OGH vom 03.11.1982, 1Ob739/82
Norm
Kopf
SZ 55/165
Spruch
Die Erbserklärung des Nachkommen desjenigen, der eine Erbschaft ausschlug, ist zu Gericht anzunehmen und führt bei Fehlen widerstreitender Erbserklärungen zur Einantwortung des Nachlasses. Im Verlassenschaftsverfahren kommt der Finanzprokuratur als Vertreterin des Heimfallsärars keine Parteistellung zu
(LGZ Wien 43 R 503/82; BG Fünfhaus 2 A 297/81)
Text
Der am verstorbene Oskar R war ledig und kinderlos. Eine letztwillige Verfügung wurde nicht vorgefunden. Als gesetzliche Erben kamen in erster Linie seine Schwester Olga W und seine Halbschwester Hermine B in Betracht. Diese erklärten am , ohne hiefür ihr Motiv anzugeben, daß sie die Erbschaft vorbehaltlos und unwiderruflich ausschlagen. Diese Erklärungen wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom zur Kenntnis genommen; es wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt und das Ediktalverfahren nach §§ 128, 133 AußStrG eingeleitet. Die Frist endete am .
Am gab Brigitta K, eine Tochter der Hermine B zum gesamten Nachlaß die unbedingte Erbserklärung ab.
Das Erstgericht wies diese Erbserklärung zurück. Die Erbsentschlagung der Hermine B erstrecke sich in analoger Anwendung des § 551 ABGB auch auf ihre Nachkommen.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der erblasserischen Nichte Brigitta K Folge; es nahm die auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung an. Eine analoge Anwendung des § 551 ABGB auf Erbsentschlagungen sei unzulässig. Abkömmlinge übten ihr Eintrittsrecht kraft eigenen Rechtes aus. Eine Erbsentschlagung könne daher auf die Nachkommen des zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Erben keine Wirkung haben.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Finanzprokuratur zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Voraussetzung für die Parteistellung der Finanzprokuratur als Vertreterin des Heimfallsärars im Abhandlungsverfahren ist der vom Gericht anerkannte Mangel eines Erbberechtigten. Ob eine Verlassenschaft erblos ist, hat allein das Gericht zu beurteilen. Solange es, selbst nach Durchführung des Verfahrens gemäß § 128 AußStrG, die Voraussetzungen für eine Erbloserklärung nicht für gegeben erachtet, ist es der Finanzprokuratur verwehrt, durch Anträge oder Rechtsmittel in das Verfahren einzugreifen und auf eine für sie günstige Lösung dieser Frage hinzuwirken. Unter diesem Gesichtspunkt wurde in der Rechtsprechung bereits wiederholt ein Rekursrecht der Finanzprokuratur gegen Beschlüsse, mit denen eine Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde und ein Erbrecht als ausgewiesen erachtet wurde, verneint (SZ 46/130; EvBl. 1967/363; JBl. 1964, 517; 4 Ob 553/79; 5 Ob 615/781 Ob 595/77 ua.). Dem Fiskus bleibt es unbenommen, seine Ansprüche im ordentlichen Rechtsweg mit einer der Erbschaftsklage nachgebildeten Heimfälligkeitsklage geltend zu machen (SZ 46/130; JBl. 1964, 517; SZ 37/30). Auch in der Entscheidung 7 Ob 655/76 wurde diese Rechtsprechung, wie schon in der Entscheidung 1 Ob 595/77 ausführlich dargelegt wurde, nicht verlassen.
Es kann aber auch nicht gesagt werden, daß das Rekursgericht die von der Tochter der erblasserischen Halbschwester abgegebene Erbserklärung hätte zurückweisen müssen.
