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OGH vom 29.08.1979, 1Ob681/79

OGH vom 29.08.1979, 1Ob681/79

Norm

EO § 7;

Fernmeldegesetz § 2;

Fernsprechordnung § 17;

Fernsprechordnung § 38;

Fernsprechordnung § 56;

ZPO § 226;

ZPO § 405;

Kopf

SZ 52/122

Spruch

Das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten, steht ausschließlich dem Bund zu; die Gerichte sind daher nicht berechtigt, gegen einen Fernsprechteilnehmer ein Urteil zu erlassen, wonach dieser selbst verpflichtet wäre, eine Telefonleitung zu entfernen

(LG Salzburg 32 R 23/79; BG Hallein C 299/78)

Text

Als der Beklagte im Jahre 1972 für seinen Restaurantbetrieb einen Telefonanschluß brauchte, wandte er sich an seine Nachbarn, damit ihm diese die Führung der Leitung über ihren Grund gestatteten, darunter an den Kläger. Am unterfertigte dieser folgende "Erklärung des Verfügungsberechtigten": "Ich bin damit einverstanden, daß meine Liegenschaft V, Parzelle Nr. 52 der KG V, für die Herstellung von 5 Masten für den Anschluß des Hugo M benützt wird." In der Folge wurde von der Post- und Telegraphenverwaltung auch eine Telefonleitung zur Liegenschaft des Beklagten Hugo M errichtet und hiebei fünf Masten auf dem Grund des Klägers gesetzt. Mit der Behauptung, die Aufstellung der Masten nur für zwei Jahre gestattet zu haben, begehrt der Kläger das Urteil, der Beklagte sei schuldig, die auf dem Grundstück 52 aufgeführte Telefonleitung samt den zu diesem Zweck aufgestellten fünf Holzmasten zu entfernen. Der Beklagte wendete ein, daß die Masten ohne zeitliche Begrenzung bis zur unterirdischen Verkabelung der Telefonleitung stehen bleiben durften.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte im wesentlichen fest: Anläßlich seiner Zustimmungserklärung habe der Kläger verlangt, daß die Masten nicht zu lange bleiben dürften, worauf der Beklagte erwidert habe, es werde zwei Jahre dauern, bis er die Leitung unterirdisch verkabeln könne. Es habe sodann zwischen den Streitteilen Übereinstimmung geherrscht, daß die Masten nur befristet auf dem Grund des Klägers stehen dürften. Die erwähnten zwei Jahre seien verstrichen, ohne daß etwas geschehen sei. Der Kläger habe den Beklagten hierauf erfolglos auf Entfernung der Telefonleitung gedrängt. Erst im Sommer 1978 habe dieser den Antrag an die Post- und Telegraphenleitung gestellt, seine Telefonleitung zu verkabeln. Die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung sei am ehesten als Leihvertrag anzusehen. Nach § 975 ABGB müsse bei einem Streit über die Dauer des Gebrauches der Entlehner das Recht auf den längeren Gebrauch beweisen. Dieser Beweis sei dem Beklagten keinesfalls gelungen. Der Einwand des Mangels der passiven Klagslegitimation sei verfehlt. Vertragspartner für den gegenständlichen Leihvertrag seien die Streitteile, nicht aber der Kläger und die Post. Auch sei das Urteilsbegehren nicht geradezu unmöglich im Sinne des § 878 ABGB. Es hindere nämlich die Verurteilung nicht, daß bei Fällung des Urteiles noch nicht feststehe, ob seine Durchführung aus technischen Gründen teilweise unmöglich sein werde.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige. Gemäß § 2 FMG stehe das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, ausschließlich dem Bund zu. Die gegenständliche Telefonleitung und die Holzmasten seien Fernmeldeanlagen im Sinne des Fernmeldegesetzes; das Recht, Masten und Leitungen zu errichten und zu betreiben, also auch der Weiterbestand dieser Anlage, liege also nicht beim Beklagten, sondern beim Bund. Die vom Kläger mit dem Beklagten besprochene Belastung des eigenen Grundstückes sei ein Leitungsrecht im Sinne des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, BGBl. 71/1968, und sei nicht dem Beklagten, sondern dem Bund, vertreten durch die Fernmeldebehörde, eingeräumt worden. Nur zwischen den Streitteilen sei eine Vereinbarung darüber geschlossen worden, daß der Kläger auf die Dauer von zwei Jahren die Errichtung einer Telefonanlage dulde. Durch die Vereinbarung konnte der Beklagte weder berechtigt werden, eine Telefonanlage zu errichten, noch nach Ablauf der Vereinbarung verpflichtet werden, die Telefonanlage zu beseitigen. Gegenüber dem Beklagten könne eine Klage nicht auf Entfernung der Leitung, sondern lediglich auf Abgabe der Erklärungen, welche dem Beklagten zum Zweck der Herstellung des vom Kläger gewünschten Zustandes zustehen, also Anträge auf Verkabelung durch Erdkabel und Abbau der dann überflüssigen oberirdischen Leitung, erhoben werden. Daß die Leitungsrechte nicht beim Beklagten liegen, sei keine Frage der technischen Durchführbarkeit des Urteilsbegehrens, sondern bewirke, daß das Klagebegehren abgewiesen werden müsse.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger beschwert sich zunächst unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens darüber, daß der Erstrichter bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes verpflichtet gewesen wäre, den Kläger auf sein mangelhaftes Begehren hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu geben, den Wortlaut des Klagebegehrens im Sinne des § 235 Abs. 4 ZPO richtigzustellen; dies könne der im Verfahren erster Instanz erfolgreiche Kläger auch noch im Revisionsverfahren rügen. In der Rechtsprechung wird tatsächlich die Auffassung vertreten, daß noch kein Grund zur Abweisung des Klagebegehrens besteht, wenn die Klagserzählung in ihren Einzelheiten die notwendige Deutlichkeit vermissen lasse; das Gericht habe vielmehr gemäß § 182 ZPO die Parteien zur Ergänzung ihres Vorbringens und im Bestreitungsfall zur Stellung geeigneter Beweisanträge anzuhalten; erst wenn nach Erfüllung dieser Prozeßleitungspflicht der Vortrag rechtserzeugender Tatsachen nicht ausreiche, könne das Begehren wegen Unschlüssigkeit abgewiesen werden (JBl. 1974, 48; JBl. 1965, 151 u. a.). Aufgabe des Gerichtes ist es jedoch nur, alle tatsächlichen Umstände zu erörtern, die für die Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens, wie es der Kläger stellte, maßgeblich sind. Die Parteien sind außerdem noch darauf hinzuweisen, ein unklares Begehren (ohne Änderung seines Inhaltes) zu präzisieren. Die Anleitung hat hingegen nicht so weit zu gehen, ein rechtlich unzulässiges und daher abzuweisendes Begehren durch eine Klagsänderung dahin abzuändern oder zu erweitern, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung doch noch gegeben sein könnten. Ein Klagebegehren, das aus den Klagsbehauptungen aus rechtlichen Gründen nicht abgeleitet werden kann, ist vielmehr ohne Aufnahme von Beweisen abzuweisen (JBl. 1978, 545). Bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes war damit die Rechtssache entscheidungsreif. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben.

