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OGH vom 28.10.2009, 7Ob148/09d

OGH vom 28.10.2009, 7Ob148/09d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Wechselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrags, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 66/09d-20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 11 Cg 230/07g-16, infolge Berufung des Beklagten abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft in A*****, zu der das Waldgrundstück Nr 517 gehört. Die Klägerin behauptet, er habe ihr diese Waldparzelle um 115.000 EUR verkauft. Sie begehrt, den Beklagten zur grundbuchsmäßigen Fertigung des von einem Notar errichteten Kaufvertrags, hilfsweise zu sämtlichen Handlungen zu verpflichten, die für die grundbücherliche Durchführung der - mit Ausnahme von zwei Dienstbarkeiten, die mitzuübernehmen seien - lastenfreien Abschreibung des Waldgrundstücks und der Zuschreibung zu einer benachbarten Liegenschaft der Klägerin erforderlich seien.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Kaufvertrag sei nicht zustandegekommen.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Seine Sachverhaltsfeststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Im Mai 2007 verhandelte der Stiftungsvorstand der Klägerin Dr. Hans-Heinrich S***** mit dem Beklagten über den Verkauf des Waldgrundstücks. Man kam überein, dass zunächst jeder seine Preisvorstellung auf einem Zettel festhalten sollte, um dann die Vorschläge miteinander zu vergleichen. Es stellte sich heraus, dass der vom Beklagten für angemessen erachtete, notierte Kaufpreis 70.000 EUR, jener des Dr. S 120.000 EUR betrug. Der Beklagte erklärte daraufhin spontan, der Klägerin den Wald zu diesem höheren Preis zu verkaufen. Dr. S***** wies darauf hin, dass mit der Waldparzelle Grunddienstbarkeiten („Rechte") verbunden seien und erklärte, ohne Übertragung dieser Rechte nur 115.000 EUR bezahlen zu wollen. Der Beklagte möge den Notar H***** mit der Vertragserrichtung beauftragen. Daraufhin nahm der Beklagte mit Notarsubstitut Mag. H***** zwecks Errichtung des schriftlichen Kaufvertrags Kontakt auf. Mitte Juni erklärte er einem Mitarbeiter der Klägerin, dass er einen Termin beim genannten Notar vereinbart habe und das Waldgrundstück „ohne Rechte" um 115.000 EUR verkaufen werde. In diesem Sinn bestand beiderseitiger Abschlusswille. Der Beklagte ersuchte Mag. H*****, steuerliche Dinge mit seinem Steuerberater abzuklären. Dieser riet, dass der Beklagte den Kaufvertrag aus steuertechnischen Gründen erst frühestens im September 2007 unterschreiben solle. Mag. H***** erstellte anhand der ihm (allein) vom Beklagten gemachten Angaben einen Kaufvertragsentwurf mit einem „einvernehmlich vereinbarten" Kaufpreis von 115.000 EUR. Ausdrücklich ist darin auch festgehalten, dass mit der Liegenschaft verbundene Rechte und Mitgliedschaften nicht auf die Käuferin übergingen. Der Kaufvertrag wurde von Dr. S***** am unterfertigt. Der Beklagte hat den Vertrag bis heute nicht unterschrieben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, zwischen den Streitteilen habe völlige Klarheit über Kaufgegenstand und Kaufpreis geherrscht. Der Kaufvertrag sei bereits mündlich gültig zustandegekommen. Der Beklagte habe daher dem Klagebegehren zu entsprechen.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren abwies. Die Feststellungs- und Beweisrüge des Beklagten sei nicht berechtigt. Es komme allerdings der Rechtsrüge Berechtigung zu. Der Kaufvertrag sei nämlich noch nicht ausreichend determiniert gewesen. Es gebe nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass auch über die auf der Liegenschaft verbücherten Lasten gesprochen worden wäre. Die Klägerin habe zwar die Mitübertragung der zu C-LNr 2 und C-LNr 3 verbücherten Dienstbarkeiten, nicht aber auch die Mitübertragung des zu C-LNr 5 zugunsten der *****bank S***** im Höchstbetrag von 161.000 EUR verbücherten Pfandrechts begehrt, sondern insoweit Lastenfreiheit verlangt. Die „lastenfreie" Abschreibung der Waldparzelle betreffe einen essentiellen Bestandteil des Kaufvertrags. In der Berufung behauptete die Klägerin, die lastenfreie Abschreibung sei „jedenfalls konkludent" vereinbart worden. Es sei zwar möglich, dass der Beklagte das Waldgrundstück lastenfrei übertragen wollte. Ebensogut möglich sei aber auch das Gegenteil. Eine schlüssige Willenserklärung im Sinn des § 863 ABGB dahin, dass die Liegenschaft lastenfrei übertragen werden solle, liege daher nicht vor. Da es sich bei einer Disposition über mit der Liegenschaft verbundene Rechte und auf der Liegenschaft haftende Lasten um Geschäftsinhalte handle, die zu den Mindestanforderungen des Liegenschaftsverkaufs zählten (essentialia negotii), müssten die übereinstimmenden Willenserklärungen auch diese für den Geschäftsabschluss wesentlichen Umstände mitumfassen. Dem sei im Bezug auf „die Rechte", die mit der Liegenschaft verbunden seien, zwar entsprochen worden, nicht aber im Bezug auf die mit der Liegenschaft verbundenen Lasten; insbesondere sei eine Einigung bezüglich des auf der Liegenschaft verbücherten Pfandrechts zugunsten der *****bank S***** nicht zustandegekommen. Wenn es aber an einer diesbezüglichen Einigung fehle, bestehe Dissens, was zur Abweisung sowohl des Haupt- als auch des Eventualbegehrens führe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen seien.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Beklagte strebt mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung erkennbar an, dass die Revision entweder als unzulässig zurückgewiesen oder als unbegründet abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass - wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf den vorliegenden Fall österreichisches Sachrecht anzuwenden ist (Art 4 Abs 3 EVÜ).

