OGH vom 12.09.2006, 1Ob151/06x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian W*****, vertreten durch Newole Kienast Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Land Steiermark, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwältegesellschaft m. b. H. in Graz, und 2) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert 4.100 EUR), infolge von Rekursen der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 191/05f-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 20 Cg 45/05k-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
I. Dem Rekurs der erstbeklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das klageabweisende Ersturteil im Prozessrechtsverhältnis zwischen der klagenden und erstbeklagten Partei wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 582,96 EUR (darin 97,16 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 929,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer und 530 EUR Barauslagen) bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu zahlen. II. Der Rekurs der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung insoweit selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde 1948 geboren. Innerhalb des Familienverbands, in dem er aufwuchs, war sein Vater Raucher. Er wohnt in der Nähe einer viel befahrenen Grazer Durchzugsstraße. Bei einer Gesundenuntersuchung wurde eine Einschränkung der Kapazität seiner Lunge und ein leicht erhöhter Blutdruck festgestellt. Medikamente wurden nicht verschrieben, ihm wurde nur geraten, sich gesund zu ernähren und ausreichend Bewegung zu machen. Nicht feststellbar ist ein Gesundheitsschaden beim Kläger infolge einer Feinstaubbelastung. Seit dem darf die Feinstaub-PM10-Konzentration in der Luft den Tagesmittelwert von 50 µg/m³ nicht mehr als 30 Tage jährlich oder 40 µg/m³ pro Tag im Jahresmittel nicht überschreiten. Bei den Messstationen in Graz wurden folgende Überschreitungen des Grenzwerts an Feinstaubbelastung (50 µg/m³ als Tagesmittelwert) aufgezeichnet:
Graz-Nord: 2003 69 Tage, 2004 51 Tage, 2005 12 Tage.
Don Bosco: 2002 und 2003 je 137 Tage, 2004 119 Tage, 2005 26 Tage.
Graz-Mitte: 2002 101 Tage, 2003 132 Tage, 2004 87 Tage, 2005 26 Tage.
Graz-Ost: 2002 73 Tage, 2004 88 Tage.
Auf der Platte: 2004 7 Tage, 2005 5 Tage.
Graz-Süd: 2004 96 Tage, 2005 30 Tage.
Gestützt auf Amtshaftung, gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung und das Nachbarrecht begehrte der Kläger die Feststellung der solidarischen Haftung der beklagten Parteien für alle Schäden, die ihm dadurch „entstehen, dass es die Beklagten unterlassen (haben), Maßnahmen zu setzen oder Anordnungen in die Wege zu leiten, die Feinstaubbelastung in Graz nicht über die zulässigen Grenzwerte gemäß den Bestimmungen des IG-L und/oder der Richtlinie 1996/62/EG (PM10 Belastung von nicht mehr als max 50 µg/m³ im Tagesmittelwert über eine Dauer von nicht mehr als 30 Tagen/Jahr bzw von nicht mehr [als] max 40 µg/m³ [täglich] im Jahresmittelwert) steigen zu lassen"; hilfsweise begehrte er die Feststellung der Haftung der erstbeklagten Partei für alle Schäden, die ihm dadurch „entstehen, dass es die Erstbeklagte unterlassen hat/unterlässt, Maßnahmen zu setzen oder Anordnungen in die Wege zu leiten, die Feinstaubbelastung in Graz nicht über die zulässigen Grenzwerte gemäß den Bestimmungen des IG-L und/oder der Richtlinie 1996/62/EG (PM10 Belastung von nicht mehr als max 50 µg/m³ im Tagesmittelwert über eine Dauer von nicht mehr als 30 Tagen/Jahr bzw von nicht mehr [als] max 40 µg/m³ [täglich] im Jahresmittelwert) steigen zu lassen"; die zweitbeklagte Partei hafte ihm gleichfalls für alle Schäden, die ihm dadurch „entstehen, dass es die Zweitbeklagte unterlassen hat/unterlässt, Maßnahmen zu setzen oder Anordnungen in die Wege zu leiten, die Feinstaubbelastung in Graz" nicht über die zuvor beschriebenen zulässigen Grenzwerte „steigen zu lassen". Er brachte vor, Organe der beklagten Parteien hätten rechtswidrig und schuldhaft