Der Revision ist insoweit beizupflichten, daß entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auf den vorliegenden Fall das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, BGBl. 71/1968, nicht anzuwenden ist, da dieses Bundesgesetz nach seinem § 1 Abs. 1 nur für elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom und nach seinem § 1 Abs. 2 nicht einmal für Starkstromleitungsanlagen gilt, die den technischen Einrichtungen der Post oder Fernmeldezwecken dienen. Maßgebend ist vielmehr die Fernsprechordnung, BGBl. 276/1966, die durch Art. I Abs. 1 Z. 8 des Bundesgesetzes BGBl. 267/1972 auf Gesetzesstufe gehoben wurde. Nach § 36 Abs. 2 FSprO hat der Anschlußwerber für eine Teilnehmereinrichtung für Liegenschaften oder Gebäude, die für die Herstellung des verlangten Anschlusses in Anspruch genommen werden müssen, eine schriftliche Erklärung des Verfügungsberechtigten beizubringen, wonach dieser mit der Herstellung des verlangten Anschlusses einverstanden ist. Da in der "Erklärung" kein einseitiges Kündigungsrecht des Verfügungsberechtigten vorgesehen ist, wurde jedenfalls vor dem Inkrafttreten der Fernsprechordnung 1966 ein solches von der Post- und Telegraphenverwaltung grundsätzlich nicht anerkannt (Schaginger - Vavra, Das österreichische Fernmelderecht, 163), Das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten, steht, wie schon das Berufungsgericht darlegte, ausschließlich dem Bund zu (§ 2 Abs. 1 FMG). Hauptanschlüsse werden daher auch durch eine Amtsleitung (Hauptanschlußleitung) mit der Vermittlungsstelle verbunden (§ 17 Abs. 2 FSprO) und sind auch bei Kündigung, Auflassung oder Aufgabe von der Post- und Telegraphenverwaltung von Amts wegen wieder abzutragen (§ 56 FSprO). Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß die Gerichte nicht berechtigt sein können, gegen einen Fernsprechteilnehmer ein Urteil zu erlassen, wonach dieser selbst verpflichtet wäre, eine Telefonleitung zu entfernen. Ein Exekutionstitel darf nur geschaffen werden, wenn der Verpflichtete auch rechtlich in der Lage ist, die von ihm geforderte Handlung vorzunehmen (SZ 25/150 u. a.). Die Revision behauptet zu Unrecht, das begehrte Urteil würde ohnehin nicht aussprechen, daß der Beklagte selbst verpflichtet wäre, die Anlage persönlich zu demontieren. Die technische Durchführbarkeit muß von der rechtlichen unterschieden werden. Technisch könnte der Beklagte gewiß die fünf Masten entfernen oder entfernen lassen; die Unzulässigkeit einer solchen Handlung liegt darin, daß er rechtlich über die Fernmeldeanlage nicht verfügen darf. Im Bereich der Fernmeldehoheit findet eine Exekution nicht statt. Wenn der Beklagte nach dem privatrechtlichen Verhältnis zwischen ihm und dem Kläger, das der Abgabe der Erklärung nach § 36 Abs. 2 FSprO zugrunde lag, nur berechtigt war, durch zwei Jahre auf dem Grundstück des Klägers Masten setzen zu lassen, hat er allenfalls Anspruch darauf, daß der Beklagte nach Ablauf von zwei Jahren bei der Post- und Telegraphenverwaltung dafür Sorge trägt, daß die Leitung verlegt wird, oder bei Unmöglichkeit die Überlassung seines Hauptanschlusses kundigt (§ 46 Abs. 1 FSprO). Möglicherweise wäre dem Kläger nach dem im Jahre 1966 neu eingeführten § 38 Abs. 3 letzter Satz FSprO auch das Recht zugestanden, unmittelbar an die Post- und Telegraphenverwaltung das Verlangen zu stellen, daß die bestehende Leitungsführung geändert werde, worunter auch eine Abtragung verstanden werden könnte. Andere Rechte stehen dem Kläger entgegen seiner Auffassung in der Revision aber auch dann nicht zu, wenn er sich seinerzeit keine Gedanken darüber gemacht hätte, daß seine Zustimmungserklärung nicht allein dem Beklagten gegenüber abgegeben wurde, sondern der Post- und Telegraphenverwaltung gegenüber verwendet werden sollte; auch ein Irrtum darüber würde einen unmittelbaren Zugriff des Klägers auf die Fernmeldeanlage bzw. eine Verpflichtung des Beklagten zu deren Entfernung nicht zulässig werden lassen.

