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OGH vom 01.09.2011, 1Ob152/11a

OGH vom 01.09.2011, 1Ob152/11a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Alois F*****, und 2.) Anna F*****, beide *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, Singerstraße 17 19, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 235/10g 70, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 14 C 267/08w 50, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 14 C 267/08w 53, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 818,66 EUR (darin enthalten 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 116, zu der das Grundstück 182/3 gehört. Die beklagte Partei ist Eigentümerin der davon östlich gelegenen Liegenschaft EZ 252, die unter anderem aus dem Grundstück 1569 besteht. Im Grenzbereich zwischen den Grundstücken 1569 und 182/3 verläuft der L*****bach, dessen linksseitiges Bachufer in der Natur im Wesentlichen die Grundstücksgrenze bildet. Dieser Bach ist öffentliches Gewässer (§ 1, § 2 Abs 1 lit c WRG) und Wildbacheinzugsgebiet. Nach Hochwässerschäden veranlasste die Wildbach und Lawinenverbauung, eine Dienststelle der beklagten Partei, die Sanierung und Erweiterung von Uferschutzbauten im Bereich des rechten Ufers (auf dem Grundstück der beklagten Partei). Strittig waren die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf das natürliche Fließverhalten und das rechte Bachufer (der Kläger).

Im zweiten Rechtsgang hielt das Berufungsgericht den auf die Unterlassung von Einwirkungen gerichteten Anspruch der Kläger für berechtigt. Es ließ die Revision zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr aufgrund zukünftiger Hochwasserereignisse zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen diesem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2.1 Der Oberste Gerichtshof legte in seinem, auch ihn bindenden ( Kodek in Rechberger 3 § 511 ZPO Rz 1 mwN) Aufhebungsbeschluss dar, dass nachteilige Einwirkungen (§ 413 ABGB) auf das Grundstück der Kläger durch eine Verengung des Wasserbettes, eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, geringere Abflusskapazitäten, höhere Wasserstände und eine höhere Belastung des natürlichen (linken) Ufers mit der Gefahr örtlicher Böschungserosionen im Hochwasserfall den erhobenen Unterlassungsanspruch rechtfertigen können (1 Ob 227/10d = RdU 2011/98, 155 [ Schlager ]). Diese Frage war auf Sachverhaltsebene noch zu klären, zumal die beklagte Partei behauptet hatte, ihre Hochwasserschutzmaßnahmen hätten das natürliche Fließverhalten zum Vorteil des Grundstücks der Kläger beeinflusst. Die Tatfrage der nachteiligen Auswirkungen der Hochwasserschutzmaßnahmen wurde nunmehr durch die vom Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang übernommenen Feststellungen des Erstgerichts abschließend zugunsten der Kläger geklärt.

2.2 Das gilt auch für die Frage einer Ersteingriffs oder Wiederholungsgefahr, deren Vorliegen die Revisionswerberin damit verneint, dass die bloße theoretische Möglichkeit einer Begehung nicht genüge, sondern eine ernstlich drohende und unmittelbar vorstehende Gefahr erstmaliger Begehung nötig sei. Auch zu diesem Thema hat der Oberste Gerichtshof im zitierten Aufhebungsbeschluss Stellung genommen, in dem er auf die (nach den Feststellungen nunmehr zu bejahende) verstärkte Belastung des linken Ufers und die Gefahr von Bodenerosionen im Zuge von Hochwassern sowie auf das Vorliegen eines fortdauernden Zustands verwies. Dieser fortdauernde Zustand wurde bereits durch den Eingriff in das natürliche Fließverhalten im Zusammenhang mit den damit verbundenen bereits genannten Auswirkungen (insbesondere Verengung des Wasserbettes, Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, höherer Wasserstand sowie erhöhte Belastung des linken Ufers) geschaffen. Nach dem Standpunkt der beklagten Partei hätten die Kläger nur die Möglichkeit, auf ein bereits eingetretenes oder (bei Vorhersehbarkeit) knapp bevorstehendes Hochwasserereignis mit einer Unterlassungsklage (allenfalls verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) zu reagieren. Da sich die Änderung des Fließverhaltens kaum innerhalb kürzester Zeit rückgängig machen ließe, liegt auf der Hand, dass derartige Maßnahmen zu spät kämen und sinnlos wären.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 51 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.