OGH vom 23.09.2013, 4Ob130/13s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj N***** H*****, geboren am *****, wegen Obsorge, infolge Rekurses des Jugendwohlfahrsträgers Land Kärnten, Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan, St. Veit an der Glan, Marktstraße 15, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 4 R 11/13d-12, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Bestimmung der Gebühren der Sachverständigen sowie der Auszahlungsanordnung als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch nach § 2 Abs 2 GEG dahingehend abgeändert, dass lediglich die Mutter M***** H***** dem Grunde nach verpflichtet wird, die vorläufig aus Amtsgeldern ausbezahlten Gebühren der Sachverständigen Dr. E***** B***** in Höhe von 1.122 EUR zu ersetzen; sie genießt Verfahrenshilfe.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Minderjährige ist außereheliche Tochter von M***** H***** (vormals H*****) und A***** S*****. Sie lebte nach Auflösung der Beziehung ihrer Eltern im September 2005 im Haushalt und in alleiniger Obsorge der Mutter und von März 2009 bis Ende Oktober 2011 bei Pflegeeltern, die sich erfolglos (ON 32) um die Übertragung der Obsorge auf sie bemühten. Aufgrund des Beschlusses vom (ON 15) kam die Obsorge dem Land Kärnten als Jugendwohlfahrtsträger zu.
Am beantragten die Pflegeeltern neuerlich die Übertragung der Obsorge auf sie. Am wurde die Pflegebewilligung der Pflegeeltern wegen fehlender Kooperationsbereitschaft mit der Schule und dem Jugendamt widerrufen. Ab befand sich die Minderjährige in einem SOS-Kinderdorf (ON 39). Am beantragte die Mutter, ihr die Obsorge zu übertragen (ON 100).
Das Erstgericht wies die Anträge der Pflegeeltern und der Mutter auf Übertragung der Obsorge und den Antrag der Mutter auf Einräumung eines unbegleiteten Besuchsrechts ab (ON 112). Diese Entscheidung bekämpfte die Mutter mit Rekurs (ON 116).
Das Rekursgericht führte eine Beweiswiederholung durch, in deren Zuge auch die vom Erstgericht mit der Gutachtenserstattung beauftragte Sachverständige in einer Verhandlung am zu ihrem vor dem Erstgericht erstatteten Gutachten vom befragt wurde. Für die Teilnahme an der Verhandlung vom verzeichnete die Sachverständige Gebühren von 1.122 EUR.
Das Rekursgericht gab sodann in der Sache mit Beschluss vom dem Rekurs der Mutter Folge, entzog die Obsorge für die Minderjährige dem Jugendwohlfahrtsträger Land Kärnten und übertrug sie der Mutter, bei der die Minderjährige nunmehr wieder lebt.
Mit dem angefochtenen Gebührenbeschluss vom bestimmte das Rekursgericht funktional als Erstgericht die Gebühr der Sachverständigen antragsgemäß mit 1.122 EUR (Punkt 1.) und sprach gemäß § 2 Abs 2 GEG aus, dass der Jugendwohlfahrtsträger Land Kärnten und die Mutter diese unbeschadet der ihr gewährten Verfahrenshilfe für die mit diesem Beschluss bestimmten Sachverständigengebühren dem Bund gegenüber je zur Hälfte hafteten (Punkt 3.); das Rekursgericht sprach weiter aus, dass gegen diesen Beschluss der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Beim Ausspruch gemäß § 2 Abs 2 GEG sei davon auszugehen, dass einerseits die Gebührenhaftung der antragstellenden Mutter im Sinne des § 2 Abs 1 GEG klar auf der Hand liege, aber andererseits dem Jugendwohlfahrtsträger als Obsorgeträger Parteistellung zukomme und er durch seine im Verfahren eingenommene Rechtsposition jedenfalls ein nicht unbeträchtliches Interesse an der Einholung des Sachverständigenbeweises gehabt habe. Bei einer solchen Interessenlage hafteten der Obsorgeträger und die eine neue Entscheidung verlangende Mutter je zur Hälfte für die anerlaufenen Sachverständigenkosten.
