OGH vom 19.01.2011, 7Ob145/10i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W*****-AG, *****, 2. Z***** AG, *****, 3. C***** AG, *****, 4. F*****, 5. H***** AG, *****, 6. A***** V***** AG, *****, 7. H***** VaG, *****, alle vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P*****GmbH, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts Partnerschaft in Wien, und die Nebenintervenientin L***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Masser Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 75.138,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 362/09y 58, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 24 Cg 144/08d 50, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.786,72 EUR (darin enthalten 464,45 EUR an USt) und der Nebenintervenientin die mit 2.788,88 EUR (darin enthalten 464,81 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerinnen sind Transportversicherer der in Frankfurt ansässigen C***** GmbH (in der Folge: C*****). Die Erstklägerin übernahm 20 %, die Zweit- und die Viertklägerinnen übernahmen je 10 % und die übrigen Klägerinnen übernahmen je 15 % des versicherten Risikos. Die C***** erwarb von der A***** GmbH 2.989,63 t Düngemittelgranulat und beauftragte die Beklagte (unstrittig als Frachtführer) mit dem Transport der Ware von Wien nach Valencia, Spanien. In dem dem Vertrag zugrunde liegenden E Mailverkehr nahm die Beklagte den Nachsatz auf: „Wir arbeiten ausschließlich aufgrund der Allgemeinen Österreichischen Spediteursbedingungen (AÖSp) in der nach der Kundmachung in der 'Wiener Zeitung' geltenden und bei uns zur Einsicht aufliegenden Fassung.“ Die C***** widersprach dem Hinweis auf die AÖSp nicht. Die Beklagte deckte eine Transportversicherung ein, wobei der Deckungsumfang dem Speditions und Rollfuhrversicherungsschein (SVS/RVS) entsprach. Die Beklagte vereinbarte „aufgrund des Auftrags der C*****“ mit einem anderen Unternehmer einen Seetransport vom Hafen Koper nach Spanien und „über die Nebenintervenientin“ einen Eisenbahntransport von Linz nach Koper, die Zwischenlagerung des Granulats in Koper und das Verladen auf das Schiff. Die Ware gelangte unversehrt bis in das von der Nebenintervenientin betriebene Lager in Koper. Nach der Zwischenlagerung wurde das Düngemittel mittels Radlader und Lkw, die zuvor Mais geladen hatten, zu den Verladeanlagen im Hafen transportiert und dort auf das Schiff verladen. Beim Transport zum Schiff wurde das Granulat durch Reste von Maiskörnern verunreinigt. Die Ware wurde am in Spanien vom Abnehmer entladen. Die Klägerinnen liquidierten den Schaden entsprechend dem von ihnen anteilig übernommenen Risiko.
Die Klägerinnen machen mit der am bei Gericht eingelangten Klage den von ihrer Versicherungsnehmerin (C*****) auf sie anteilig übergegangenen Schadenersatzanspruch geltend. Dem Abnehmer sei wegen der Verunreinigung der Ware eine Preisminderung in der Höhe des Klagsbetrags zugestanden. Eine Entschädigungspflicht bei Beschädigung von Waren könne nach dem auf den Schadensfall anzuwendenden slowenischem Frachtrecht nicht abbedungen werden.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie stehe mit der C***** in ständiger Geschäftsbeziehung. Allen Vereinbarungen seien die AÖSp zugrunde gelegt worden. Die Beklagte habe auch eine entsprechende Transportversicherung abgeschlossen. Sie könne sich daher auf die Haftungsbefreiungsgründe der §§ 39 bis 41 und 52 ff AÖSp berufen. Die geltend gemachte Forderung sei wegen Ablaufs der sechsmonatigen Frist des § 64 AÖSp verjährt. Im Übrigen werde der Eintritt eines Schadens bestritten. Auch sei die Verunreinigung erst im Zuge des Entladungsvorgangs erfolgt.
Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die für den Transport von der Beklagten abgeschlossene Versicherung decke die Haftung zumindest im Rahmen des SVS/RVS. Da die Klägerin der Zugrundelegung der AÖSp niemals widersprochen habe, seien diese Vertragsinhalt geworden. Damit unterliege der Transportschaden der in § 64 AÖSp angegebenen kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten ab der am erfolgten Ablieferung des Guts. Der Schadenersatzanspruch sei daher verjährt.
Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Es liege eine dem SVS/RVS gleichwertige Speditionsversicherung vor. Die Parteien hätten die Geltung der AÖSp vereinbart. Die Beklagte habe in ihrem Anbot ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nur zu den AÖSp kontrahiere, die bei ihr zur Einsicht auflägen. Die C***** habe das Anbot angenommen. Die Geltung der AÖSp sei damit ausdrücklich vereinbart worden. Selbst grobe Fahrlässigkeit schlösse die kurze Verjährungsfrist des § 64 AÖSp nicht aus. Es sei nicht zu erkennen, warum die Klägerinnen davon ausgegangen seien, dass slowenisches Recht zur Beurteilung der Schadenersatzverpflichtung heranzuziehen sei. Bei einem multimodalen Transport seien die für das jeweilige Beförderungsmittel maßgebenden Haftungsordnungen nebeneinander anzuwenden. Welches Frachtrecht anzuwenden sei, richte sich nach dem Beförderungsmittel. Selbst nach Art 4 EVÜ unterliege mangels Rechtswahl ein Vertrag grundsätzlich dem Recht des Staats, mit dem er die engsten Verbindungen aufweise; nach Art 4 Abs 2 EVÜ werde vermutet, dass dies der Sitzstaat der Partei sei, welche die charakteristische Leistung erbringe. Auf den Ort des Transports komme es demnach nicht an. Die in Österreich ansässige Beklagte habe die Nebenintervenientin unter anderem auch mit dem Transport vom Lager zum Schiff beauftragt, wobei es zur Verunreinigung gekommen sei. Die Verjährungsfrist bestimme sich daher nach § 64 AÖSp, sodass der Anspruch verjährt sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden habe und keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu beurteilen sei.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwecks Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin vertritt nach wie vor den Standpunkt, dass die AÖSp nicht Vertragsinhalt geworden seien. Das Berufungsgericht entferne sich mit seiner Rechtsansicht, die Versicherungsnehmerin (C*****) habe das den Hinweis auf diese Geschäftsbedingungen enthaltende Anbot der Beklagten angenommen und dass es daher einer Erörterung, ob eine (bloß) schlüssige Unterwerfung vorliege, gar nicht bedürfe, von den Feststellungen des Erstgerichts. Demnach habe es zwei E Mails gegeben; dass die Annahme aufgrund der letzten E Mail, in der der Seetransport (anstatt des in der E Mail vom ursprünglich angebotenen Flusstransports über die Donau ins Schwarze Meer) vorgesehen gewesen sei, erfolgt sei, habe das Erstgericht nicht festgestellt. Vielmehr sei die Beauftragung nach der übereinstimmenden Aussage aller Beteiligten telefonisch erfolgt, wobei über die AÖSp nicht gesprochen worden sei.
Diesen Ausführungen ist zwar insoweit beizupflichten, als nach den Feststellungen des Erstgerichts unklar blieb, ob die (zweite) E Mail vom ein (weiteres) Anbot darstellte oder ob darin bereits telefonisch Vereinbartes festgehalten wurde. Selbst wenn aber die Auftragserteilung schon telefonisch erfolgt sein sollte, wäre dennoch von einer (zumindest schlüssig vereinbarten) Geltung der AÖSp auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es hiefür, dass der Unternehmer vor Abschluss des Vertrags erklärt, nur zu seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrahieren zu wollen und sich der Geschäftspartner daraufhin mit ihm einlässt (RIS Justiz RS0014506). Es muss zumindest ein Hinweis in den Vertragsunterlagen deutlich aufscheinen, und der Kunde muss die Möglichkeit haben, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen (T3). Es kann bereits durch die widerspruchslose Entgegennahme von Urkunden des Unternehmers, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, zu einer stillschweigenden Vereinbarung über die Geltung dieser Bedingungen kommen (T18).
