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OGH vom 29.01.2019, 2Ob234/18b

OGH vom 29.01.2019, 2Ob234/18b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der ***** 1948 verstorbenen A***** K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach dem ***** 2016 verstorbenen ***** B***** K*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. J***** D*****, dieser vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 233/18x53, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 7 A 42/17z45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen über den Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Genehmigung der Löschung zweier Anmerkungen des Substitutionsbandes (Punkt 1 der erstgerichtlichen Entscheidung) und das darüber geführte Verfahren als nichtig aufgehoben. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs gegen die Bestätigung von Punkt 2 der erstgerichtlichen Entscheidung richtet, wird er zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zwei Liegenschaften der 1948 verstorbenen Erblasserin stehen derzeit im Eigentum der Verlassenschaft nach ihrem Enkel (in der Folge: Verlassenschaft). Bei diesen Liegenschaften ist die fideikommissarische Substitution zugunsten der 1986 verstorbenen Mutter des Enkels (als Nachlegatarin) angemerkt.

Der Enkel hatte schon 2004 beantragt, die Löschung dieser Anmerkungen substitutionsgerichtlich zu genehmigen. Das Erstgericht hatte diesen Antrag abgewiesen, weil dem Testament der Erblasserin auch eine fideikommissarische Substitution zugunsten weiterer Personen (Nachkommen ihrer Tante) zu entnehmen sei. Dieser Beschluss war nach Bestätigung durch das Rekursgericht rechtskräftig geworden (ON 6 und ON 10 in 7 Nc 15/04a des Erstgerichts, einbezogen als ON 46 des Verlassakts). Einen vom Enkel im Jahr 2007 gestellten Antrag auf „Wiederaufnahme“ des Verfahrens und (neuerlich) auf Genehmigung der Löschung hatte das Erstgericht mit derselben Begründung „ab- bzw zurückgewiesen“. Auch dieser Beschluss wurde rechtskräftig (ON 14 in 7 Nc 15/04a).

Im beantragt die Verlassenschaft die Genehmigung der Löschung der Anmerkungen.

Das wies diesen Antrag ab (Punkt 1) und verfügte die Zuleitung der Akten an den Gerichtskommissär zur Beiziehung allfälliger weiterer Berechtigter (Punkt 2). Inhaltlich verwies es auf die Begründung der beiden Vorentscheidungen, die es ebenso wie das Testament der Erblasserin „zum Inhalt dieses Beschlusses“ erklärte.

Die focht diesen Beschluss „nach seinem gesamten Inhalt“ an.

Das gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es teilte inhaltlich die Auffassung des Erstgerichts, dass sich aus dem Testament die (mögliche) Berechtigung weiterer – bisher nicht bekannter – Personen ergebe. Dies stehe der Löschung der Anmerkungen entgegen, weil diese ganz allgemein das Substitutionsband sicherten. Zu Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses nahm das Rekursgericht nicht ausdrücklich Stellung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein der Verlassenschaft. Sie ficht den Beschluss des Rekursgerichts „seinem gesamten Inhalt nach“ an und beantragt eine ihrem Antrag stattgebende Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

A. Aus Anlass dieses Rechtsmittels sind die Entscheidungen der Vorinstanzen über den Antrag der Verlassenschaft (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses) und das darüber geführte Verfahren als nichtig aufzuheben. Der Antrag ist wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

1. Auch Beschlüsse im Außerstreitverfahren werden – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – materiell rechtskräftig (RISJustiz RS0007171), sie entfalten daher Bindungs- und Einmaligkeitswirkung (RISJustiz RS0007171 [T13]). Hier ist die Einmaligkeitswirkung relevant: Ein Antrag des Enkels auf Genehmigung der Löschung der Anmerkungen der fideikommissarischen Substitution wurde schon 2004 rechtskräftig abgewiesen. Da die in den Anmerkungen als Nachlegatarin genannte Person schon damals tot war, hat sich seither keine relevante Änderung des Sachverhalts ergeben. Schon der zweite Antrag des Enkels aus 2007 wäre daher richtigerweise (nur) zurückzuweisen gewesen.

