutionstitels (Jakusch aaO Rz 5). Der Exekutionstitel wird mit einem stattgebenden Urteil auch nicht mit Wirkung ex tunc beseitigt. Dass ein solches Urteil aber als Einwirkung auf einen Hoheitsakt qualifiziert werden kann und muss, ergibt sich schon aus dem angeführten prozessualen Ziel der Unzulässigerklärung auch der Anlassexekution. Diese mit dem Feststellungsanspruch untrennbar verbundene Rechtsgestaltungswirkung in Ansehung des Vollstreckungsanspruchs spricht gegen die objektive Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands einer Oppositionsklage. Gemäß § 577 Abs 1 ZPO alt ist eine Schiedsvereinbarung nur über einen vergleichsfähigen Prozessgegenstand zulässig. Die Zulässigkeit einer Exekutionsführung wegen einer nach Entstehung des Exekutionstitels geänderten Sachlage ist kein der Parteiendisposition unterliegender Gegenstand, weil damit die Aufhebung von gerichtlichen Verfahrensschritten erzielt werden soll. Fasching vertrat schon in der ersten Auflage seines Kommentars (Bd. IV, 721) die Ansicht, wonach es den Parteien zwar nicht verwehrt ist, „bezüglich der rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der nachträglichen Veränderung des Sachverhalts nach Eintritt der Rechtskraft ergeben, ein Schiedsverfahren zu vereinbaren (etwa für die Feststellung, dass der Titelanspruch erloschen sei); das bedeutet aber nicht, dass ein solcher Schiedsspruch eine Oppositionsklage ersetzen könnte". Dieser Ansicht ist zu folgen.
Die Parteien können also für die Feststellung eines Oppositionsgrunds die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbaren, weil die Feststellung der materiellen Rechtslage über das Erlöschen des Anspruchs durchaus vergleichsfähig ist, nicht aber für die Entscheidung über den Vollstreckungsanspruch, dass die Exekution unzulässig ist. Darüber kann nur ein ordentliches Gericht entscheiden.
III. Konsequenz dieser Rechtslage ist bei der vorliegenden Schiedsvereinbarung, wonach das Schiedsgericht vereinbarungsgemäß auch zur Entscheidung über die Auflösung des Syndikatsvertrags zuständig ist, dass vor Anhängigkeit eines Schiedsverfahrens über den Feststellungsanspruch und vor Ergehen eines Schiedsspruchs das ordentliche Gericht für eine Oppositionsklage zuständig ist. Nur der Feststellungsanspruch über das Erlöschen des betriebenen Anspruchs, nicht aber der aus diesem Feststellungsanspruch und dem Anspruch auf Unzulässigerklärung der Exekution bestehende Streitgegenstand einer Oppositionsklage ist iSd § 577 Abs 1 ZPO alt schiedsfähig. Die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei ist aus den dargelegten Gründen zu verwerfen. Das Erstgericht wird über das Oppositionsbegehren meritorisch zu entscheiden haben. Die Entscheidung über die Kosten des im Zwischenstreit obsiegenden Klägers beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Für das Verfahren erster Instanz waren keine Kosten zuzusprechen, weil das Erstgericht über die Unzuständigkeitseinrede gemeinsam mit der Hauptsache verhandelt hat.