Nur solche Erbserklärungen, die überhaupt nicht zu einer Einantwortung des Nachlasses führen können, sind schon vom Verlassenschaftsgericht zurückzuweisen (EFSlg. 32 671; SZ 47/65; SZ 44/72 uva.). Eine Tochter einer Halbschwester des Verstorbenen geht den Abkömmlingen der dritten Parentel vor (§ 737 ABGB; Weiß in Klang[2] III 753; Ehrenzweig[2] II/2, 386 f.). Brigitta K gehört daher zum Kreis der gesetzlich Erbberechtigten. Ob die Vorschrift des § 551 ABGB analog auf die Fälle einer während des Verlassenschaftsverfahrens abgegebenen Erbsentschlagung anzuwenden ist, wird in der Lehre unterschiedlich beantwortet. Gschnitzer, Erbrecht 53; Wolff, Grundriß[4], 364 und Ehrenzweig[2] II/2, 384 befürworten eine analoge Anwendung des § 551 ABGB auf die Fälle einer Erbsentschlagung. Ehrenzweig aaO 385 meint allerdings nur, daß im Zweifel die Beschränkung einer Ausschlagung auf die Person des Ausschlagenden nicht anzunehmen sei. Weiß in Klang[2] III 998 vertritt hingegen die Auffassung, eine solche Auslegung widerstreite der Billigkeit und dem Grundsatz, daß niemand berechtigt sei, in die Rechtssphäre eines anderen eigenmächtig einzugreifen. Die analoge Anwendung des § 551 ABGB vernachlässige auch den in der dritten Teilnovelle normierten Grundsatz, daß ein Repräsentationsrecht auch dann bestehen könne, wenn der Vorberechtigte noch lebe (§§ 541, 780 ABGB). Koziol - Welser II vertreten in der 5. Aufl., 317 die Ansicht, daß eine analoge Anwendung des § 551 ABGB auf die Entschlagung abzulehnen sei, weil § 551 ABGB schon in seinem ursprünglichen Anwendungsbereich nur auf den Verzicht gegen Entgelt zugeschnitten sei (vgl. Beilagen 78 HH 21. Session 83 f.); in der 6. Aufl., 327 bezeichnen sie die Lösung dieser Frage allerdings als strittig; eine analoge Anwendung des § 551 ABGB sei jedoch eher zu verneinen, weil diese Vorschrift schon für ihren direkten Anwendungsbereich problematisch sei. Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform 26, lehnt eine analoge Anwendung des § 551 ABGB auf die Fälle der Erbsentschlagung grundsätzlich ab. Die Interpretation von Koziol - Welser[5] II aaO und Weiß aaO entspreche der Lehre vom formellen Eintrittsrecht, wonach gesetzliche Erben jeweils kraft eigenen Rechtes aus Verwandtschaft oder Ehe zur Erbfolge nach dem Erblasser gelangen. Der von Fall zu Fall anders vermischten Interessenlage könnte nur die dem sich Entschlagenden eingeräumte Autonomie gerecht werden, die Wirkungen seiner Erklärung im konkreten Fall auf seine Nachkommenschaft auszudehnen; beim heutigen Verständnis der familienrechtlichen Elternstellung und bei der objektiven Wertung und Einschätzung der Zugehörigkeit von Nachkommen zur gleichen Linie der Eltern nach dem Erblasser vor der nachrangigen Linie müsse es jedoch mehr als zweifelhaft bleiben, ob Eltern durch Ausschlagung der Erbschaft über das gesetzliche Erbrecht ihrer Kinder verfügen dürfen.