2. Die Rechtskraft erstreckt sich nach allgemeinen Grundsätzen auf die Gesamtrechtsnachfolger der Parteien (RIS-Justiz RS0035389). Gesamtrechtsnachfolger im Fall des Todes sind zunächst der ruhende Nachlass, dann der oder die Erben (1 Ob 121/16z mwN). Im vorliegenden Fall wird daher auch die antragstellende Verlassenschaft von der Rechtskraftwirkung der 2004 ergangenen Entscheidung erfasst. Eine relevante Sachverhaltsänderung ist auch in diesem Verfahrensstadium nicht zu erkennen: Der Tod des Vorerben ändert nichts an der möglichen Berechtigung dritter Personen, und auch das (erstmals im Rekurs erstattete) Vorbringen, die mögliche Berechtigung Dritter stehe einer Löschung der konkreten Anmerkungen nicht entgegen, beruht auf derselben Sachverhaltsgrundlage wie der Beschluss aus dem Jahr 2004. Bloß neues Rechtsvorbringen kann die Rechtskraft einer Entscheidung aber nicht durchbrechen.

3. Schon das Erstgericht hätte daher den Antrag wegen entschiedener Sache zurückweisen müssen. Das ist vom Obersten Gerichtshof aufgrund eines zulässigen (auch außerordentlichen) Rechtsmittels wahrzunehmen (RISJustiz RS0041896). Ein solches Rechtsmittel liegt hier vor: Voraussetzung dafür ist zwar auch im Außerstreitverfahren ein Eingriff in rechtlich geschützte Interessen des Rechtsmittelwerbers (RISJustiz RS0006641), also dessen materielle Beschwer (RISJustiz RS0118925). Diese ist aber im Zweifel auch dann anzunehmen, wenn ein Sachantrag ein zweites Mal mit inhaltlicher Begründung abgewiesen wird. Zwar wird eine solche „Verdoppelung“ der Sachentscheidung dem Antragsteller im Regelfall nicht schaden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Rechtskraft der ersten Entscheidung – aus welchem Grund auch immer – wegfällt. Dann würde der Antragsteller von der Rechtskraft der zweiten Entscheidung, die wegen der Einmaligkeitswirkung der ersten Entscheidung nicht hätte ergehen dürfen, erfasst. Daher ist er auch durch diese Entscheidung materiell beschwert.

4. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der über den Antrag ergangenen Entscheidungen und des darüber geführten Verfahrens. Der Antrag der Verlassenschaft ist wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Auslegung des Testaments wird – mangels Einigung – nur in einem Streitverfahren zwischen ihr und den möglichen Nachlegataren geklärt werden können.

B. Soweit sich der Revisionsrekurs auch gegen die Bestätigung von Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses richtet, ist er mangels Beschwer zurückzuweisen.

1. Die mit Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses verfügte Zuleitung der Akten an den Gerichtskommissär hatte verfahrensleitenden Charakter. Das hätte nach § 45 AußStrG zur Zurückweisung des auch insofern erhobenen Rekurses führen müssen. Da diese unterblieb, ist anzunehmen, dass sich die bestätigende Sachentscheidung des Rekursgerichts auch auf diesen Punkt des erstgerichtlichen Beschlusses bezieht. Hat das Rekursgericht über einen Rekurs gegen einen verfahrensleitenden Beschluss entschieden, so ist seine Entscheidung aus Anlass eines zulässigen Revisionsrekurses aufzuheben, und der Rekurs ist zurückzuweisen (2 Ob 64/18b mwN).

2. Allerdings liegt im vorliegenden Fall kein zulässiger Revisionsrekurs vor: Zwar hat die Verlassenschaft den Beschluss des Rekursgerichts zur Gänze und damit im Zweifel auch in Bezug auf die (implizite) Bestätigung von Punkt 2 der erstgerichtlichen Entscheidung angefochten. Hier ist aber kein Eingriff in ihre rechtlich geschützten Interessen zu erkennen. Denn Alternative zu dieser verfahrensleitenden Verfügung wäre Untätigkeit des Erstgerichts. Dies würde der Verlassenschaft aber nicht weiterhelfen, weil sich dadurch nichts an der Beschränkung ihrer Verfügungsbefugnis an den beiden strittigen Liegenschaften änderte. Auch sonst ist nicht erkennbar, welche Auswirkungen die verfahrensleitende Verfügung auf die Rechtsstellung der Verlassenschaft hat. Sie ist daher in diesem Punkt nicht beschwert.

3. Die fehlende Beschwer führt zur (teilweisen) Unzulässigkeit des Rekurses. Er ist daher in diesem Punkt zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00234.18B.0129.000

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Fundstelle(n):
TAAAD-38284