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OGH vom 01.09.1992, 5Ob129/92

OGH vom 01.09.1992, 5Ob129/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Huber, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Klaus E*****, wider den Antragsgegner Gerhard S*****, wegen Verhängung einer Ordnungsstrafe im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 14 MRG infolge Rekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 41 R 359/92-10, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

In dem vom Antragsteller gegen den Antragsgegner anhängig gemachten

Verfahren auf Rückerstattung der vom Antragsteller erlegten Kaution

in der Höhe von 25.000 S wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 3 MRG gab

das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien dem vom Antragsteller

gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluß, mit dem der Antrag

abgewiesen wurde, erhobenen Rekurs nicht Folge (Punkt 2 des

Beschlusses 41 R 359/92-10). Unter einem verhängte es über den

Antragsteller eine Ordnungsstrafe von 7.000 S, weil dieser in dem von

ihm verfaßten Rekurs gegen den Sachbeschluß des Erstgerichtes unter

anderem folgendes ausführte: "....... kann nicht ausgeschlossen

werden, daß das Antragsvorbringen nicht nur oberflächlich und unexakt

zur Kenntnis genommen worden ist, sondern diese Verfälschung bewußt

zum Nachteil des Antragstellers erfolgt ist ........" (Seite 1 des

Rekurses) und - neben der mehrfach erhobenen Anschuldigung, das Erstgericht habe das Vorbringen des Antragstellers mißachtet bzw. bewußt verzerrt und in falscher Form wiedergegeben - "im Hinblick auf die oben dargestellten Umstände, insbesondere die kraß willkürliche Handhabung (verfälschte Wiedergabe) des Antragsvorbringens, die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Text des Mietvertrages und die nicht nachvollziehbare Handhabung der Norm des § 27 MRG erscheint die Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachtes der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 302 Abs. 1 StGB an die Staatsanwaltschaft zweckmäßig und erforderlich" (S. 5 des Rekurses). Der Vorwurf, das Erstgericht habe das Antragsvorbringen bewußt verzerrt und verfälscht, das Gericht sei kraß willkürlich vorgegangen, die Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft sei wegen des Verdachtes der Verwirklichung des Straftatbestandes nach § 302 Abs. 1 StGB zweckmäßig und erforderlich, stellten beleidigende und ausfällige Ausführungen des Rekurswerbers dar, mit welchen die dem Gericht schuldige Achtung verletzt worden sei. Ob der Rekurswerber dabei in besonderer Beleidigungsabsicht gehandelt habe, müsse nicht geprüft werden, weil Beleidigungsabsicht nicht Voraussetzung für die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 86 ZPO sei (vgl. auch dazu EvBl. 1966/263). Da zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Ausfälle in Rechtsmittelschriften auch das Rechtsmittelgericht zuständig sei, sei eine Ordnungsstrafe in einer der Schwere der Anschuldigungen und der wiederholten Beleidigungen angemessenen Höhe von 7.000 S zu verhängen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Antragstellers, der im Hinblick darauf, daß es sich um eine erstinstanzliche Entscheidung handelt, unabhängig von den Voraussetzungen des § 528 ZPO iVm § 37 Abs. 3 Z 16 MRG zulässig ist (§ 514 Abs. 1 ZPO iVm § 37 Abs. 3 Z 16 MRG) (5 Ob 118/92), der aber nicht berechtigt ist.