administrative Maßnahmen oder Anordnungen unterlassen, die Feinstaubbelastung in Graz unter den nach nationalem Recht und einschlägigen europarechtlichen Richtlinien maßgebenden Grenzwerten zu halten, obgleich ihnen die Gefährdung der Gesundheit von Personen als Konsequenz ihres Verhaltens bekannt sei. Jene Rechtsvorschriften seien Schutznormen. Das Klagebegehren diene der Erlangung präventiven Rechtsschutzes, obgleich noch nicht feststehe, wann und in welchem Ausmaß die überhöhte Feinstaubbelastung in seiner Person eine ernste gesundheitliche Beeinträchtigung verursachen werde. Möglicherweise habe er aber bereits einen Primärschaden erlitten. Er könne dies „aber (noch) nicht feststellen". Ein allfälliger Schaden wäre „noch nicht manifest", sondern läge „im Verborgenen" (ON 7 S. 5). Ein Feststellungsinteresse bestehe indes schon dann, wenn ein künftiger Schaden bloß drohe. Das den Klagegrund bildende Organverhalten verwirkliche überdies objektiv das Tatbild der §§ 180, 181 StGB. Die erstbeklagte Partei (Land Steiermark) wendete ein, bereits zahlreiche - über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende - Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung getroffen zu haben. Der Kläger führe nicht aus, auf Grund welcher behördlichen Maßnahmen und Vorkehrungen die Überschreitung der maßgebenden Grenzwerte an Feinstaubbelastung vermeidbar wäre. Es mangle somit an der Individualisierung eines rechtswidrigen Organverhaltens. Überdies fehle ein Kausalkonnex zwischen behaupteten Unterlassungen und einer Schädigung der Gesundheit des Klägers. Dieser habe ferner kein Feststellungsinteresse, weil ein Primärschaden jedenfalls noch nicht eingetreten sei. Das privatrechtliche Nachbarrecht betreffe nicht Einwirkungen aus hoheitlichem Verhalten.
Die zweitbeklagte Partei (Republik Österreich) wendete - abgesehen davon, dass sie sich das Vorbringen der erstbeklagten Partei zu Eigen machte - konkret selbst ein, der Kläger habe kein Feststellungsinteresse, weil es an einem Primärschaden mangle. Die theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts genüge nicht. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seien die erforderlichen Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung getroffen worden. Es fehle daher auch an einem schuldhaft rechtswidrigen Organverhalten.
Das Erstgericht wies das Haupt- und die Eventualklagebegehren ab. Der Kläger entbehre eines rechtlichen Interesses auf alsbaldige Feststellung nach § 228 ZPO. Der Erfolg eines Feststellungsbegehrens setze nach Amtshaftungsrecht einen bereits eingetretenen oder zumindest drohenden Schaden voraus. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Auch ein Staatshaftungsanspruch nach Gemeinschaftsrecht sei auf Grund der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Kriterien zu verneinen. Angesichts dessen sei die Frage nach einer zureichenden Konkretisierung des Organen der Vollziehung vorgeworfenen rechtswidrigen Verhaltens nicht mehr zu erörtern. Aus Anlass der Berufung hob das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil und das diesem vorangegangene Verfahren insoweit auf, als „der Anspruch auf eine unzureichende innerstaatliche gesetzgeberische Umsetzung" gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien gestützt wurde; in diesem Umfang wurde überdies die Klage rechtskräftig zurückgewiesen. Abgesehen davon hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache „zur Prüfung des auf die übrigen Rechtsgründe gestützten Klagsanspruchs" zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurück. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach dessen Ansicht ist die Anwendbarkeit nachbarrechtlicher Normen auf durch öffentliche Straßen verursachte Immissionen umstritten. Die Rechtsprechung lasse eine Untersagung von Immissionen wegen des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nicht zu, weil solche Einwirkungen weder der Grundeigentümer noch der Träger der Straßenbaulast, sondern die Straßenbenützer verursachten. „Die nicht allein von Straßenbenützern ausgehende Emittierung von Schadstoffen" - wie etwa die Streuung von Salz oder Rollsplitt - könne einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch dagegen als taugliche Stütze dienen. Ein Feststellungsbegehren könne schon wegen der Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts erfolgreich sein. Ein Feststellungsinteresse sei somit nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger in einem späteren Leistungsprozess nicht nur den Schadenseintritt, sondern - prima facie - auch den Kausalzusammenhang zwischen dem das Feststellungsurteil tragenden (potenziell) schädigenden Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beweisen müsse. Die beklagten Parteien hätten nicht bestritten, dass die Feinstaubbelastung in Graz die in gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien und im nationalen Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L) festgelegten Grenzwerte überschreite. Diese Grenzwerte könnten nur bedeuten, dass eine dieses Maß übersteigende Feinstaubbelastung der menschlichen Gesundheit schade oder diese zumindest gefährde. Ein Feststellungsinteresse des Klägers sei daher bereits deshalb zu bejahen, weil dessen Gesundheit durch eine Feinstaubbelastung in Überschreitung der erörterten Grenzwerte künftig Schaden nehmen könnte. Dabei handle es sich um mehr als eine bloß theoretische Möglichkeit. Da der Kläger seine Begehren als Mittel präventiven Rechtsschutzes bezeichnet und einen schon eingetretenen Schaden nicht behauptet habe, sei die Frage nach der Beweislast für den Kausalkonnex zwischen der „Feinstaubbelastung und einem (eingetretenen) Schaden" hier nicht zu lösen. Prima facie führe indes „das Einatmen von mit Schadstoffen eines bestimmten Ausmaßes belasteter Luft ... nach allgemeiner Lebenserfahrung ... zu einer gesundheitlichen Schädigung". Die vom Kläger behauptete Gesundheitsgefährdung könne aber auch auf anderen Ursachen - etwa dem Zusammenleben mit Rauchern oder einer anlagebedingten körperlichen Reaktion auf sonstige Luftverunreinigungen - beruhen. Trotz Bejahung eines Feststellungsinteresses seien die Klagebegehren noch nicht spruchreif, „weil Feststellungen über die (vorwiegend pauschal) erhobenen Vorwürfe über unterlassene 'Maßnahmen' in Vollziehung der Gesetze" fehlten „und vor allem das klägerische Vorbringen dazu erörterungsbedürftig" sei. Der Kläger, der für die Rechtswidrigkeit eines Organverhaltens behauptungs- und beweispflichtig sei, müsse im fortgesetzten Verfahren „seine Verschuldensvorwürfe ... gegenüber beiden Beklagten getrennt dahin" präzisieren, welche konkreten Maßnahmen deren Organe in Vollziehung des IG-L zwecks Beseitigung der Gefährdungslage nicht hätten unterlassen dürfen. Erst dann könnten die beklagten Parteien „zielführende Entlastungsbeweise überhaupt erst antreten". Soweit die Klagebegehren subsidiär auf das Nachbarrecht gestützt worden seien, mangle es an einem „Tatsachensubstrat"; diese seien daher auch insoweit erörterungsbedürftig. In der Folge seien auch „Feststellungen über die Definition von Feinstaub und über die von einer Feinstaubbelastung ausgehende Gesundheitsgefahr sowie die diesbezügliche Wahrscheinlichkeit von Gesundheitsschäden/-beeinträchtigungen" beim Kläger zu treffen. Die Aufhebungsentscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO ab, weil deren Bedeutung über den Anlassfall hinausreiche und diese Entscheidung weitreichende Folgen haben könne. Fasching (in Fasching/Konecny² III § 228 ZPO Rz 56 f) führe überdies gewichtige Bedenken „gegen die Feststellungsfähigkeit der Ersatzpflicht für künftige Schäden ohne einen bereits eingetretenen Primärschaden" ins Treffen, mit denen sich der Oberste Gerichtshof noch nicht auseinandergesetzt habe.
Rechtliche Beurteilung
Nur der Rekurs der erstbeklagten Partei ist zulässig; dieses Rechtsmittel ist auch berechtigt. Unzulässig ist dagegen der Rekurs der zweitbeklagten Partei.
