OGH vom 28.06.2007, 3Ob132/07v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Wilhelm I*****, vertreten durch Mag. Eduard Aschauer, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Charlotte I*****, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl, Mag. Michaela Fattinger und Mag. Christian Premm, Rechtsanwälte in Linz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 1 R 318/06t-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom , GZ 2 C 167/06f-17, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand ist die Entscheidung über eine Oppositionsklage, mit der das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs der Beklagten gegenüber dem Kläger (ihrem geschiedenen Ehegatten) geltend gemacht wurde. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
a) Im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht den Streitwert im Kopf seiner Entscheidung mit 14.040 EUR angab, ist zur Höhe des Streitwerts Folgendes auszuführen:
Der Streitwert der Oppositionsklage richtet sich nach dem unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 54 und 56 JN ermittelten Wert des betriebenen Anspruchs (3 Ob 274/04x ua; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 84; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 77, je mwN). Wenn sich eine solche Klage auf einen Unterhaltsexekutionstitel - wie hier - bezieht, ergibt sich der Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 58 JN aus der dreifachen Jahresleistung unter Hinzurechnung des betriebenen Unterhaltsrückstands (3 Ob 201/01g = SZ 74/141, 3 Ob 139/04v ua; RIS-Justiz RS0001624). Dies gilt auch für die Beurteilung des Wertes des Entscheidungsgegenstands iSd § 502 ZPO. Eine Bewertung des Streitgegenstands durch das Gericht zweiter Instanz hat nicht stattzufinden (3 Ob 274/04x). Die Bewertungsvorschriften des § 58 JN sind zwingendes Recht; eine abweichende Bewertung bindet das Gericht nicht (3 Ob 274/04x mwN). Für den vorliegenden Fall, in dem von der Beklagten Exekution zur Hereinbringung laufenden Unterhalts und eines Unterhaltsrückstands geführt wird, ergibt sich daher:
Maßgebend für den laufenden Unterhalt ist gemäß § 58 Abs 1 JN das Dreifache der Jahresleistung, somit 38.880 EUR (1.080 EUR laut Scheidungsfolgenvergleich vom x 36). Unter Einbeziehung des betriebenen Unterhaltsrückstands von 1.080 EUR für Jänner 2006 hatte das Berufungsgericht daher im Oppositionsprozess über einen Entscheidungsgegenstand von 39.960 EUR abzusprechen. Dass sich der Kläger im Laufe des Verfahrens „unpräjudiziell" bereit erklärte (ON 4 AS 14), der Beklagten vorläufig einen monatlichen Unterhalt von 670 EUR ab zu zahlen, ändert nichts am Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz, stellt doch seine Erklärung keine Einschränkung seines Oppositionsklagebegehrens dar. In gleicher Weise unerheblich ist die Erklärung der Beklagten im Oppositionsprozess (ON 16 AS 65), nunmehr die „Einschränkung der Exekution auf 670 EUR pro Monat ab anzuerkennen", weil dies keine relevante Einschränkung der Exekution, die im übrigen auch im Exekutionsakt keinen Niederschlag fand, ist. Bei einem - wie hier - somit 20.000 EUR übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands und Nichtzulassung der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht besteht die Möglichkeit, eine außerordentliche Revision (§ 505 Abs 4 ZPO) zu erheben.
b) Diese ist aber nur dann zulässig, wenn eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt. Eine solche wird von der Revisionswerberin aber im vorliegenden Fall nicht aufgezeigt:
1. Unter anspruchshemmenden Tatsachen iSd § 35 EO sind bei Unterhaltstiteln alle Umstände, die ein Ruhen des Unterhaltsanspruchs zur Folge haben, zu verstehen. Nach der stRsp (für viele 3 Ob 204/99t = JBl 2000, 530) seit der E SpR 38 = SZ 25/134 = EvBl 1954/228 ruht der Unterhaltsanspruch einer geschiedenen Ehegattin für die Dauer ihrer Lebensgemeinschaft und zwar unabhängig davon, ob sie von ihrem Partner Unterhaltsleistungen bezieht (vgl dazu Zankl in Schwimann3, § 66 EheG Rz 57 mwN).
