OGH vom 22.08.2019, 4Ob129/19b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Wien 8, Rathaus, vertreten durch DRASKOVITS UNGER Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. W*****GesmbH, *****, 2. M***** GmbH, *****, beide vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien wegen 223.195,38 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 67/19m-21, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin erbrachte für die Beklagte Bauleistungen, wobei dem Vertragsverhältnis die ÖNORM B 2110, modifiziert durch die „Allgemeinen Angebots- und Vertragsbestimmungen“ (AVB) zugrundelagen. Nach einer Klausel in Punkt 1.20 der AVB gilt (in Abänderung von 8.4.2 der ÖNORM B 2110) die Korrektur der Schlussrechnung als anerkannt, wenn der Auftragnehmer nicht binnen vier Wochen begründet Einspruch erhebt.
Die Klägerin begehrt für von ihr erbrachte Bauleistungen den sich aus ihrer Schlussrechnung ergebenden restlichen Betrag.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Verfristung des Zahlungsanspruchs ab. Das Berufungsgericht ließ es dabei offen, ob die von der Klägerin auf § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB gestützten Einwände gegen die Anwendbarkeit der referierten Verfallsfrist in Punkt 1.20 der AVB zutreffen. Selbst wenn man das zu Gunsten der Klägerin bejahe, könne sich die Beklagte jedenfalls auf den Ausschluss nachträglicher Forderungen durch Versäumnis der Erklärung eines Vorbehalts nach 8.4.2 der ÖNORM B 2110 berufen. Sie habe die Schlusszahlung exakt im Ausmaß des Ergebnisses ihrer Rechnungskorrektur geleistet, wobei diese Korrektur auch den Differenzbetrag nachvollziehbar hergeleitet habe. Es stehe aber nicht fest, dass der gebotene Vorbehalt der Klägerin innerhalb der dreimonatigen Frist nach Schlusszahlung der Beklagten zugegangen sei, was zu Lasten der Klägerin die Verfristung zur Folge habe.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen zeigt die in ihrer keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.1 Die Frage, ob aus der vom Auftraggeber vorgenommenen Korrektur der Schlussrechnung der Differenzbetrag nachvollziehbar hergeleitet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 209/11b). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt diesbezüglich nicht vor.
1.2 Entscheidend ist, dass für die Auftragnehmerin nachvollziehbar sein muss, wie die Auftraggeberin zum Differenzbetrag gelangt (8 Ob 109/04v). Die Übergabe einer mit den Korrekturen versehenen Rechnung ist ausreichend (8 Ob 84/05v, 7 Ob 208/07z).
1.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die von der Beklagten vorgenommene Reduzierung der verrechneten Stückzahl für die Sonderformate um 1.134 Stück (ohne Änderung des Stückpreises) die geforderte nachvollziehbare Herleitung des (später in dieser Höhe exakt beglichenen) Differenzbetrags aufweist, hält sich im Rahmen dieser Judikatur und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Die Reduktion von Mengenangaben kann jedenfalls vertretbar dahin verstanden werden, dass die verrechnete Leistung nach Ansicht des Auftraggebers nur in geringerem Umfang vertragskonform erbracht worden sei.
2. Auch der Hinweis, dass die Kommunikation über eine internetbasierte Projektplattform dem Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 widerspreche, wonach der Differenzbetrag (vom Auftraggeber) mit schriftlicher Bekanntgabe herzuleiten sei, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen, haben doch die Streitteile die Kommunikation unstrittigermaßen über die Projektplattform vereinbart (vgl RISJustiz RS0038673).
3. Entgegen den Rechtsmittelausführungen lässt sich aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung 3 Ob 157/13d für den Anlassfall nicht ableiten, dass die zwischen den Streitteilen (erst) nach Ablauf der Einspruchsfrist geführten Vergleichsverhandlungen Einfluss auf den Fristablauf bzw die Verfristung hatten. Vielmehr lag dieser Entscheidung der Umstand zugrunde, dass dort die Auftraggeberin der Auftragnehmerin noch vor dem Fristablauf einen Gesprächstermin angeboten hat und ihr vor Ablauf der Frist klar war, dass und warum die Auftragnehmerin auf den vollen Werklohn beharrte, woraus ein schlüssiger Verzicht der Auftraggeberin auf die Erhebung des Vorbehalts abgeleitet werden konnte. Für einen solchen Verzicht der Beklagten lassen sich aus dem hier vorliegenden Sachverhalt jedoch keine gesicherten Anhaltspunkte ableiten, auch ist weder behauptet noch festgestellt worden, dass die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten veranlasst wurde, keinen Vorbehalt innerhalb der Frist zu erklären. Abgesehen davon, dass der behauptete Widerspruch zur Entscheidung 3 Ob 157/13d schon wegen Unterschiede im zu beurteilenden Sachverhalt zu verneinen ist, ist die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen regelmäßig einzelfallbezogen und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0109021 [T5]).
Insgesamt zeigt die Revisionswerberin keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels auf, das daher als unzulässig zurückzuweisen ist. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00129.19B.0822.000 |
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Fundstelle(n):
FAAAD-39051