A. Mangelnder Primärschaden - Feststellungsfähigkeit der Haftung für künftige Schäden
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das für den Erfolg einer Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen. Es muss spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung über die Klage vorliegen. Wird ein Feststellungsbegehren auf eine Schadenersatzpflicht gestützt, so muss in jenem Zeitpunkt allerdings nicht auch schon ein Primärschaden eingetreten sein; es genügt vielmehr die Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts (1 Ob 208/04a mwN). Diesfalls setzt die Bejahung eines Feststellungsinteresses jedoch die konkrete Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts voraus. Eine theoretisch mögliche künftige Schädigung auf dem Boden einer abstrakten Beurteilung reicht nicht. Eine solche Feststellungsklage kann deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung wegen eines konkreten und aktuellen Anlasses zur Vermeidung einer tatsächlichen ernstlichen Gefährdung der Rechtsposition der klagenden Partei geboten erscheint. Insofern muss sich der rechtserzeugende Sachverhalt vollständig konkretisiert haben. Abstrakte Rechtsfragen entziehen sich dagegen einer Lösung durch ein Feststellungsurteil (7 Ob 75/01g mwN). Wiederholt wurde überdies - in Erörterung einer Lehrmeinung Faschings (nunmehr zusammengefasst auch in Fasching/Konecny² III § 228 ZPO Rz 57 f) - ausgesprochen, dass die Bejahung der Feststellungsfähigkeit der Ersatzpflicht für künftig mögliche Schäden, selbst wenn ein Schaden bislang noch nicht eingetreten ist, der Prozessökonomie dient, „obwohl streng genommen ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis noch nicht" vorliege, aber der konkrete und aktuelle Anlass die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes erfordere (9 Ob 53/03i; 6 Ob 335/00h).
B. Zum Rekurs der erstbeklagten Partei
1. Das gesamte Klagevorbringen war Anlass für den Erstrichter, im Verhandlungstermin vom die Frage nach einem „Primärschaden", die „Präzisierung der einzelnen Verstöße" und die weitere Frage nach einem „in absehbarer Zeit" eintretenden Schaden als „Voraussetzung für eine Feststellungsklage" mit dem Kläger zu erörtern (ON 10 S. 3), nachdem bereits die beklagten Parteien die mangelnde Schlüssigkeit der Klagebegehren behauptet hatten. Was die Frage nach einem bereits eingetretenen Schaden betrifft, ist hervorzuheben, dass der Kläger in erster Instanz nicht behauptete, die Einschränkung der Kapazität seiner Lunge und sein leicht erhöhter Blutdruck seien Folgen der als Klagegrund herangezogenen Feinstaubbelastung der Grazer Luft.
2. Der Kläger rügte in der Berufung nicht etwa als Verfahrensmangel (siehe zu Abgrenzungsfragen Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 137 ff), dass die zuvor erwähnte Erörterung gemäß § 182a ZPO unzulänglich gewesen und eine Anleitung zur Vervollständigung ungenügenden Vorbringens gemäß § 182 ZPO - auch zur völlig unsubstanziiert behaupteten nachbarrechtlichen Anspruchsgrundlage - unterblieben sei. In diesem Kontext ist von Bedeutung, dass, wie die gerichtliche Erörterung der Klagebegehren im Verfahren erster Instanz und später auch das Ersturteil nahelegten, die Frage nach der Unvollständigkeit des Klagevorbringens aufgeworfen wird, wenn sich die vom Kläger in zweiter Instanz bekämpfte Ansicht zur Verneinung eines Feststellungsinteresses mangels eines wenigstens drohenden Schadens als unrichtig herausstellen sollte. Im Fall einer solchen Verfahrensrüge hätte der Rechtsmittelwerber überdies ausführen müssen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er im Fall einer zureichenden Erörterung und Anleitung erstattet hätte, hat doch das Rechtsmittelgericht zu prüfen, ob ein behaupteter Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken konnte (1 Ob 215/05g [Erörterungspflicht nach § 182a ZPO]; 1 Ob 284/01y = SZ 74/198 [Anleitungspflicht nach § 182 ZPO]; siehe ferner Zechner aaO IV/1 § 503 ZPO Rz 136 mwN).
