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OGH vom 28.01.2009, 1Ob145/08t

OGH vom 28.01.2009, 1Ob145/08t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Elmar P*****, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in Imst, gegen die beklagten Parteien 1. H***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, und 2. H***** Gesellschaft m.b.H., beide *****, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Güssing, wegen 2.180,19 EUR sA und Herausgabe (Streitwert 2.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 490/07h-21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Imst vom , GZ 7 C 1837/06m-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 408,67 EUR (darin enthalten 68,11 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der im Rahmen seines Unternehmens für Bauplanung und Bauleitung ein Statikprogramm entwickelt hatte, schloss im September 1997 mit der Erstbeklagten (Lizenznehmerin) eine als Lizenzvertrag übertitelte Vereinbarung über die Lieferung eines Computerprogramms auf Datenträgern sowie eines Schutzsteckers gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts von knapp 60.000 ATS. Der Lizenzgeber räumte der Lizenznehmerin nach Punkt 1.1. des Vertrags aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Entgelts „die nicht übertragbare, persönliche, nicht ausschließliche ... zeitlich nicht begrenzte Lizenz zum Gebrauch" des Programms und der Anwenderdokumentation (Benutzerhandbuch) ein. Weiters wurde vereinbart, dass die Lizenznehmerin die Lizenzprogramme einschließlich der Anwenderdokumentation Dritten weder entgeltlich noch unentgeltlich, befristet oder auf Dauer, überlassen und auch keine Unterlizenzen einräumen dürfe. Der Grund dafür war, dass der Kläger eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, die jedoch nur dann zum Tragen kam, wenn das Programm direkt vom Kläger stammte und eventuelle Schäden aus einem Programmfehler nur abdeckte, wenn die Schäden beim „eigentlichen" Lizenznehmer auftraten. Der Kläger hatte seine Kunden auch jährlich der Versicherung zu melden. Im Punkt 9. des Vertrags wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Lizenzgeber Eigentümer der Lizenzprogramme, der Datenträger und des Schutzsteckers bleibe und der Lizenznehmer insoweit nur ein Nutzungsrecht erhalte. Nach Punkt 10.1. ist der Kläger berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund aufzulösen. Als solcher wird die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Lizenznehmers im Vertrag ausdrücklich angeführt. Mit Punkt 10.2. des Vertrags wurde festgelegt, dass der Lizenznehmer bei Auflösung des Vertrags binnen 3 Tagen die Lizenzprogramme zu löschen, dies schriftlich zu bestätigen und alles Erhaltene zurückzugeben habe; für den Verzugsfall wurde eine Vertragsstrafe festgesetzt.

Mit Beschlüssen des Landesgerichts Eisenstadt jeweils vom wurden über das jeweilige Vermögen der Beklagten Konkursverfahren eröffnet. Daraufhin erklärte der Kläger mit Brief vom die Auflösung des Vertrags mit sofortiger Wirkung, forderte die Löschung der Lizenzprogramme auf allen Computern und Speichermedien und die Rückstellung der Datenträger samt Schutzstecker und Anwenderdokumentation. Auf die für jeden begonnenen Monat des Verzugs vereinbarte Vertragsstrafe von 10.000 ATS (= 726,73 EUR) pro Monat wurde hingewiesen.

Der Kläger begehrte von der Erstbeklagten die Herausgabe der Lizenzprogramme auf Datenträgern samt Schutzstecker und Anwenderdokumentation inklusive aller Vervielfältigungen sowie die Löschung des Programms auf allen Computern oder Speichermedien und die schriftliche Bestätigung dieses Vorgangs sowie von beiden Beklagten die Zahlung von 2.180,19 EUR sA an Vertragsstrafe für drei Monate. Die Beklagten hätten weder die Lizenzprogramme gelöscht, noch dies bestätigt, noch den Schutzstecker oder die Datenträger retourniert.

