OGH vom 22.09.1993, 5Ob527/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Hans-Jürgen S*****, ohne Berufsangabe, D 8000 München, D*****straße 665, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Herwig Grosch und Partner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Ines S*****, ohne Berufsangabe, ***** K*****, L*****weg 6c, vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Unterlassung (Streitwert S 50.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2a R 7/93-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom , GZ 4 C 188/92-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind verheiratet, leben jedoch getrennt. Sie sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** K***** mit dem Haus L*****weg Nr. 6c, in dem sich die ehemalige Ehewohnung sowie eine weitere Wohnung (sogenannte Inliegerwohnung) befindet. Diese Inliegerwohnung wurde von der Beklagten, die seit März 1991 allein im Haus wohnt, bereits mehrmals vermietet, und zwar vom bis zum , vom bis zum und vom bis zum .
Der Kläger, der erstmals im Sommer 1991 von der Vermietung der Inliegerwohnung erfuhr, erblickt darin einen rechtswidrigen Eingriff in sein Eigentumsrecht. Er hat deshalb am (also noch vor der bislang letzten Vermietung) eine mit S 50.000,-- bewertete Unterlassungsklage erhoben und damit ein (mittlerweile zurückgezogenes) Rechnungslegungsbegehren verbunden.
Die Beklagte berief sich auf eine zumindest konkludent erklärte Zustimmung des Klägers. Unter anderem habe er seine Unterhaltsschuld mit den Mieteinnahmen der Beklagten verrechnet. Überdies habe er der Beklagten durch den Auszug aus der Ehewohnung die Verwaltung der Liegenschaft überlassen und sich auch nicht mehr um deren Erhaltung gekümmert. Sie sei auf die Einnahmen einer zeitweisen Vermietung der Inliegerwohnung an Saisongäste angewiesen, weil der vom Kläger gereichte Unterhalt nicht zur Deckung der Kosten des gemeinsamen Hauses ausreiche.
Mit dem angefochtenen Berufungsurteil wurde die Beklagte - in Abänderung des die Klage zur Gänze abweisenden Urteils des Erstgerichtes - schuldig erkannt, die Vermietung der (näher beschriebenen) Inliegerwohnung zu unterlassen. Dieses Urteil enthält den Ausspruch, daß der Wert des berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteigt und daher die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.
In der nunmehr vorliegenden "außerordentlichen" Revision vertritt die Beklagte die Rechtsansicht, daß die streitwertabhängige Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 ZPO gar nicht zur Anwendung komme, weil eine familienrechtliche Streitigkeit iSd § 49 Abs 2 Z 2c JN vorliege (§ 502 Abs 3 Z 1 ZPO). Kern der Auseinandersetzung sei nämlich die Weigerung des Beklagten, die im Unterhaltsstreit 1 C 14/91 des Bezirksgerichtes Kitzbühel getroffene Vereinbarung zu erfüllen, wonach er zumindest für einen Zeitraum von 5 Monaten sämtliche Kosten des gemeinsamen Hauses zu tragen habe. Der familienrechtliche Charakter des nunmehrigen Rechtsstreites sei darin zu erblicken, daß der Kläger der Beklagten die Vermietung der zur Hälfte ihm gehörigen Inliegerwohnung als Unterhaltsleistung überlassen habe. Es gehe ihm in Wahrheit nicht um die Durchsetzung von Eigentumsansprüchen, sondern um die familienrechtliche Abwicklung (gemeint ist wohl gegenseitiger vermögensrechtlicher Ansprüche) während des aufrechten Bestandes der Ehegemeinschaft. Die Revision zielt primär auf eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils, enthält aber auch einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
§ 502 Abs 3 Z 1 ZPO ermöglicht die streitwertunabhängige Revision u.