Nach stRsp sind Kriterien für die Annahme einer - nach neuester Rsp (6 Ob 28/07x) auch gleichgeschlechtlichen - Lebensgemeinschaft die Eheähnlichkeit, das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft und schließlich eine gewisse Dauer iSd Einrichtung der Gemeinschaft auf eine gewisse zeitliche Dauer. Es muss ein Verhältnis vorliegen, dass dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (3 Ob 274/04x ua; RIS-Justiz RS0047043), also mit dem aus einer seelischen Gemeinschaft resultierenden Zusammengehörigkeitsgefühl (RIS-Justiz RS0047064). Doch kann wie auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 Abs 1 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen (stRsp, für viele 2 Ob 314/98k).
Bei ihrer Beurteilung, auf Grund der im Einzelfall gegebenen Umstände liege im vorliegenden Fall eine Lebensgemeinschaft der Beklagten mit Dr. H***** vor, hielten sich die Vorinstanzen im Rahmen dieser Rsp. Ob auf Basis der Feststellungen, die Beklagte nächtige „grundsätzlich" - wenn auch nicht ausschließlich - im Wohnhaus des Dr. H*****, wogegen ihre Aufenthalte in ihrem eigenen Wohnhaus nur „organisatorischer Natur" seien, das Vorliegen einer Wohngemeinschaft nicht doch zu verneinen sei, stellt wegen der Einzelfallbezogenheit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.
2. Ruhen der Unterhaltsverpflichtung wegen Bestandes einer Lebensgemeinschaft bedeutet zeitweiliges Erlöschen des Anspruchs iSd § 35 Abs 1 EO und nicht bloß eine Hemmung (3 Ob 204/99t mwN ua; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 97; Dullinger aaO § 35 Rz 56, je mwN aus der Rsp; vgl dazu auch Zankl aaO § 75 EheG Rz 7). Es wurde aber als ausreichend erkannt, wenn im Spruch bloß das Erlöschen des betriebenen Unterhaltsanspruchs festgestellt wird und aus den Entscheidungsgründen das Ruhen der Unterhaltsverpflichtung als Grund hiefür zweifelsfrei zu entnehmen ist. Eine solche Entscheidung im Oppositionsprozess wurde noch als genügend bestimmt erachtet (3 Ob 112/73 = EvBl 1973/266; 3 Ob 125/79 = EFSlg 34.565 u.v.a.; RIS-Justiz RS0001629, RS0000987; [krit] Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 97 mwN aus der Rsp). Zur Zulässigkeit einer weiteren Exekutionsführung, wenn rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten wegen Eingehens einer Lebensgemeinschaft ruht, hat der Oberste Gerichtshof in seiner E 3 Ob 70/92 = RZ 1994/24 ausgeführt, dass das Urteil auf Ruhen der Unterhaltsverpflichtung den Titel nicht vernichtet und auch die materielle Rechtskraft dieser Entscheidung nur bis zu einer Änderung der Verhältnisse, die zum Ruhen des Anspruchs führten, wirkt, also nur für die Dauer der Lebensgemeinschaft der betreibenden Partei.
3. Mit der Behauptung, der Kläger habe bis einschließlich 2004 zu geringe Unterhaltszahlungen geleistet, erklärte die Beklagte den ihrer Meinung nach so offen gebliebenen Unterhaltsanspruch von insgesamt 4.116,01 EUR aus diesen Jahren „kompensando mit einem eventuellen Unterhaltsausgleichanspruch des Klägers für das Jahr 2005 und 2006 gegenzuverrechnen". Dabei übersieht sie, dass das Oppositionsurteil, soweit es den Bestand oder die Hemmung des betriebenen Anspruchs betrifft, seinem Wesen nach kein Leistungsurteil ist. Sollte die Beklagte die für erloschen erklärten Unterhaltsleistungen ganz oder zum Teil bereits erhalten haben, bewirkt das vorliegende Oppositionsurteil allein noch nicht, dass sie diese Beträge wieder zurückzustellen hat. Ob dies der Fall ist, also ein „Unterhaltsausgleichsanspruch" des Klägers besteht, ist gegebenenfalls über gesonderte Leistungsklage zu klären. So könnte es auch sein, dass der betreibende Gläubiger bereits erhaltene Unterhaltsbeträge nicht zurückzahlen muss, weil er sie gutgläubig verbrauchte (Jakusch aaO § 35 Rz 111) oder aber auch, weil er Gegenforderungen, etwa nicht verjährte Unterhalts-Nachzahlungsansprüche hat. Auf die Frage einer Verletzung der nach stRsp auch für die Beklagte geltenden Eventualmaxime des § 35 Abs 3 EO durch die Beklagte muss nicht mehr eingegangen werden. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).