Der bereits mit der Klage vorgelegte Kaufvertrag (Beilage ./B) enthält einen Grundbuchsauszug, aus dem ersichtlich ist, dass die Liegenschaft des Beklagten und damit auch die Waldparzelle nicht nur durch die im Klagebegehren erwähnten Dienstbarkeiten (C-LNr 2 und 3), sondern auch durch eine weitere Dienstbarkeit (C-LNr 1) und insbesondere auch durch ein Pfandrecht (Simultanhypothek) zugunsten der *****bank S***** regGenmbH im Höchstbetrag von 161.000 EUR (C-LNr 5) belastet ist. Aus der Kaufvertragsurkunde, auf die sich das Hauptbegehren der Klägerin bezieht, ergibt sich, dass diese Simultan-Höchstbetragshypothek von der Käuferin allerdings nicht mitzuübernehmen sei (vgl Punkte IV. [„Mit Ausnahme der das kaufgegenständliche Grundstück in C-LNr 2 und 3 belastenden Dienstbarkeiten erfolgen die Übergabe und Übernahme frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, ..."] und VIII. [„... im Übrigen lastenfreie Abschreibung ..."]). Die Klägerin hat dazu in der Klage wiederholt behauptet, „dass der Inhalt des Kaufvertrags nicht strittig ist". Weiters hat sie in der Klage vorgebracht, der Kaufvertrag sei (entsprechend der mündlichen Vereinbarung) vom Notar „tatsächlich ausgefertigt, besprochen ..." worden. Die Klägerin hat (auch) zu diesem Vorbringen neben der Kaufvertragsurkunde Beilage ./B zwei Zeugen, darunter den Notar und die Vernehmung der Parteien als Beweis angeboten. Der Beklagte hat zur Kaufvertragsurkunde Beilage ./B die Erklärung abgegeben: „Urkunde echt, zur Richtigkeit wird auf das eigene Vorbringen verwiesen".

Ob das Grundstück, wie von der Klägerin unter Hinweis auf den Inhalt der Kaufvertragsurkunde also schlüssig behauptet, mit oder hingegen ohne die genannten weiteren Belastungen an die Klägerin übertragen werden sollte, wurde in erster Instanz nicht erörtert und es wurden dazu auch keine Beweise aufgenommen. Sieht man, wie das Berufungsgericht im Anschluss an oberstgerichtliche Judikatur (GlUNF 3724; SZ 3/44; 2 Ob 57/58 RZ 1958, 104; 8 Ob 314/66 RZ 1968, 53; 5 Ob 4/82 JBl 1984, 315), eine Willenseinigung der Parteien über das Fortbestehen, die Übernahme oder Löschung einer Hypothek als wesentliches Erfordernis eines Kaufvertrags über eine Liegenschaft an, blieb damit ein entscheidender Punkt unbeachtet. Wesentlich ist die Frage, ob hinsichtlich der Kaufliegenschaft eine Lastenfreistellung erfolgen sollte oder nicht. Aber auch dann, wenn man - wie im Schrifttum überwiegend vertreten (Binder in Schwimann, ABGB3 IV, § 1054 Rz 29; Aicher in Rummel3, § 1054 ABGB Rz 2 ua) - dies nicht zu den essentialia negotii des Liegenschafts-(ver-)kaufs zählte, änderte diese nichts, weil dispositive Bestimmungen bestehen: Zufolge §§ 443, 928 Satz 1 ABGB hat der Erwerber mangels Vereinbarung die in den öffentlichen Büchern eingetragenen Lasten ohne Anrechnung auf den Kaufpreis zu übernehmen (vgl Binder aaO).

Die Klägerin räumt in der Revision ein, dass eine ausdrückliche Vereinbarung der Lastenfreistellung fehle, behauptet aber eine konkludente Vereinbarung und nennt Indizien dafür, insbesondere eine entsprechende Beauftragung des Notars durch den Beklagten. Mangels entsprechender Feststellungen kann allerdings die Frage, ob eine konkludente Vereinbarung der Lastenfreistellung anzunehmen ist oder nicht, nicht verlässlich beurteilt werden. Das Verfahren ist daher noch ergänzungsbedürftig.

Dies träfe auch dann zu, wenn man den bloßen Verweis auf die Kaufvertragsurkunde samt der - vom Beklagten unspezifisch bestrittenen - Behauptung, deren Inhalt sei unstrittig, nicht als ausreichendes Vorbringen einer konkludenten Vereinbarung der Lastenfreistellung ansehen wollte. Dann wäre nämlich das jeweils auf „lastenfreie" Abtretung der Waldparzelle gerichtete Haupt- und Eventualbegehren unschlüssig geblieben. Ein unschlüssiges Klagebegehren ist aber nach ständiger Rechtsprechung erst dann abzuweisen, wenn der Kläger erfolglos zur Verdeutlichung oder Ergänzung des Tatsachenvorbringens angehalten wurde (Schragel in Fasching/Konecny2 II/2 §§ 182, 182a Rz 11 mwN). Da dies im vorliegenden Fall nicht geschah, wären auch dann sowohl das erst- als auch das zweitinstanzliche Verfahren mangelhaft geblieben. Der Klägerin wäre nach Erörterung Gelegenheit zu geben gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen, um ihr auf lastenfreie Übertragung der Waldparzelle zielendes Klagebegehren schlüssig zu begründen.

Das Erstgericht wird daher im aufgezeigten Sinn die Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und nach entsprechender Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.