3. Obgleich eine Verfahrensrüge - wie unter 2. erörtert - unterblieb, hob die zweite Instanz das Ersturteil auf, um dem Kläger die Schlüssigstellung der Klagebegehren durch eine Konkretisierung seines Vorbringens zu rechtswidrig unterlassenen Akten hoheitlicher Vollziehung durch Organe beider beklagten Parteien sowie zur nachbarrechtlichen Anspruchsbegründung zu ermöglichen. Von der Unschlüssigkeit der Klagebegehren auf Grund der Erwägungen des Berufungsgerichts ist im Rekursverfahren auszugehen, weil der Kläger den Aufhebungsbeschluss nicht bekämpfte. Angesichts dieser Sachlage rügt die erstbeklagte Partei zutreffend als wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens, dass die zweite Instanz dem Kläger von Amts wegen die Möglichkeit eröffnete, die für eine Schlüssigstellung der Klagebegehren erforderlichen Tatsachenbehauptungen im fortgesetzten Verfahren nachzutragen, obgleich im Berufungsverfahren eine Verletzung der §§ 182, 182a ZPO durch das Erstgericht - mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge - nicht angenommen werden durfte. Dieser Mangel bewirkte eine unrichtige Sachentscheidung, wäre doch das klageabweisende Ersturteil ausgehend von der Unschlüssigkeit der gegen die erstbeklagte Partei erhobenen Begehren und vor dem Hintergrund der zuvor erläuterten weiteren Voraussetzung zu bestätigen gewesen (siehe etwa RIS-Justiz RS0037161, RS0037166, RS0037407, RS0040872; Fasching in Fasching/Konecny² III § 226 ZPO Rz 94). Zu diesem Themenkreis nimmt der Kläger in seiner (umfangreichen) Rekursbeantwortung mit keinem Wort Stellung. Er dürfte sich daher dessen bewusst sein, dass der von der erstbeklagten Partei (auch) insofern angefochtene Aufhebungsbeschluss einer tauglichen Stütze entbehrt. Der dem Berufungsgericht unterlaufene Entscheidungsfehler muss gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO zur Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils im Prozessrechtsverhältnis des Klägers mit der erstbeklagten Partei führen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Als Bemessungsgrundlage dienten
4.100 EUR. Dabei handelt es sich um jenen Betrag, den die Vorinstanzen nach der Erklärung des Klägers im Verhandlungstermin vom (ON 10 S. 2) übereinstimmend als Streitwert unterstellten. Die für die Beurteilung der Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs erforderliche Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht, an der sich die erstbeklagte Partei in ihrem Verzeichnis der Rekurskosten offenkundig orientierte, ist für die Kostenbestimmung ohne Bedeutung.
C. Zum Rekurs der zweitbeklagten Partei
1. Der Bund rügte - anders als die erstbeklagte Partei - keinen Mangel des Berufungsverfahrens. Die unter B. 1. bis 3. behandelte Sachlage ist somit für das Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der zweitbeklagten Partei nicht von Belang. In deren Rekurs wird lediglich die Auffassung verfochten, ein Feststellungsinteresse des Klägers sei bereits deshalb zu verneinen, weil in dessen Person durch die Feinstaubbelastung der Grazer Luft noch kein Primärschaden eingetreten sei. Diese Ansicht ist durch die unter A. referierte Praxis des Obersten Gerichtshofs widerlegt. Unzutreffend ist daher die Auffassung, der Rekurs sei zulässig, „da nach der derzeitigen Gesetzeslage die Feststellungsfähigkeit der Ersatzpflicht für künftige Schäden, ohne dass überhaupt ein Primärschaden eingetreten" sei, „von der Rechtsprechung bisher nicht beantwortet" worden sei. Mit den Erwägungen des Berufungsgerichts über eine nicht bloß theoretisch mögliche künftige Schädigung der Gesundheit des Klägers infolge einer Toleranzgrenzen oft übersteigenden Feinstaubbelastung in der Grazer Luft setzt sich die zweitbeklagte Partei nicht auseinander. Soweit sie sich als Stütze für ihren Standpunkt auf die unter A. erörterte Lehrmeinung Faschings beruft, ist ihr zu entgegnen, dass der Oberste Gerichtshof dazu bereits Stellung nahm, ohne als Ergebnis dessen seine Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse im Fall der Behauptung einer Schadenersatzpflicht ohne einen bereits eingetretenen Primärschaden zu ändern. Somit hängt aber die Entscheidung über den Rekurs der zweitbeklagten Partei nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO ab. Der Rekurs ist demzufolge zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann (Zechner aaO § 519 ZPO Rz 106 mN aus der Rsp).
2. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger unterließ einen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Rekurses der zweitbeklagten Partei. Seine Rechtsmittelbeantwortung diente daher nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als Voraussetzung einer dem Prozessgegner aufzuerlegenden Kostenersatzpflicht.