OGH 22.08.2019, 4Ob127/19h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Ltd, *****, Großbritannien, vertreten durch Dr. Monika Wildner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert im Provisorialverfahren 47.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 2/19x-20, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei, die klagende Partei zum Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu verpflichten, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin handelt mit Parfumprodukten, die sie auf Basis eines Lizenzvertrags unter Verwendung ua der österreichischen Wortmarke „BOSS“ sowie der Unionswortmarken „BOSS“ und „JOOP!“ in den Verkehr bringt. Sie ist von der Markeninhaberin zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verletzung von Markenrechten berechtigt worden.
Die Beklagte betrieb bis Juli 2018 einen Online-Shop für Parfum- und Kosmetikprodukte und bot in diesem Rahmen auch Originalprodukte der genannten Marken an. Sie verschickte im Juli 2018 an Käufer bestellte Ware in einem Karton, auf dem in gedrängter und durchmischter Anordnung neben anderen Marken auch die Klagsmarken aufgedruckt waren. Auf dem Karton waren außerdem der Werbespruch „BEAUTY FOR LESS“ und die Diskonter- Bezeichnung „easyCOSMETIC“ aufgedruckt:
Die mit diesen Kartons erfolgten Warenlieferungen an Käufer enthielten zum Teil Parfums der Klagsmarken, zum Teil wurden damit aber auch (nur) Waren geliefert, die in keinem Zusammenhang mit den Klagsmarken stehen.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens begehrte die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, die bei ihr bestellten Produkte in Kartons zu versenden, die mit den Klagsmarken wie oben ersichtlich bedruckt sind, insbesondere wenn die Klagsmarken mit anderen Marken abgebildet oder mit dem Slogan „BEAUTY FOR LESS“ bzw der Bezeichnung „easyCOSMETIC“ versehen werden. Die Beklagte könne ihr Werberecht nicht von der Erschöpfung der Klagsmarken herleiten. Die Verwendung der Klagsmarken beeinträchtige berechtigte Interessen der Klägerin, weil sie in einer ihrem Image als Luxusmarken nicht entsprechenden Weise genutzt werde. Die Vorgangsweise der Beklagten suggeriere eine nicht bestehende Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen und entspreche nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel.
Die Beklagte wandte ein, dass sie nur unveränderte Originalwaren vertreibe. Die Werbung auf den Kartons nehme Bezug auf in ihrem Online-Shop angebotene Waren. Das sei notwendig, weil die Kunden auch nach Erhalt bestellter Waren gerne und oft weitere Bestellungen vornähmen. Auch die Nähe zu „BEAUTY FOR LESS“ und „easyCOSMETIC“ sei nicht markenschädigend. Schon durch die Anführung einer Vielzahl von Marken auf dem Karton liege die Annahme einer Geschäftsbeziehung durch Kunden fern.
Das Rekursgericht wies in Abänderung der stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts den Verfügungsantrag ab. In Anlehnung an die (zwischen den Streitteilen zu einem fast identen Sachverhalt ergangene) Entscheidung BGH I ZR 221/16, beauty for less, GRUR 2018, 84, ging es im Wesentlichen davon aus, dass die Beklagte durch ihre produktbezogene Werbung auf dem Versandkarton die Klagsmarken im Sinne des Art 15 Abs 1 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG für Waren rechtmäßig benutze. Die Benutzung der Klagsmarken beeinträchtige auch keine berechtigten Interessen der Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin zeigt dagegen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft. Sie liegt nicht vor. Der Umstand, dass sich das Rekursgericht in seiner Begründung an eine zwischen den Streitteilen in einem Parallelfall ergangene aktuelle BGH-Entscheidung angelehnt hat, verwirklicht keinen Begründungsmangel, zumal in der Rekursentscheidung klar ersichtlich ist, aus welchen Erwägungen das Sicherungsbegehren abgewiesen wurde.
2. Zur Erschöpfung des Markenrechts hat das Rekursgericht die Rechtslage nicht verkannt (vgl jüngst etwa 4 Ob 15/18m). Demnach besteht die Wirkung der Erschöpfung des Markenrechts iSd Art 15 Abs 1 UMV bzw § 10b Abs 1 MSchG darin, dass der Kennzeicheninhaber den Weitervertrieb des unveränderten Originalprodukts durch Dritte nicht untersagen kann, wenn mit der Marke versehene konkrete Waren von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht wurden.