Nach dem bereits in der E Mail mit dem ursprünglichen Transportanbot (Donau/Schwarzes Meer) enthaltenen, vom Erstgericht festgestellten, deutlichen und unmissverständlichen Hinweis auf die AÖSp musste die Versicherungsnehmerin davon ausgehen, dass auch ein (offenbar nach ihren Wünschen) hinsichtlich der Transportstrecke und Transportart modifizierter Transportauftrag nichts am deponierten Willen der Beklagten, den Transport jedenfalls nur auf der Rechtsgrundlage der AÖSp abzuwickeln, ändern werde. Dazu hätte ja auch kein erkennbarer Anlass bestanden. Dass die Versicherungsnehmerin den Hinweis auf die AÖSp im Anbot vom bereits ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen hatte, erklärt auch, dass dieser Punkt bei einem allenfalls der E Mail vom vorangehenden Telefonat gar nicht mehr thematisiert wurde. Es ist daher von einer zumindest schlüssig vereinbarten Geltung der AÖSp auszugehen.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 64 AÖSp (auch zur geltenden Fassung) tritt die Verjährung gleichviel aus welchem Rechtsgrund und unabhängig vom Grad des Verschuldens ein (RIS Justiz RS0106911). Auch grobe Fahrlässigkeit schließt die kurze Verjährungsfrist des § 64 AÖSp nicht aus (RIS Justiz RS0049684). Der in der Revision behauptete Widerspruch zwischen § 51 lit b und § 64 AÖSp liegt nicht vor. Schon nach dem Wortlaut von § 51 lit b AÖSp geht es dort nur um die Haftungsbeschränkungen, die bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit nicht gelten sollen. Eine Verjährungsbestimmung hat aber auf den Anspruch an sich keinen Einfluss. Sie bewirkt nur, dass der Anspruch nach Ablauf der Frist nicht mehr erfolgreich eingeklagt werden kann.
Es bleibt daher zu prüfen, ob der Anwendung der vereinbarten AÖSp andere, zwingende Bestimmungen entgegen stehen.
Wird eine Beförderung wie hier (Land und Seetransport) mit mindestens zwei verschiedenen Transportmitteln aufgrund eines einheitlichen Frachtvertrags durchgeführt, spricht man von einem kombinierten oder multimodalen Transport (7 Ob 586/93).
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers in diesem Fall nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung („Network System“: RIS Justiz RS0062353; 7 Ob 3/94 = SZ 67/4 = RdW 1994, 339 [zustimmend Csoklich ]). Ist der Ort des Schadenseintritts nicht feststellbar, so haftet der Frachtführer nach dem für den Anspruchsteller günstigsten Haftungsrecht (6 Ob 349/97k mwN). Ist der Schadensort bekannt, dann ist auf das Haftungsrecht abzustellen, das für das Beförderungsmittel auf dieser Teilstrecke gilt. Die für die jeweiligen Teilstrecken geltenden Haftungsbestimmungen sind nicht nur dann maßgeblich, wenn von vorneherein feststeht, dass der Transport mit verschiedenen Transportmitteln durchgeführt werden soll, sondern auch dann, wenn der Frachtführer in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens bestimmte Transportarten und wege gewählt hat. Auch in diesem Fall ist für die Beurteilung auf die vom Frachtführer in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens gewählten Transportarten und wege abzustellen (7 Ob 586/93; Ramming in TranspR 2007, 280; Helm in Großkommentar 4 , Anh VI § 452 Art 2 CMR Rn 4).
Im vorliegenden Fall lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht eindeutig entnehmen, ob der tatsächlich durchgeführte Transportweg abgesehen vom Schiffstransport vorweg im Frachtvertrag zwischen der C***** und der Beklagten im Detail vereinbart oder erst von der Beklagten in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens gewählt wurde. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen wie dargelegt die Grundsätze des multimodalen Transports gelten.