Die Beklagten wandten ein, sie hätten einen einmaligen Rechnungsbetrag von 58.800 ATS für das gelieferte Standard-Softwareprogramm bezahlt, das ihnen zeitlich unbegrenzt überlassen worden sei. Es sei damit trotz der Bezeichnung als „Anwenderlizenzvertrag" kein kündbares Dauerschuldverhältnis begründet worden, sondern ein nach den Bestimmungen der Konkursordnung nicht anfechtbarer Kaufvertrag. Die „Insolvenzausstiegsklausel" sei sittenwidrig, die Vertragsstrafe unterliege der richterlichen Mäßigung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und ging von einem aufkündbaren Dauerschuldverhältnis aus.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab und gelangte unter Hinweis auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Einordnung von Computersoftwareüberlassungsverträgen rechtlich zu einem unkündbaren Kaufvertrag.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

In der bereits vom Berufungsgericht zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 504, 505/96; 4 Ob 30/00s; 7 Ob 94/02b; 5 Ob 45/05m; RIS-Justiz RS0108702) wurden Verträge, mit denen gegen einmaliges Entgelt Standardcomputersoftware überlassen wurde, als Kaufverträge eingeordnet. Danach ändert die Bezeichnung als Lizenzvertrag daran nichts, weil im Geschäftsverkehr im Zusammenhang mit Softwareüberlassungs- bzw Softwarebenutzungsverträgen der Rechtsbegriff „Kaufvertrag" in aller Regel vermieden und durch andere „ersetzt" werde, jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung des Geschäftsfalls dem Erwerber die zeitlich unbegrenzte Verfügungsmacht über das im Werkstück festgehaltene Computerprogramm eingeräumt werde, was als Sachkauf zu beurteilen sei (4 Ob 30/00s).

Auch hier wurde sowohl die gesamte Zahlungspflicht als auch die gesamte Leistungspflicht (in Form der Übergabe des Softwareprogramms) sofort fällig, ohne dass irgendwelche Wartungs-, Instandhaltungs-, „Up-date-" oder sonstige Dauerleistungsverpflichtungen bestünden.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Grundsatzentscheidung 5 Ob 504, 505/96 auch ausgeführt, dass die Vereinbarung einer Rückgabeverpflichtung jedenfalls dann nicht gegen die Annahme eines Kaufvertrags spräche, wenn sich der Anbieter kein dingliches Rückforderungsrecht vorbehielt, sondern mit einer schuldrechtlichen Rückgabeverpflichtung begnügte. Dort war nach vollständiger Zahlung der Einmalgebühr der Erwerber schließlich auch berechtigt, die Rechte aus dem Vertrag mit Zustimmung der Veräußerer an den Käufer der (EDV-)Anlage zu übertragen.

Im hier vorliegenden Fall hingegen wurde dem Kläger laut Punkt 9. des Vertrags ausdrücklich das Eigentum am Lizenzprogramm, den gelieferten Datenträgern und dem Schutzstecker vorbehalten und dem Lizenznehmer sowohl die entgeltliche als auch unentgeltliche Verfügung über die Lizenzprogramme Dritten gegenüber untersagt.

Ob der vorliegende Vertrag deshalb als Ziel- oder als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist, kann aber dahingestellt bleiben, weil aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung das vereinbarte Auflösungsrecht des Klägers (bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Lizenznehmers) sittenwidrig ist:

Nach § 879 Abs 1 ABGB sind Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig. Damit sollen Missbräuche im Hinblick auf die bestehende Privatautonomie verhindert werden (Krejci in Rummel, ABGB³ § 879 Rz 1). Ein Geschäft ist sittenwidrig, wenn es, ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, also ungeschriebenes Recht - insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze - verletzt. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung ankommt (RIS-Justiz RS0022866; RIS-Justiz RS0022920; RIS-Justiz RS0022884; Apathy/Riedler in Schwimann3 § 879 ABGB Rz 8). Sittenwidrigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Vertrag eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie wird die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht (RIS-Justiz RS0045886; Apathy/Riedler aaO mwN). Im Sinne eines beweglichen Systems sind hiebei alle Umstände zu berücksichtigen und durch deren Gewichtung zu prüfen (RIS-Justiz RS0113653). Bei den durch die guten Sitten umschriebenen Schranken der Rechtsausübung geht es letztlich darum, die zwischen den Parteien bestehenden Interessenlagen zu würdigen und die im Hinblick darauf angemessenen Rechtsfolgen in Abweichung von den Regelungsmustern der einschlägigen speziellen Rechtsnormen zu finden (RIS-Justiz RS0016478).