Die Rekursausführungen lassen sich darin zusammenfassen, daß der Antragsteller zu Recht eine deutliche und nachvollziehbare Kritik am Vorgehen des Erstgerichtes geübt habe und die deutlichen und nachvollziehbaren Rechtsmittelausführungen keine beleidigenden Ausfälle enthielten. Eine allenfalls vorhandene gewisse Schärfe im Ausdruck stelle keineswegs bereits eine "Beleidigung" oder "Ausfälligkeit" dar. Da der Ausdruck "kraß willkürlich" nur ein einziges Mal verwendet und in Klammer beigefügt worden sei" (verfälschte Wiedergabe)" und er, Antragsteller, nur den Ausdruck "verzerrt" - nicht "bewußt verzerrt" - im Sinne von "falsch" verwendet habe, und von ihm die mehreren Umstände, die eine "Verfälschung bewußt zum Nachteil des ASt nicht ausgeschlossen erscheinen lassen", hinreichend dargelegt worden seien, seien die Ausdrücke nur "alternativ" verwendet und ausführlich dargetan worden, daß es sich um einen begründeten strafrechtlichen Verdacht des Rekurswerbers handle. Die drei Richter des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien hätten hingegen diese Ausdrücke hintereinander gesetzt und kumulativ dargestellt sowie gleichzeitig unrichtig pauschaliert von einem "mehrfach erhobenen Vorwurf" gesprochen. In der nachweislich falschen Darstellung der drei Richter liege daher eine unkorrekte Vorgangsweise. Abgesehen von der Unrichtigkeit des auf § 86 ZPO gestützten Vorwurfs und der Verfassungswidrigkeit des bekämpften Beschlusses ergebe sich die Unrichtigkeit des Beleidigungsvorwurfes auch daraus, daß sich der Beleidigungs- und Ausfälligkeitsvorwurf auf eine falsche Darstellung des Rekursvorbringens stütze. Auch rechtsstaatliche Bedenken sprächen gegen den angefochtenen Beschluß. Es werde daher die Aufhebung des Beschlusses betreffend die Ordnungsstrafe, in eventu deren Herabsetzung auf "Null" beantragt.

Die Bestimmung des § 86 ZPO dient ebenso wie jene des § 85 GOG (für das außerstreitige Verfahren) der Wahrung einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise und soll helfen, das Verfahren zu "entschärfen" (Fasching II 562; 6 Ob 20, 21/74; 2 Ob 121/81; 2 Ob 522/88; 5 Ob 118/92). Durch sie soll keineswegs eine sachlich berechtigte Kriktik verhindert werden, es soll aber doch jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzt, unter Sanktion gestellt werden (8 Ob 652-654/89; 5 Ob 118/92). Verletzt eine sachlich berechtigte Kritik oder Äußerung wegen ihrer beleidigenden oder ausfälligen Form die dem Gericht schuldige Achtung, so kann das Gericht eine Ordnungsstrafe verhängen (EvBl 1966/263; 3 Ob 107/73; 6 Ob 545/78; 2 Ob 176, 177/80; 6 Ob 602/81; 8 Ob 652-654/89; 5 Ob 118/92 u.a.). Der dem Erstgericht gemacht Vorwurf der "Verfälschung" des Vorbringens einer Partei "bewußt zu deren Nachteil" ebenso wie die Behauptung, das Erstgericht habe das Antragsvorbringen verfälscht wiedergegeben und damit "kraß willkürlich" gehandhabt, stellen wegen der dem Erstrichter damit unterstellten bewußten Parteilichkeit eine Beleidigung dar, die das Maß sachlich berechtigter Kritik eindeutig überschreitet, zumal nicht jedes Wort allein betrachtet werden darf, es vielmehr auf die Bedeutung des dem Gericht insgesamt gemachten Vorwurfes ankommt. Das Rekursgericht hat auch im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend erkannt, daß eine Verletzung der dem Gericht schuldigen Achtung nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen ist, wenn sie in der Absicht begangen wurde, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegung entsprang (SZ 35/122; 4 Ob 101, 102/81; 2 Ob 552/88; 8 Ob 51/89; 3 Ob 519/90; 5 Ob 118/92 u.a.).

Da die Rekursausführungen auch nicht geeignet sind, verfassungsmäßige Bedenken gegen die Bestimmungen der § 86 ZPO und § 85 GOG aufzuzeigen (vgl das zu der vergleichbaren Bestimmung des § 112 Abs 3 BAO ergangene Erkenntnis des , JBl 1992, 513), erweist sich der Rekurs als unberechtigt, weshalb ihm kein Erfolg beschieden sein konnte. Auch nach der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes besteht kein Anlaß, den vorliegenden Sachverhalt der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

Der Vollständigkeit halber ist noch zu bemerken, daß das vorliegende Rechtsmittel in Ansehung seiner dienstaufsichtsrechtlichen Ausführungen bereits durch den Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien einer Erledigung zugeführt wurde (Schreiben vom , Jv 4.690-17c/92).