OGH vom 22.01.2008, 4Ob220/07t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster und Mag. Dr. Angelika Tupy, Rechtsanwälte in Wien, wegen 100.000 EUR sA (Revisionsinteresse 72.600 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 137/07i-9, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte die Vorauszahlung eines Teils der zu erwartenden Kosten der Räumung einer der Beklagten zuvor untervermieteten Liegenschaft. Die Beklagte verweigere entgegen § 1109 ABGB bzw dem Bestandvertrag die Räumung der Liegenschaft von ihren Fahrnissen, somit die Wiederherstellung des Zustands vor Vermietung. Die Räumungskosten seien „als Schaden iSd § 1111 ABGB anzusehen".
Die Beklagte wendete ua ein, Ansprüche nach § 1111 ABGB seien verfristet.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der am überreichten Klage wegen Verfristung nach § 1111 ABGB bestätigt. Nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Räumungsfrist am sei die Räumungsexekution am durch Übergabe der Schlüssel zur Liegenschaft an die Vertreterin der Klägerin und Bestimmung der Klägerin zur Verwahrerin für die auf der Liegenschaft befindlichen restlichen Fahrnisse beendet worden. § 1111 ABGB betreffe auch Aufwendungen zur Entsorgung im Bestandobjekt zurückgelassener Fahrnisse. Ein Anspruch nach § 1042 ABGB setze eine (Vor-)Leistung der Klägerin voraus, die weder behauptet noch festgestellt worden sei.
Diese Entscheidung weicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 1111 ABGB und zur Beendigung einer Räumungsexekution nicht ab.
Rechtliche Beurteilung
1.1. § 1111 ABGB normiert eine verschuldensabhängige Haftung des Bestandnehmers für Beschädigung oder missbräuchliche Abnützung des Bestandobjekts und befristet die gerichtliche Geltendmachung darauf gestützter Ersatzansprüche mit einem Jahr ab Zurückstellung des Bestandobjekts. Lehre und Rechtsprechung sehen den Zweck dieser Norm übereinstimmend darin, dass nach Rückstellung des Bestandobjekts möglichst rasch endgültig geklärt werden solle, ob dem Bestandgeber Ansprüche wegen Beschädigung oder missbräuchlicher Abnützung der Bestandsache gegen den Bestandgeber zustehen. Die Norm stellt ausdrücklich auf alle Veränderungen des Bestandobjekts ab, die - aus der Sicht des Bestandgebers gesehen, dem das Bestandobjekt zurückzustellen ist - als Schaden zu beurteilen sind und gilt für alle Ersatzansprüche, die aus der Verletzung von Vertragsbestimmungen abgeleitet werden (4 Ob 258/98i = SZ 71/169 mwN).
1.2. Die Beklagte entsprach ihrer vertraglichen Verpflichtung, das Bestandobjekt spätestens bis geräumt zu übergeben, nicht, sondern ließ das Bestandobjekt in einem auch mit beweglichem Sondermüll verunreinigten Zustand zurück. Der mit Klage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz eines Teils des erforderlichen Aufwands für dessen Entfernung ist ein unter die Befristung des § 1111 ABGB fallender Ersatzanspruch.
2.1. Die Frist des § 1111 ABGB beginnt nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut mit der „Zurückstellung des Bestandstückes" zu laufen (4 Ob 1636/95). Im Fall einer Räumungsexekution muss auf den Zeitpunkt ihrer Beendigung abgestellt werden.
Eine Exekution durch zwangsweise Räumung ist mit der Einweisung der betreibenden Partei in den Besitz des zu übergebenden Mietgegenstands beendet. Der Exekutionsvollzug ist auch beendet, wenn - mit Zustimmung des Verpflichteten - bewegliche Sachen des Verpflichteten im geräumten Objekt zurückgeblieben sind (3 Ob 184/06i; siehe ferner RIS-Justiz RS0002120, RS0004453; Jakusch in Angst, EO, § 39 Rz 2 mwN [richtig aber statt MietSlg 27.752: LGZ Wien MietSlg 27.753]; Klicka in Angst aaO § 329 Rz 13). Wesentlich für die Beendigung der Räumungsexekution ist nach der Rechtsprechung auch das Einverständnis des Verpflichteten mit der Bestellung der betreibenden Partei zur Verwahrerin der von jenem auf dem ehemaligen Bestandobjekt zurückgelassenen beweglichen Sachen (3 Ob 108/94).
2.2. In Beurteilung der von den Tatsacheninstanzen zugrunde gelegten Feststellungen (die über den Inhalt des vom Vollstreckungsorgan verfassten Protokolls hinausgehen) bestand am der gerichtliche Wille, die Räumungsexekution durch Übergabe der Schlüssel zur Liegenschaft an den Vertreter der Klägerin und durch Bestimmung der Klägerin zur Verwahrerin für die auf der Liegenschaft verbliebenen restlichen Fahrnisse der Verpflichteten zu beenden. Einschränkungen, die eine Nichtbeendigung der Exekution nahelegen könnten - etwa dahin, die Klägerin sollte am genannten Tag noch nicht endgültig in den Besitz des zu übergebenden vormaligen Mietgegenstands eingewiesen werden -, wurden nicht festgestellt. Ein Vertreter der Verpflichteten war nach dem Inhalt des Vollstreckerberichts und des Protokolls über den Räumungsvollzug am anwesend und hat keine Einwendungen gegen die Bestellung der betreibenden Partei zur Verwahrerin erhoben; eine Vollzugsbeschwerde der Verpflichteten nach § 68 EO anlässlich des Vollzugs oder später gegen die Art der Durchführung des Vollzugs ist gleichfalls nicht aktenkundig. Damit war - den Grundsätzen der zuvor dargestellten Rechtsprechung folgend - die Exekution durch zwangsweise Räumung mit der Einweisung der betreibenden Parteien in den Besitz des zu übergebenden Mietgegenstandes am beendet.
3. Die von der Rechtsmittelwerberin als Stütze ihres Standpunkts herangezogene Entscheidung 3 Ob 131/84 (= JBl 1986, 257 [Pfersmann]) löst die Frage, ob die Übernahme eines vormaligen Bestandobjekts durch den Bestandgeber nach Beendigung des Bestandverhältnisses nach den Vorschriften über die Vornahme einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung zu erfolgen habe; sie ist nicht einschlägig. Die zuvor erörterten Besonderheiten einer Beendigung der Räumungsexekution nach § 349 EO waren dort nicht Entscheidungsgegenstand.