In Deutschland wurden - im Gegensatz zu Österreich für den Multimodalfrachtvertrag gesonderte Regelungen geschaffen (§§ 452 bis 452d dHGB). Nach § 452a dHGB bestimmt sich bei bekanntem Schadensort die Haftung des Frachtführers wegen Verlust, Beschädigung und Verspätung nach den Rechtsvorschriften, die auf einen Vertrag über eine Beförderung auf dieser Teilstrecke anzuwenden wären. Diese Bestimmung greift damit den Gedanken des Network-Prinzips auf, der seit Anfang der internationalen Beratungen und in der Rechtsprechung vor Erlass des Transportreformgesetzes (TRG), mit dem die Bestimmung eingeführt wurde, fast unumstritten das Recht des Multimodaltransports beherrscht ( Herber in MünchKomm², § 452a dHGB; Fremuth in Fremuth/Thume , Kommentar zum Transportrecht, § 452a dHGB Rn 2; Koller , Transportrecht 7 , § 452a dHGB Rn 1).
Auch für den österreichischen Rechtsbereich ist im Sinn dieser Ausführungen und der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Network System für die Ermittlung der Haftungsordnung bestimmend. Es ist daher bei bekanntem Schadensort auf den zwischen den Parteien des multimodalen Frachtvertrags hypothetisch abgeschlossenen Vertrag über die Beförderung auf derjenigen Teilstrecke abzustellen, auf der der Schaden eingetreten ist. Anstelle des Übernahme und Auslieferungsorts der multimodalen Beförderung treten der Ort des Beginns und des Endes der betreffenden Teilstrecke (vgl BGH TranspR 2008, 210; BGH TranspR 2007, 472; Fremuth in Fremuth/Thume , Kommentar zum Transportrecht, § 452a dHGB Rn 8 je mwN).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Verunreinigung des Düngemittelgranulats beim Transport mittels Radlader und Lkw vom Zwischenlager der Nebenintervenientin in Koper zum Schiff eingetreten ist. Weiters ist davon auszugehen, dass dem multimodalen Frachtvertrag die AÖSp als vereinbart zugrunde zu legen sind. Es gilt daher auch § 65 lit c AÖSp, wonach für die Rechtsbeziehung der Beklagten zum Auftraggeber (das ist hier die Versicherungsnehmerin der Klägerinnen) österreichisches Recht anzuwenden ist. Es handelt sich hiebei um eine Rechtswahl nach (dem hier noch anzuwendenden [kritisch Drews , Der multimodale Transport eine Bestandaufnahme in TranspR 2010, 327]) Art 3 EVÜ. Die Frage, ob eine im multimodalen Frachtvertrag getroffene Rechtswahl auch auf die hypothetischen Teilstreckenverträge durchschlägt, kann hier allerdings dahingestellt bleiben (auch der BGH, der dies als „wohl herrschende Meinung“ bezeichnet [die Verordungung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) gilt nach deren Art 29 erst ab dem ], ließ diese Frage offen: TranspR 2007, 472; TranspR 2008, 210; TranspR 2009, 327 je mwN):
Unabhängig von einer Rechtswahl ist bei Güterbeförderungsverträgen zu vermuten, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet (Art 4 Abs 4 EVÜ). Im vorliegenden Fall hat zwar der Beförderer seine Hauptniederlassung in Österreich, dort befindet sich aber für den Teilstreckenabschnitt, auf dem der Schaden eingetreten ist, weder der Verlade noch der Entladeort. Art 4 Abs 2 EVÜ, wonach die engste Verbindung mit dem Staat vermutet wird, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihre Hauptniederlassung hat, ist gemäß Art 4 Abs 4 EVÜ nicht auf den Güterbeförderungsvertrag anwendbar; es ist daher nach anderen Kriterien zu beurteilen, zu welchem Staat die engste Verbindung im Sinn von Art 4 Abs 1 EVÜ gegeben ist. Da auf den Multimodalfrachtvertrag selbst auch ohne Rechtswahl nach dem eben zitierten Art 4 Abs 4 EVÜ österreichisches Recht anzuwenden ist, weil neben dem Ort der Hauptniederlassung des Frachtführers auch der Verladeort in Österreich liegt, und im vorliegenden Rechtsstreit nichts dafür spricht, dass der hypothetische Teilstreckenvertrag abweichend vom Multimodalfracht- vertrag zu einem anderen Staat, insbesondere zum Staat, in dem der Transport stattfand, eine engere Verbindung aufweist als zu Österreich, ist daher auch auf den Teilstreckenvertrag österreichisches Recht anzuwenden.
