OGH vom 27.10.1998, 1Ob145/98z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Norbert S*****, und 2.) Wienczislawa S*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Hirtler, Rechtsanwalt in Leoben als Verfahrenshelfer, wider die beklagten Parteien 1.) M***** Gesellschaft mbH, ***** und 2.) Günter M*****, beide vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert 500.000 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 259/97v-24, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Ein Grundeigentümer, auf dessen Liegenschaft sich zwei unmittelbar nebeneinander austretende Quellen befinden, räumte mit Vereinbarung vom folgende Dienstbarkeit ein:
"...
II. Herr ... (Grundeigentümer) für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitze der vorgenannten Grundstücke räumt hiemit den Ehegatten ... (Klägern) bzw den jeweiligen Eigentümern der den Ehegatten ... (Klägern) in der KG ... allein oder gemeinsam gehörigen bzw zu erwerbenden Grundstücken das ausschließliche und immerwährende Recht ein, diese Quelle für ihre Zwecke zu nutzen und die notwendigen Wasserversorgungsanlagen, wie Quellfassung, Bassin und Wasserleitungen zu errichten und zu erhalten. Derzeit ist das Quellwasser für die von den Ehegatten ... (Klägern) auf der Liegenschaft ..., bestehend aus dem Grundstück 963/4 Acker, in Bau befindliche Hotelanlage gedacht. ...
VI. Herr ... (Grundeigentümer) erteilt seine ausdrückliche Einwilligung, daß ob seiner Liegenschaft ... hinsichtlich der Grundstücke ... die Dienstbarkeit des Wasserbezuges und der Wasserversorgungsanlagen zugunsten der Ehegatten ... (Kläger) im Sinne dieses Vertrages einverleibt werden kann.
Da die ... Quelle samt Versorgungsanlagen vor allem für die im Alleineigentum der Frau ... (Zweitklägerin) stehenden Liegenschaft ..., bestehend aus dem Grundstück 963/4 Acker, gedacht ist, erteilt Herr ... (Grundeigentümer) weiteres im Einvernehmen mit Herrn ... (Erstkläger) seine ausdrückliche Einwilligung, daß ob seiner Liegenschaft ... auch dieselbe Dienstbarkeit des Wasserbezuges und der Wasserversorgungsanlagen zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 963/4 Acker ... einverleibt werden kann.
Sollte in der Folge auch weiterer Grundbesitz der Ehegatten ... (Kläger) berechtigt werden, verpflichtet sich Herr ... (Grundeigentümer) für sich und seine Rechtsnachfolger, die notwendigen Aufsandungserklärungen zur grundbücherlichen Sicherstellung unverzüglich in grundbuchsfähiger Form abzugeben. ...."
Damit wurden inhaltsgleiche Dienstbarkeiten als persönliche Dienstbarkeit beiden Klägern sowie als Grunddienstbarkeit den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks 963/4 ... - das sich 1980 im Eigentum der Zweitklägerin befand - als herrschenden Grundstücks eingeräumt. Die Dienstbarkeit ist beim dienenden Grundstück unter COZ 5a zugunsten der Kläger und unter COZ 6a zugunsten des herrschenden Grundstücks einverleibt und bei diesem unter COZ 1a ersichtlich gemacht. 1982 bis 1986 errichtete eine Wohnungseigentumsgemeinschaft auf dem herrschenden Grundstück ein Hotel mit 72 Appartements und begründete daran Wohnungseigentum. Die Mehrheit der Anteile hält eine im Konkurs befindliche Aktiengesellschaft. Die erstbeklagte Partei, die mehrere Gastronomiebetriebe führt, kaufte ab 1988 von Wohnungseigentümern deren mit dem Wohnungseigentum an sieben Appartements verbundenen Miteigentumsanteile; für sie ist das Hotel eine weitere Betriebsstätte. Der Zweitbeklagte war bis August 1996 Prokurist der erstbeklagten Partei und ist derzeit Verwalter der im Wohnungseigentum der erstbeklagten Partei stehenden Appartements.
Die Wasserversorgung des Hotels erfolgte durch den 1987 gegründeten Verein "Time Sharing Ferienclub Berghotel ... ", dessen Vereinszweck das "Time Sharing" mehrerer Appartements ist, aus einem auf der Liegenschaft Dritter errichteten und von den (in Beton gefaßten) - etwa 1.200-1.300 m vom Hotel entfernten - Quellen gespeisten, 50.000 Liter fassenden Hochbehälter über eine Druckrohrleitung. Etwa 5 m unterhalb der Quellfassung wurde ein den Beginn der Wasserversorgungsleitung darstellender Beruhigungsschacht (100 Liter fassender Kunststoffbehälter mit Entlüftung und Überlaufstandrohr) errichtet.
Das Wasser ist derzeit genußuntauglich. Der Erstkläger, der eine Tafelwassererzeugung aufbauen will, kündigte 1996 namens des Vereins - dessen Obmann er freilich nur bis 1995 war, derzeit ist er nur einfaches Mitglied - den "Liefervertrag" gegenüber dem Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der genannten Aktiengesellschaft zum auf und teilte am namens des Vereins dem Masseverwalter schriftlich mit, man habe im Auftrag des Eigentümers die Wasserversorgungsanlage entsprechend der Vertragsaufkündigung außer Betrieb gesetzt, den Verteiler entfernt und die Anlage gesichert. Nach der "Leerung und Austrocknung" des Hochbehälters würden Reparatur- und Umbauarbeiten für die Tafelwasserabfüllung in Angriff genommen. Nachdem der Zweitbeklagte durch den Grundeigentümer Ende Juni 1996 von der Unterbindung des Wasserzuflusses verständigt worden war, setzte er die Versorgungsleitung zum Hochbehälter selbst wieder in Funktion - weil die Wasserversorgung für das belegte Hotel gefährdet war und weil im Brandfall weitere Löschmöglichkeiten fehlten - und brachte ein neues Schloß an.
