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OGH vom 08.11.2001, 6Ob209/01f

OGH vom 08.11.2001, 6Ob209/01f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der E***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in *****, wegen Vorlage eines Jahresabschlusses zum , über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Wolfgang W***** und Franz N*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 245/00f-15, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 1 Fr 4406/99p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revisionsrekurs und der Antrag der Revisionsrekurswerber auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Firmenbuchgericht forderte mit Beschluss vom "den/die Geschäftsführer" der Gesellschaft mbH auf, den Jahresabschluss zum und das Formblatt für die Bekanntgabe der Größenmerkmale der Gesellschaft (§ 277 Abs 4 HGB) binnen vier Wochen einzureichen, widrigens über jeden Geschäftsführer gemäß § 283 HGB eine Zwangsstrafe von 10.000 S verhängt werde. Ein Fristerstreckungsantrag der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer wurde vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen, Anträge der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer, § 277 Abs 1 und 4 HGB idFd EU-GesRÄG 1996 als verfassungswidrig aufzuheben, wurden vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zurückgewiesen. Nachdem die zuletzt gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, verhängte das Firmenbuchgericht über beide Geschäftsführer die angedrohten Zwangsstrafen von je 10.000 S und forderte sie neuerlich auf, den Jahresabschluss zum vorzulegen, widrigens über jeden Geschäftsführer eine weitere Zwangsstrafe von 50.000 S verhängt und der Beschluss über die Verhängung auf Kosten der Gesellschaft im Bekanntmachungsblatt veröffentlicht werde. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Nach dem Aktenstand reichte die Gesellschaft am , zeitlich somit nach dem erstinstanzlichen, aber noch vor dem zweitinstanzlichen Beschluss, die "Bilanzunterlagen" zum beim Firmenbuchgericht ein.

Rechtliche Beurteilung

Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RIS-Justiz RS0110629).

a) Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer beiden Geschäftsführer ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österr. handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH; vor allem der Entscheidung vom , Slg. 1997 I-6843 - Daihatsu = EuZW 1998, 45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN; RIS-Justiz RS0113282). Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s = ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157 u. a.). Eine Nachholung der Offenlegung erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.

Auf die Frage des (auch) strafrechtlichen (repressiven oder punitiven) Charakters der Zwangsstrafe nach § 283 HGB braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rechtsmittelwerber führen nur allgemein aus, nach der Entscheidung des VfGH - gemeint die Beschlüsse der Zl. G 60/99, vom , Zl. G 61/99 u.a. und vom , Zl. G 156, 157/99 - käme der Zwangsstrafe nach § 283 HGB kein punitiver Charakter zu. Eine abschließende Stellungnahme dazu erübrigt sich hier, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem Punitivcharakter der Zwangsstrafe kann sich in einem solchen Fall erst bei ihrer Einbringung stellen. Erst dann kann geprüft werden, ob die bereits verhängte Zwangsstrafe zu vollziehen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

b) Über den im Rechtsmittel in eventu gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, wird das Firmenbuchgericht zu entscheiden haben.

c) Die neben dem Rechtsmitttelantrag neuerlich gestellte Anregung ist nicht aufzugreifen, der formelle Antrag zurückzuweisen (6 Ob 54/01m = RdW 2001, 598 u.a.).

Fundstelle(n):
ZAAAD-39536