2.1 Vom EuGH wurde bereits geklärt, dass von der Erschöpfung der Marke auch das Recht umfasst ist, die Marke zu benutzen, um in der Öffentlichkeit für diese Waren zu werben (EuGH C-337/95, Parfums Christian Dior, Rn 36; EuGH C-63/97, BMW, Rn 48; EuGH C-558/08, Portakabin, Rn 77). Dabei kann einem Verkäufer nicht verboten werden, seine Wiederverkaufstätigkeit beim Publikum bekannt zu machen, zu der außer Waren der erschöpften Marke auch der Verkauf anderer Waren gehört (EuGH C-558/08, Portakabin, Rn 91). Dem liegt zugrunde, dass ein Wiederverkäufer, der Waren einer fremden Marke vertreibt, seine Kunden hierauf ohne Benutzung der Marke nicht hinweisen kann (EuGH C-63/97, BMW, Rn 54; EuGH C-558/08, Portakabin, Rn 90). Gerade eine solche informative Benutzung der erschöpften Marke ist erforderlich, um das Wiederverkaufsrecht sicherzustellen, ohne dass damit die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenützt wird (EuGH C-63/97, BMW, Rn 54).
2.2 Nach Ansicht des Rekursgerichts bewerbe die Beklagte auf dem Versandkarton den Weitervertrieb der unveränderten Originalprodukte mit den Klagsmarken als Herkunftshinweis für weitere Einkäufe (produktbezogen) und benutze damit die Marke iSd Art 15 Abs 1 UMV bzw § 10b Abs 1 MSchG, selbst wenn sich im konkreten Karton keine Waren der Klagsmarken befinden. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur.
3.1 Ob der Erschöpfungsgrundsatz gemäß Art 15 Abs 2 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG deshalb keine Anwendung findet, weil berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die zur Prüfung berechtigter Gründe erforderliche Beurteilung der Wirkung einer Werbung auf die Adressaten eine Rechtsfrage sei, deckt sich mit der Judikatur zu vergleichbaren Fällen (RS0039926). Die in Art 15 Abs 2 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG als Beispiele berechtigter Gründe angeführten Fälle, wonach der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist, liegen im Anlassfall jedenfalls nicht vor.
3.2.1 Ein berechtigter Grund liegt etwa dann vor, wenn der Wiederverkäufer mit seiner Werbung, für die er sich der Marke bedient, den irreführenden Eindruck erweckt, es bestehe eine wirtschaftliche Verbindung zwischen ihm und dem Markeninhaber (EuGH C-558/08, Portakabin, Rn 80).
3.2.2 Das Rekursgericht hat die von der Klägerin diesbezüglich behauptete Irreführung mit seiner Begründung, dass beim Versandkarton eine Vielzahl von Marken unterschiedlicher Hersteller verwendet werden, jedenfalls vertretbar verneint.
3.3.1 Der Umstand, dass ein Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität vertreibt, für die mit der Marke versehenen Waren in seiner Branche übliche Werbeformen benutzt, selbst wenn diese nicht denen entsprechen, die der Markeninhaber selbst oder die von ihm ausgewählten Wiederverkäufer verwenden, erfüllt keinen berechtigten Grund iSd Art 15 Abs 2 UMV bzw § 10b Abs 2 MSchG, der es rechtfertigt, dass der Inhaber sich dieser Werbung widersetzt, sofern nicht erwiesen ist, dass die Benutzung der Marke in der Werbung des Wiederverkäufers den Ruf der Marke im konkreten Fall erheblich schädigt (EuGH C-337/95, Parfums Christian Dior, Rn 46; EuGH C-558/08, Portakabin, Rn 79). Eine solche erhebliche Schädigung könnte dann vorliegen, wenn der Wiederverkäufer nicht dafür sorgt, dass die Marke zB in seinem Werbeprospekt nicht in einer Umgebung erscheint, die das Image, das der Inhaber seiner Marke hat verschaffen können, erheblich beeinträchtigen könnte (EuGH C-337/95, Parfums Christian Dior, Rn 47).
3.3.2 Die wiederum vom Einzelfall geprägte Ansicht des Rekursgerichts, dass der Ruf der Klagsmarken im konkreten Fall weder wegen ihrer gemeinsamen Verwendung mit zum Teil geringwertigeren Marken, zum Teil aber auch höherwertigen Marken, noch wegen der graphischen Gestaltung des Kartons oder der Verwendung der Begriffe „BEAUTY FOR LESS“ und „easyCOSMETIC“ erheblich geschädigt werde (idS auch BGH I ZR 164/16 Rn 32), kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen, zumal auch bescheinigt ist, dass Parfums der Klagsmarken selbst in Drogerieketten wie zB bei BIPA (Abkürzung für „billige Parfümerien“) oder DM gekauft werden.
4. Eine Vorlage an den EuGH war nicht geboten. Es stellen sich keine entscheidungsrelevanten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits vom EuGH geklärt wurden oder zweifelsfrei zu beantworten sind.
5. Insgesamt zeigt die Klägerin keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels auf, das daher als unzulässig zurückzuweisen war.
6. Für die vor Freistellung eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung besteht § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO iVm § 528 Abs 3 ZPO kein Kostenersatzanspruch.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | beauty for less, |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00127.19H.0822.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAD-38590