a. in Streitigkeiten, die "aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringen" (§ 49 Abs 2 Z 2c JN). § 76a JN normiert für eben diese Streitigkeiten die ausschließliche Zuständigkeit jenes Gerichtes, bei dem ein Verfahren über die Scheidung, Aufhebung, Nichtigerklärung oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien anhängig ist, solange ein diesbezüglicher Zusammenhang besteht. Damit können mit Streitigkeiten aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten - § 502 Abs 3 Z 1 ZPO subsumiert sie sogar ausdrücklich unter die familienrechtlichen Streitigkeiten - nur solche gemeint sein, die ohne Berücksichtigung der den Ehegatten kraft Gesetzes auferlegten besonderen Rechte und Pflichten gar nicht zu lösen sind. Die Wurzel des konkreten Konfliktes muß demnach in einem Meinungsstreit über Rechte und Pflichten liegen, die sich aus dem Eheband der Streitteile ergeben. Für den anspruchsbegründenden Sachverhalt muß das Eheverhältnis zumindest mitbestimmend sein (EFSlg 66.861); nur dann kann iSd der einschlägigen Judikatur von einem ehe- bzw. familienrechtlichen Charakter des Rechtsstreites (vgl RZ 1983, 149/35) oder davon gesprochen werden, daß sich der geltend gemachte Anspruch - wie § 49 Abs 2 Z 2c JN iVm § 502 Abs 3 Z 1 ZPO verlangt - aus dem Wesen der ehelichen Gemeinschaft ergibt (5 Ob 1540/93). Ein nur zufällig zwischen Ehegatten zustandegekommenes, auch zwischen anderen Personen denkbares Rechtsverhältnis erzeugt keine Streitigkeiten, die für das gegenseitige Verhältnis von Ehegatten typisch sind.
Bei all dem ist noch beachtlich, daß für die Erfüllung eines Zuständigkeitstatbestandes primär die Angaben des Klägers maßgebend sind (§ 41 Abs 2 JN). Einen Rückgriff auf die Einwendungen des Beklagten läßt die Judikatur nur dann zu, wenn dadurch ein auslegungsbedürftiges Vorbringen des Klägers verdeutlicht werden kann (vgl MietSlg 31/23; 5 Ob 1110/92). Begründet der Kläger sein Begehren in sich schlüssig mit einem Anspruch, der nicht einem Eheverhältnis mit der Gegenpartei, sondern einem Rechtsverhältnis entspringt, wie es zwischen beliebigen Personen bestehen kann, liegt der Zuständigkeitstatbestand des § 49 Abs 2 Z 2c JN (und damit auch der Tatbestand für die streitwertunabhängige Revision gemäß § 502 Abs 3 Z 1 ZPO) daher nicht vor.
Im gegenständlichen Fall hat der Kläger sein Unterlassungsbegehren auf die ihm als Miteigentümer des Hauses L*****weg Nr 6c in K***** (bzw. der darin befindlichen Inliegerwohnung) zukommenden Rechte gestützt. Daß die andere Miteigentümerin seine Ehefrau ist, ändert nichts am Wesen des Unterlassungsanspruchs, weil die für diesen Anspruch maßgeblichen Verwaltungsbefugnisse durch das Miteigentumsverhältnis und nicht durch die besonderen eherechtlichen Beziehungen zwischen den Miteigentümern bestimmt werden. Auch die Auseinandersetzung um die Aufbringung der finanziellen Mittel für die Erhaltung des nur mehr von der Beklagten bewohnten Hauses dreht sich um ein typisches Problem der Miteigentümergemeinschaft. Eherechtlichen Charakter hat nur das Argument der Beklagten, ihr stehe das Recht auf Vermietung der Inliegerwohnung gleichsam als Unterhaltsanspruch zu, doch ist mit dieser Einwendung ein primär von den Klagsbehauptungen abhängiger Zuständigkeitstatbestand, der in genau dieser Ausprägung auch für die Revisionszulässigkeit maßgeblich ist, nicht zu begründen (vgl 5 Ob 1110/92 mwN). Ihre Unterhaltsansprüche kann die Beklagte ohnehin in einem hinsichtlich der Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofes privilegierten Verfahren geltend machen (§ 502 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 49 Abs 2 Z 2 JN).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.