Hier hat der Kläger gegen Zahlung eines einmaligen, von ihm offensichtlich für die unbefristete Nutzung angemessen angesehenen Entgelts das zeitlich nicht begrenzte Gebrauchsrecht an der Software (Datenträger, Schutzstecker, Anwenderdokumentation) eingeräumt, ohne dass ein weiterer Leistungsaustausch zwischen den Parteien vereinbart, auch nur angekündigt oder ins Auge gefasst worden wäre. Dem Erwerber wurde die Weitergabe des Vertragsgegenstands untersagt, was seinen Grund in der dargestellten Haftpflichtversicherung des Klägers hatte. Darüber hinaus hat sich der Kläger im hier interessierenden Zusammenhang aber auch das Recht auf Auflösung des Vertrags - ohne auch nur teilweise Rückzahlung des Entgelts - explizit für den Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Lizenznehmers ausbedungen. Dieses Recht war weder an eine bestimmte Nutzungsdauer der Computersoftware, noch an eine im Rahmen des Konkursverfahrens erfolgte Weitergabe des Softwareprogamms geknüpft. Selbst wenn - wie hier - der Erwerber des Softwareprogramms dieses nahezu ein Jahrzehnt lang vertragskonform in seinem Unternehmen nutzte und das dafür vom Kläger geforderte Entgelt zu Beginn der Überlassung des Programms zur Gänze geleistet hatte, wäre daher alleine die Eröffnung des Konkursverfahrens ausreichend, um den Vertrag auflösen zu können. Sogar wenn der Erwerber des Softwarenutzungsrechts nur wenige Tage oder Wochen nach Vollzahlung des Entgelts in Konkurs verfallen wäre, wäre nach der Vertragsbestimmung dem Kläger ein Auflösungsrecht ohne auch nur anteilige Entgeltrefundierung zugestanden. Dafür ist keinerlei Interesse des Klägers - sei es rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur - ersichtlich. Wenn dem Kläger auch ein Interesse daran zugebilligt werden mag, bei nachträglicher Weitergabe der Computersoftware die Auflösung des Vertrags und die Rückforderung des Vertragsgegenstands in der Position als Eigentümer erwirken zu können, gilt dies nicht bei bloßer Eröffnung des Konkursverfahrens. Dies zeigt gerade der hier vorliegende Fall, wo unstrittig die Beklagten nach Abschluss eines Zwangsausgleichs weiter bestehen, das Computerprogramm auch weiterhin selbst nutzen, und nicht einmal der Kläger vorgebracht hat, dass es zu einer vertragswidrigen Weitergabe des Softwareprogramms gekommen wäre. Ein berücksichtigungswürdiges Interesse des Klägers, in dieser Situation das zur Gänze bezahlte Computerprogramm zurückzufordern, ist in keiner Weise ersichtlich, wohingegen das Interesse der beklagten Baugesellschaften, das erworbene Statikprogramm des Klägers weiter verwenden zu können, auf der Hand liegt. Bei einer derartig einseitigen Interessenlage ist im Sinne der dargestellten Judikatur und Literatur ein Verstoß der Vertragsbedingung gegen die guten Sitten zu bejahen.

Die als Grundlage für den Rückforderungs- und Zahlungsanspruch geltend gemachte Auflösungsklausel ist daher nichtig und vermag keine Anspruchsgrundlage zu bilden, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.