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OGH 19.08.2021, 5Ob130/21k

OGH 19.08.2021, 5Ob130/21k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F* B*, 2. M* B*, beide vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin G* S.P.A., *, Italien, vertreten durch Mag. Andrea Moser, Rechtsanwältin in Graz, wegen 195.721 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien (Revisionsinteresse 97.860,55 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 37/21t-45, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Eine Aufklärungspflicht besteht in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (RIS-Justiz RS0106641, RS0016390, RS0014820, RS0014811); so etwa, wenn diesem ein Schaden droht (RS0014811 [T5]).

[2] 1.2. Beim Kaufvertrag entstammt die Pflicht zur Aufklärung über mögliche Gefahren der schon vor Vertragsabschluss bestehenden Interessenwahrungspflicht. Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht richten sich dabei nach der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstands und nach dem vorauszusetzenden Wissensstand des Käufers, somit nach den Umständen des Einzelfalls (RS0048335 [T1, T4], RS0111165, RS0014811 [T12], RS0014823 [T11]). Generelle Aussagen, wann eine Aufklärungspflicht besteht, sind daher kaum möglich (RS0014811 [T11]).

[3] 2.1. Zur Überprüfung von Einzelfallentscheidungen steht die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.

[4] 2.2. Für das Bestehen einer Aufklärungspflicht ist im Einzelfall immer entscheidend, ob ein Schutzbedürfnis des Vertragspartners vorliegt (RS0016390 [T16], RS0106641 [T1]). Die Aufklärungspflicht endet daher an der Grenze der objektiven Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RS0016390 [T22]). Eine Aufklärungspflicht ist demnach zu verneinen, wenn ein Verkäufer beim Käufer vernünftigerweise ausreichende Sachkunde voraussetzen kann (vgl RS0016390 [T17]).

[5] 2.3. Das Berufungsgericht hat hier die Aufklärungsnotwendigkeit aus diesem Grund verneint. Die Beklagte, die als Großhändlerin Pflanzen- und Fruchtschutzmittel ausschließlich an Landwirte und professionelle Anwender abgibt, habe beim Verkauf ihres Produkts an den Erstkläger aufgrund dessen Ausbildung zum Obstbauer und dem Allgemeinwissen in der Landwirtschaft ausreichende Sachkunde im Umgang mit Dünger und Pflanzenschutzmittel voraussetzen können. Insbesondere habe sie voraussetzen können, dass ein Obstbauer vor der Anwendung die Verwendungs- und Warnhinweise auf der Handelspackung liest und das Produkt entsprechend sorgfältig anwendet, sodass es diesem gegenüber insoweit keiner gesonderten Aufklärung und Warnung bedurft habe.

[6] 2.4. Mit dieser Beurteilung der Umstände des Einzelfalls ist das Berufungsgericht von den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen. Es trifft zwar zu, dass ein ausdrückliches Verlangen um Auskunft oder Belehrung wie auch die Kenntnis des aktuellen Nichtwissens des Partners über relevante Umstände eine Verpflichtung zur Information des Anderen nach sich ziehen kann (vgl RS0014823) und der Andere grundsätzlich von der Richtigkeit und Vollständigkeit der allenfalls zur Verfügung gestellten Information ausgehen darf (9 ObA 67/18w). Solche besonderen Umstände lagen hier nach dem festgestellten Sachverhalt aber nicht vor. Die vom Erstkläger im Verkaufsgespräch gestellte – allgemein und kurz gehaltene, in der Folge nicht weiter vertiefte – Frage, ob man das Produkt der Beklagten „mit Pflanzenschutzmitteln mischen kann“, ist nicht als ein solches ausdrückliches Verlangen um weitergehende Belehrung zu werten. Diese Frage allein lässt auch nicht am selbstverständlichen Wissensstand eines professionellen Anwenders über das Vorgehen beim Einsatz solcher „Tankmischungen“ zweifeln. Es steht fest, dass Auskünfte über deren Verträglichkeit für Pflanzen aufgrund der Produktvielfalt und der verschiedensten Dosierungen und Mischungsverhältnisse immer nur allgemeiner Natur sein könnten. Vor diesem Hintergrund ist die Antwort des Verkäufers der Beklagten, der die Mischbarkeit bloß grundsätzlich bejahte, gegenüber einem sachkundigen Käufer weder falsch noch unvollständig.

[7] 3. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** B*****, 2. M***** B*****, beide vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin G***** S.P.A., *****, Italien, vertreten durch Mag. Andrea Moser, Rechtsanwältin in Graz, wegen 195.721 EUR sA, aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Parteien (Revisionsinteresse 97.860,55 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 37/21t-45, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 5 Ob 130/21k, mit dem die außerordentliche Revision der klagenden Parteien zurückgewiesen wurde, wird wie folgt ergänzt:

„Der Antrag der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.“

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei hat ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eine Revisionsbeantwortung eingebracht und dafür Kosten verzeichnet. Über diesen Kostenersatzanspruch wurde im Beschluss vom nicht entschieden. Das war mit diesem Ergänzungsbeschluss gemäß §§ 423, 430 ZPO nachzuholen (vgl 7 Ob 6/10y).

[2] Da der Oberste Gerichtshof die Beantwortung der Revision nicht freigestellt hat, war die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Für diese steht daher kein Kostenersatzanspruch zu (RIS-Justiz RS0043690 [T6, T7]).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2021:E132749
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAD-38876