Die Kläger begehrten a) gegenüber den beklagten Parteien die Feststellung, daß diese durch Aufbrechen der Versiegelung am Beruhigungsbecken und Inbetriebnahme der Wasserversorgungsanlage für das Hotel das Eigentumsrecht der Kläger an dieser Wasserversorgungsanlage gestört hätten, sowie von den beklagten Parteien b) die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und c) die Unterlassung solcher Störungshandlungen in der Zukunft. Vorgetragen wird dazu im wesentlichen von den Klägern, sie seien Eigentümer der Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage, der genannte Verein führe in ihrem Auftrag die Wasserversorgung durch; die Wiederinbetriebnahme der gesperrten Anlage durch die beklagten Parteien sei widerrechtlich erfolgt und verzögere die notwendige Sanierung.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die erstbeklagte Partei habe sich als Servitutsberechtigte gegen die Behinderung in der Ausübung eines absoluten Rechts durch gerechtfertigte Selbsthilfe zur Wehr gesetzt.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig.
a) Das Wasserbezugs- und Wasserleitungsrecht ist es eine Felddienstbarkeit iSd § 473 und des § 477 Z 2 ABGB. Derjenige, der das Recht hat, Wasser von fremdem Grund auf den seinigen zu leiten, ist überdies gemäß § 497 ABGB auch berechtigt, die dazu nötigen Röhren, Rinnen und Schleusen auf eigene Kosten anzulegen. In diesem Sinn sind die Kläger Dienstbarkeitsberechtigte. Durch den Verkauf des herrschenden Grundstücks an eine Wohnungseigentumsgemeinschaft und in weiterer Folge von insgesamt sieben Appartements an die erstbeklagte Partei wurde auch diese Dienstbarkeitsberechtigte, und zwar nicht nur in Ansehung des Wasserbezugsrechts, sondern zufolge Punkt VI. des Vertrags vom auch in Ansehung der zur Ausübung dieser Dienstbarkeit notwendigen Leitungen und sonstigen Vorrichtungen.
Dem Dienstbarkeitsberechtigten steht neben dem possessorischen Rechtsschutz auch die Servitutenklage nach § 523 ABGB offen. Das Klagebegehren der Servitutenklage kann gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks, aber auch gegen dritte Störer erhoben werden und geht, je nach Lage des Falls, neben den Begehren auf Feststellung der Dienstbarkeit, auf Einverleibung des noch nicht eingetragenen Rechts, etwa nach Ersitzung, sowie allenfalls auf Ersatz des verursachten Schadens nach allgemeinen Grundsätzen auch gegen jeden Störer auf Wiederherstellung, besonders durch Beseitigung der vom Beklagten verursachten Beeinträchtigung und auf Unterlassung künftiger Störungen (1 Ob 2003/96g mwN; Petrasch in Rummel2, § 523 ABGB Rz 8). Derartige Begehren haben die Kläger erhoben, weshalb ihre Klage als Servitutenklage nach § 523 ABGB zu beurteilen ist.
Inhalt des vorliegenden Rechtsstreits ist eine Auseinandersetzung zwischen gleichrangigen Servitutsberechtigten, wobei die erstbeklagte Partei, deren Verwalter hier insoweit der Zweitbeklagte ist, in die Rechtsstellung einer Miteigentümerin des herrschenden Guts eingerückt ist. Zur Abwehr des eigenmächtigen Eingriffs der Kläger in ihre Dienstbarkeit des Wasserbezugs und der Wasserversorgung griff die erstbeklagte Partei durch den Zweitbeklagten zur Selbsthilfe iSd § 19 ABGB. Deren von den Vorinstanzen angenommene Rechtmäßigkeit wird im Rechtsmittel gar nicht in Frage gestellt. Damit fehlt es an einem rechtswidrigen Eingriff in ein absolutes Recht der Kläger als eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg der Servitutenklage. Daß die Kläger Eigentümer der Wasserversorgungsanlage seien, wurde gerade nicht festgestellt, sondern, daß die Quellen auf der Liegenschaft des Grundeigentümers gefaßt wurden und der Hochbehälter auf der Liegenschaft Dritter errichtet wurde (ON 12 AS 131) und damit gemäß § 418 oder § 419 ABGB deren Eigentum wurde. Auch die Leitungen verlaufen nicht auf einer Liegenschaft der Kläger. Es ergibt sich auch nicht aus Punkt VI. des Vertrags vom , daß der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks an der Wasserversorgungsanlage selbst kein dingliches Recht erwerben sollte.
Auf die in der außerordentlichen Revision enthaltene unzulässige Rüge von Verfahrensfehlern erster Instanz sowie die unzulässige Beweis- und Tatsachenrüge einzugehen, ist dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, versagt.
b) Die von der zweiten Instanz dahin entschiedene Frage, bei Streitigkeiten gleichrangiger Dienstbarkeiten sei § 848a ABGB (richterlicher Regelung der Ausübung von Dienstbarkeiten und anderen dinglichen Lasten, die einen Anspruch auf Nutzung gewähren, im Außerstreitverfahren) analog anzuwenden (vgl dazu SZ 44/110; Hofmeister/Egglmeier in Schwimann2, § 848a ABGB Rz 1 f; Gamerith in Rummel2, § 848a ABGB Rz 2; Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Call/Eccher, Österreichisches Sachenrecht2 161), muß deshalb nicht mehr erörtert werden, weil die Klägerin darauf in ihrem Rechtsmittel nicht zurückkommen. Schuldrechtliche Fragen können sich bei einer Servitutenklage wie hier nicht zur Beurteilung stellen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).