Weiters ist zu prüfen, ob auf den schadenstiftenden Transport auf der Teilstrecke die CMR zur Anwendung kommen. Das Düngemittelgranulat wurde vom Zug zum Zwischenlager der Nebenintervenientin gebracht, wo es auch gelagert wurde, und dann vom Zwischenlager zum Schiff transportiert. Bei letzterem Transport, bei dem die Verunreinigung eintrat, handelt es sich um einen gesondert zu beurteilenden entgeltlichen Transport mittels Lkw (Radlader) auf der Straße. Ein dem Seetransport zuzurechnender Umschlag (vgl Fremuth in Fremuth/Thume , Kommentar zum Transportrecht, § 452a HGB Rn 20 22: Herber in MünchKomm² § 452 HGB Rn 22 27; Koller , Transportrecht 7 § 407 HGB Rn 10a und § 452 HGB Rn 15, 16; BGH TranspR 2007, 472 mit Anm Herber ) ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
Nach österreichischem Recht unterliegen den CMR Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Z 1 CMR). Weiters sind auf eine derartige entgeltliche Beförderung mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen auch die CMR anzuwenden, sofern der vertragliche Ort der Übernahme oder der vertragliche Ort der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB). Im vorliegenden Fall war der Transport auf der Teilstrecke, auf der der Schaden eingetreten ist, weder grenzüberschreitend noch „inländisch“, weshalb die Anwendung der CMR nicht in Betracht kommt (7 Ob 235/09y). Für diese Auslegung des § 439a UGB spricht auch die klar dokumentierte Intention des Gesetzgebers, der das „Regelungsbedürfnis“ zur Einführung des § 439a HGB (nunmehr UGB) ausdrücklich mit dem Fehlen zwingender Vorschriften für das Frachtgeschäft „im rein inner österreichischen Straßengüterverkehr“ begründet hat (ErlRV 1234 BlgNR XVII. GP 3). Auch Jesser , Anmerkungen zum Binnen Güterbeförderungsgesetz, ecolex 1990, 600 unterstellt dieses Verständnis. Ebenso gehen Schütz in Straube , HGB³, § 439a Rz 7 und Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB², § 439a UGB Rz 5 von einem Regelungsinhalt aus, der die Anwendung der CMR auf nicht grenzüberschreitende Transporte im Ausland verhindert. Schütz meint, es liege eine Regelungslücke vor. Sachgerechter wäre ein Wortlaut des § 439a HGB, wonach die CMR (entsprechend eingeschränkt) auf alle näher beschriebenen Verträge anzuwenden seien, die nicht ohnedies schon nach Art 1 den CMR unterlägen. Csoklich will eine ungewollte Regelungslücke erkennen und tritt für eine Analogie ein.
Die Meinung, dass eine ungewollte Regelungslücke vorliegt, kann schon im Hinblick auf die ErlRV nicht geteilt werden. Der Gesetzgeber wollte demnach eindeutig nur den Transport für das (österreichische) Inland regeln. Diese zunächst in das HGB eingefügte Bestimmung wurde auch in das UGB übernommen. Die Anwendung der CMR auch im Inland ist ein österreichisches Spezifikum (diese Bestimmung fehlt zB im deutschen Recht), das sich aus den Motiven des Gesetzgebers erklären lässt. Eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke ist nicht erkennbar.
Da die CMR auf Transporte im Ausland, die dort nicht grenzüberschreitend sind, nicht anwendbar sind, ist für den Teilstreckentransport in Koper auf die allgemeinen Bestimmungen des UGB zurückzugreifen. Nach den §§ 439 iVm 414 UGB verjähren zwar die Ansprüche aus dem Frachtvertrag innerhalb eines Jahres, doch kann die Verjährungsfrist durch Vereinbarung verkürzt werden. Durch die Vereinbarung der AÖSp, die in § 64 eine solche Verkürzung vorsehen, gilt daher für den vorliegenden Schadensfall eine sechsmonatige Frist. Diese war im Zeitpunkt der Klagseinbringung abgelaufen. Der Anspruch ist daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, verjährt.