Gegen den Ausspruch zu Punkt 3. richtet sich der Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers mit dem Antrag, ihm „die Kosten für die Sachverständigengebühren nicht“ aufzuerlegen.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Rekurs ist zulässig.
1.1. § 2 Abs 2 GEG lautet: „Sind in bürgerlichen Rechtssachen die Kosten einer Amtshandlung, die den Betrag von 300 Euro übersteigen, aus Amtsgeldern zu berichtigen oder berichtigt worden, so hat das erkennende Gericht (der Vorsitzende) mit der Auszahlungsanweisung oder, wenn die Auszahlung nicht vom Richter angeordnet wird, unverzüglich nach dieser Anweisung mit gesondertem Beschluss dem Grunde nach zu bestimmen, welche Partei in welchem Umfang diese Kosten nach Abs 1 zu ersetzen hat. Gegen diesen Beschluss ist der Rekurs zulässig.“
1.2. Gemäß § 41 Abs 1 erster Satz GebAG 1975 idF BGBl 1994/623 kann jeder Beschluss, mit dem eine Sachverständigengebühr bestimmt wird, in Zivilsachen mit Rekurs an den übergeordneten Gerichtshof angefochten werden. Damit ist nunmehr der Beschluss eines Gerichts zweiter Instanz, mit dem es die Gebühren eines gerichtlichen Sachverständigen funktionell als Erstgericht bestimmte, ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage und des Werts des Entscheidungsgegenstands in der Hauptsache anfechtbar. Ein Gebührenbestimmungsbeschluss des Rekursgerichts fällt nicht unter die Rechtsmittelausschlüsse gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO und § 62 Abs 2 Z 3 AußStrG (= § 14 Abs 2 Z 3 AußStrG aF; RIS-Justiz RS0114330 [T2], RS0017171 [T10]). Die ältere gegenteilige Rechtsprechung ist überholt ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 528 ZPO Rz 178).
1.3. Diese Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung im Zivilprozess allerdings nicht für andere Beschlüsse der Gerichte zweiter Instanz in erstgerichtlicher Funktion, die einen Konnex mit Gebührenfragen haben (vgl 2 Ob 236/97p zu einem Beschluss gemäß § 2 Abs 2 GEG).
1.4. Für das Außerstreitverfahren wird im Schrifttum hingegen vertreten, dass alle Beschlüsse, die das Rekursgericht funktionell als erste Instanz fasste, nach der allgemeinen Regel des § 45 AußStrG mit Rekurs anfechtbar sind ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 528 ZPO Rz 178 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 62 Abs 1 AußStrG und die Absicht des Gesetzgebers nach den ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 54; so im Ergebnis auch Fucik/Kloiber , AußStrG § 45 Rz 3, und Klicka in Rechberger , AußStrG² § 62 Rz 1, wonach „Beschlüsse des Gerichtes erster Instanz“ auch Beschlüsse des übergeordneten Gerichts sind, wenn dieses funktionell als erste Instanz tätig wird).
1.5. Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung, wonach der Rekurs gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch das Rekursgericht im Außerstreitverfahren unabhängig von deren Höhe oder vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist (RIS Justiz RS0121603).
1.6. Der Senat erkennt aufgrund des engen Sachzusammenhangs beider Materien keine Rechtfertigung dafür, in der Frage der Anfechtbarkeit eines von einem Gericht zweiter Instanz funktionell als Erstgericht gefassten Beschlusses im Außerstreitverfahren danach zu unterscheiden, ob damit eine Sachverständigengebühr gemäß § 41 Abs 1 GebAG bestimmt oder über eine Kostenersatzpflicht nach § 2 Abs 2 GEG abgesprochen worden ist. Auch der Wortlaut der beiden genannten Normen spricht für eine Gleichbehandlung. Die zur alten Rechtslage vor dem (Inkrafttreten des AußStrG 2005) ergangene gegenteilige Rechtsprechung, die im Außerstreitverfahren die Anfechtbarkeit eines nach § 2 Abs 2 GEG gefassten Beschlusses des Rekursgerichts verneint (2 Ob 236/97; 1 Ob 234/01w; ohne nähere Begründung unzutreffend diese alte Rechtslage fortschreibend 1 Ob 65/10f und 6 Ob 267/11z), ist damit überholt.
2. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
2.1. Wurden Sachverständigengebühren aus Amtsgeldern berichtigt, so hat das Gericht bei Beträgen über 300 EUR einen Grundsatzbeschluss über die Kostentragungspflicht zu fassen. Mit diesem Beschluss wird über die grundsätzliche Kostentragungspflicht dem Bund gegenüber abgesprochen.
2.2. Werden Sachverständigengebühren aus Amtsgeldern berichtigt, so sind diese Kosten gemäß § 2 GEG dem Bund von der Partei zu ersetzen, die „nach den bestehenden Vorschriften“ hierzu verpflichtet ist.
2.3. Im Verfahren außer Streitsachen kommt eine analoge Anwendung des § 40 Abs 1 ZPO nicht in Betracht. Soweit nicht für eine bestimmte Verfahrensart eine „bestehende Vorschrift“ besteht, haften daher die Parteien nach den Grundsätzen des § 2 GEG (RV 366 BlgNR 16. GP, abgedruckt bei Wais/Dokalik , Die Gerichtsgebühren 10 378).
2.4. In Verfahren über die Obsorge und die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr findet kein Kostenersatz statt (§ 107 Abs 3 AußStrG). Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind aus Amtsgeldern berichtigte Sachverständigengebühren daher von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde (§ 2 Abs 1 dritter Satz GEG). Beide Tatbestandsmerkmale gelten alternativ (so auch VwGH 87/17/0270 = ÖJZ 1990/86 F), sodass die Kostenersatzpflicht eines Beteiligten greift, wenn auch nur eines von ihnen zutrifft.
3.1. Zutreffend hat das Rekursgericht die grundsätzliche Gebührenhaftung der Mutter nicht in Frage gestellt. Sie hat eine Änderung der bestehenden Obsorgeregelung angestrebt und zunächst durch ihren Antrag, sodann durch ihr Rechtsmittel jenes Rekursverfahren ausgelöst, in dem (durch Beweiswiederholung vor dem Rekursgericht) die zunächst aus Amtsgeldern berichtigten Sachverständigengebühren aufgelaufen sind.
3.2. Das Rekursgericht hat allerdings auch dem Jugendwohlfahrtsträger eine Mithaftung deshalb auferlegt, weil ihm als Obsorgeträger Parteistellung zukomme und er durch seine im Verfahren eingenommene Rechtsposition jedenfalls ein nicht unbeträchtliches Interesse an der Einholung des Sachverständigenbeweises gehabt habe. Dem ist nicht zuzustimmen.
3.3. Der von der bekämpften Entscheidung betroffene Jugendwohlfahrtsträger hat die zu entlohnende Tätigkeit der Sachverständigen im Rekursverfahren nicht veranlasst , sondern erfüllt in dem von der Mutter eingeleiteten Verfahren seinen gesetzlichen Auftrag zum Schutz gefährdeter Kinder. Auch die dem Verfahren vorangegangene Übertragung der Obsorge auf den Jugendwohlfahrtsträger wurde allein durch das Verhalten der Eltern bzw eines Elternteiles ausgelöst, das sein Einschreiten notwendig gemacht hat.
3.4. Das Tätigwerden der Sachverständigen lag auch nicht im eigenen Interesse des Jugendwohlfahrtsträgers. Ihm wurde zwar die Obsorge für die Minderjährige übertragen, er hat aber im Obsorgeverfahren von Gesetzes wegen anders als leibliche Eltern allein die Interessen des Kindes zu wahren.
4. Der Rechtsmittelwerber erfüllt damit keines der beiden Zurechnungskriterien des § 2 Abs 2 GEG, das einen Ausspruch seiner (Mit-)Haftung für den Ersatz der vorläufig aus Amtsgeldern berichtigten Kosten rechtfertigen könnte. Dem Rekurs ist deshalb Folge zu geben und der angefochtene Grundsatzbeschluss dahin abzuändern, dass lediglich die Mutter dem Grunde nach verpflichtet wird, die vorläufig aus Amtsgeldern ausbezahlten Gebühren der Sachverständigen zu ersetzen.