OGH 22.01.2020, 7Ob150/19p
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** KG, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** LTD, *****, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 6.176,77 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 22 R 113/19b-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 13 C 1191/18a-14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht sprach in seinem bestätigenden Beschluss aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es zum Verhältnis zwischen Art 31 CMR und Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012 keine höchstgerichtliche Judikatur vorgefunden habe und dieser Frage aufgrund der unzähligen von der Klägerin auf die gleiche Art und Weise abgeschlossenen Frachtverträge über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
1. Die Vorinstanzen und die Parteien sind übereinstimmend und zutreffend von der Anwendbarkeit der CMR ausgegangen. Nach Art 41 CMR sind Vereinbarungen, soweit diese von den Bestimmungen der CMR abweichen, nichtig (
RS0049343 [T2]). Wird ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart, so widerspricht die Vereinbarung nur insofern den CMR, als die in Art 31 Abs 1 CMR genannten Gerichtsstände ausgeschlossen werden, nicht aber insofern, als ein zusätzlicher (Wahl-)Gerichtsstand vereinbart wird (7 Ob 194/08t EvBl 2009/68 [krit Garber]).
2. Welche Form eine Gerichtsstandsvereinbarung haben muss, ist in der CMR nicht geregelt. Diese Lücke ist durch Rückgriff auf das nationale Recht (lex fori) zu schließen (7 Ob 194/08t). Insoweit gehen die Vorinstanzen und die Parteien wiederum übereinstimmend und zutreffend von der Anwendbarkeit der EuGVVO 2012 aus.
3. Nach Art 25 Abs 1 EuGVVO 2012 muss eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen werden a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.
4.1. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln sind eng auszulegen (RS0114604 [T1]). Die für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung unerlässliche Willenseinigung zwischen den Parteien ist von der Partei zu beweisen, die sich auf die zuständigkeitsbegründende Klausel beruft (RS0114192). Ob dieser Nachweis gelungen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0114192 [T3]). Es liegt daher insoweit nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz eine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO vor (RS0117156 [T5]; RS0004131).
4.2. Im vorliegenden Fall haben die Parteien sämtliche Frachtverträge telefonisch vereinbart. Die Voraussetzung der Schriftlichkeit nach der 1. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 ist daher nicht erfüllt.
4.3. Sofern bei den telefonischen Vereinbarungen ein Gerichtsstand überhaupt thematisiert worden sein sollte, was den erstgerichtlichen Feststellungen allerdings nicht zu entnehmen ist, könnte der später übermittelte Ladeauftrag eine schriftliche Bestätigung im Sinn der 2. Alternative des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 sein. Der darin enthaltene pauschale Hinweis auf die (in deutscher Sprache verfasste) „Ladungsvereinbarungen“ weist aber weder konkret auf eine darin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung hin noch ist diese Landungsvereinbarung in der ausschließlich englischen Verhandlungssprache verfasst (vgl RS0113570 [T8]). Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen – übereinstimmenden – Parteiwillen erkannten, die Klägerin durch eine Gerichtsstandsvereinbarung zu begünstigen, so hält sich diese Beurteilung des Einzelfalls im Rahmen der Rechtsprechung (vgl RS0113571 [insb T4; vgl auch T6]; RS0114193 [T2]).
4.4. Zu den Anforderungen des Art 25 Abs 1 lit b EuGVVO 2012 kann im Lichte bestehender Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass das wiederholte – jeweils nach Vertragsabschluss erfolgte – Versenden von Lieferscheinen und Rechnungen (hier: „Ladungsvereinbarungen“), die unter anderem auch eine Gerichtsstandsklausel aufweisen und im Rahmen einer länger andauernden Geschäftsbeziehung unbeanstandet gelassen wurden, noch keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründen, wenn – wie hier insbesondere aufgrund der abweichenden Verhandlungssprache – keine klar und deutlich zum Ausdruck kommende Willenseinigung zwischen den Parteien vorliegt (
RS0115074). Mit dieser Rechtsprechung stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang.
4.5. Die in Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012 geregelte Formalternative verzichtet nicht auf eine Willenseinigung der Vertragsparteien, vermutet aber eine solche, wenn in dem betreffenden Geschäftszweig ein Handelsbrauch über die Form der Gerichtsstandsvereinbarung besteht, den die Parteien kannten oder kennen müssen. Das Bestehen und die Branchenüblichkeit des Handelsbrauchs sind Tatfragen. Die (Behauptungs- und) Beweislast für ihr Vorliegen trifft die Klägerin, die sich darauf beruft (7 Ob 183/17p; 1 Ob 53/19d). Die Klägerin hat zwar im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass es in der Transportbranche dem Handelsbrauch entspreche, dass auftraggebende Hauptfrachtführer – wie hier die Klägerin – stets einen Gerichtsstand am Sitz des Unternehmens vereinbaren bzw in den Ladeaufträgen vorgeben. Daraus folgt aber noch nicht zugleich im Sinn des Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO 2012, dass die Beklagte einen solchen angeblichen Handelsbrauch, genauer die Übersendung nicht in der Verhandlungssprache verfasster „Ladevereinbarungen“ ohne deutlichen Hinweis auf eine darin vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung, kannte oder kennen musste und dass die Beteiligten im betreffenden Geschäftszweig eine solche Vorgangsweise allgemein kennen und regelmäßig beachten. Da insoweit schon ein ausreichendes erstinstanzliches Vorbringen der Klägerin fehlte (vgl 7 Ob 183/17p [Pkt 6.2]), stellt sich die Zulassungsfrage nicht und es übrigten sich dazu weitere Beweisaufnahmen durch das Erstgericht, sodass insoweit auch kein (rechtlicher) Verfahrensmangel vorliegen kann.
5.1. Die Klägerin zeigt insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf. Ihr Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen.
5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00150.19P.0122.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAD-39293