Eccher, Die Wirkung der Erbsentschlagung auf die Nachkommen, NZ 1982, 20 ff., geht davon aus, daß ein einheitliches und durchgehendes Prinzip über die Ausgestaltung des Eintrittsrechtes nach dem Recht der dritten Teilnovelle nicht bestehe. Das Gesetz regle vielmehr die in diesem Zusammenhang auftretenden Interessenkollisionen einmal iS des formellen (§§ 541, 780 ABGB), einmal iS des materiellen Repräsentationsprinzips (§ 551 ABGB). Der Ansicht Zemens aaO könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Erbe durch Rechtshandlungen wie Erbschaftskauf, Erbschaftsschenkung, Verschenken oder Verkauf einzelner geerbter Gegenstände nach der Einantwortung für seine Nachkommen wirtschaftlich nachteilige Handlungen setzen könne, ohne daß es dabei ihrer Zustimmung bedürfe. Seien die Wirkungen der Erbsentschlagung auf die Nachkommen weder von einer bestimmten Ausprägung des Eintrittsrechtes vorherbestimmt noch wegen einer gebotenen Rücksichtnahme auf eine fremde Rechtssphäre auf die Person des Ausschlagenden einzuschränken, könne sich der Wille des Ausschlagenden grundsätzlich frei entfalten. Der Ausschlagende bestimme also autonom, ob durch seine Erklärung seine Nachkommen begünstigt werden sollen oder nicht, sei es, daß er einen anderen positiv begünstigen will oder nur negativ den Willen äußere, daß seine Nachkommen vom Erbrecht ausgeschlossen sein sollten. Im Wege der Auslegung sei daher zu ermitteln, ob der Ausschlagende den Willen gehabt habe, daß die Entschlagung auch seine Deszendenten erfassen solle. Dabei werde es maßgeblich auf die der Entschlagung zugrunde liegende Motivationslage ankommen. Liege der reale Hintergrund für die Entschlagung des Erben in einer erhaltenen Abfindung, könne das gefundene Ergebnis auch mit Analogie zu § 551 ABGB abgestützt werden; die Auslegungsregel, wonach der Erbverzicht im Zweifel auf die Nachkommen wirke, finde ihre sachliche Rechtfertigung eben darin, daß der Erbverzicht gegen Entgelt geschlossen worden sei. Anderes habe aber zu gelten, wenn die Entschlagung einem Gebot der Billigkeit entsprochen habe, so, wenn sich der Erstberufene wegen bestimmter Ereignisse in der Vergangenheit moralisch nicht berechtigt gehalten habe, die Erbschaft anzunehmen. Hier sei die Interessenlage ähnlich wie im Falle der Erbunwürdigkeit nach § 541 ABGB, ein Eintrittsrecht der Kinder des sich Entschlagenen also zu bejahen. Andere Interessenlagen würden wiederum vorliegen bei Entschlagung wegen Vereinfachung der Auseinandersetzung, bei Entschlagung wegen Überschuldung des Erben und bei Verzicht eines Vorfahrens. Habe der ausschlagende Erbe keinen Willen dahin geäußert, ob das Freiwerden seiner Erbquote seinen Nachkommen zugute kommen solle oder nicht, sei seine Erklärung nach den Umständen des Falles und den vom Ausschlagenden verfolgten Zielsetzungen auszulegen.
Der wohl herrschenden Auffassung, die eine analoge Anwendung des § 551 ABGB dahin, daß sich die Erbsentschlagung stets oder doch im Zweifel auch auf die Nachkommenschaft auswirke, ablehnt, ist beizutreten. Der Gesetzgeber der dritten Teilnovelle ging davon aus, daß die Regelung des § 551 ABGB zweiter Satz der Absicht der Kontrahenten entspreche, da der Verzicht regelmäßig gegen Entgelt stattfinde. Gleiche Erwägungen müssen, wie Eccher aaO an einleuchtenden Beispielen darlegte, bei einer - einseitigen - Erbsentschlagung keineswegs maßgebend sein. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 551 ABGB auf die Erbsentschlagung sind daher nicht gegeben, jedenfalls dann nicht, wenn Nachkommen nicht ausdrücklich in die Erbsentschlagungserklärung miteinbezogen wurden. Die Erbserklärung eines Nachkommen des Ausschlagenden ist daher zu Gericht anzunehmen und führt, liegen keine widerstreitenden Erbserklärungen vor, zur Einantwortung des Nachlasses an ihn. Nur im Wege der Heimfallsklage könnte vom Fiskus allenfalls der Beweis angetreten werden, daß sich die Entschlagung der in erster Linie berufenen Geschwister auch auf ihre Nachkommen erstrecken sollte.