Wenn § 38 Abs. 3 letzter Satz FSprO unmittelbar zwischen dem Kläger und der Post- und Telegraphenverwaltung nicht zum Tragen kommen könnte, was allein diese zu entscheiden hätte, könnte der Beklagte im Rechtsweg nur verpflichtet werden, der Post- und Telegraphenverwaltung gegenüber eine Erklärung abzugeben, die die Abtragung oder Änderung der Anlage zur Folge haben müßte, worauf dann die Erklärung nach Rechtskraft eines entsprechenden Urteils als abgegeben gelten könnte (§ 367 Abs. 1 EO). Dies erkennt die Revision letztlich auch selbst. Sie irrt aber darin, wenn sie meint, das Entfernungsbegehren und die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung der Post- und Telegraphenverwaltung gegenüber seien ident oder letztere Verpflichtung in der begehrten enthalten. Gemäß § 405 ZPO ist nun aber das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Grundsätzlich kann nur über das gestellte Klagebegehren abgesprochen werden; der Zuspruch eines geringeren Betrages oder einer geringeren Leistung ist nur möglich, wenn diese begrifflich und rechtlich notwendig von dem Begehren mitumfaßt war (SZ 46/81 u. a.; Fasching III, 650). In dem begehrten Leistungsbefehl an den Beklagten, die Telefonleitung zu entfernen, ist aber eine Verpflichtung, eine Beseitigung oder Änderung des Hauptanschlusses der Post- und Telegraphenverwaltung gegenüber zu verlangen, nicht enthalten. Die Beispiele, die die Revision zur Unterstützung ihres Standpunktes erwähnt, sind nicht passend. Auch wenn man sich zur Durchführung einer Leistung eines Dritten bedienen muß, handelt es sich doch immer um eine persönliche Verpflichtung, wogegen im vorliegenden Fall eine persönliche Entfernungsverpflichtung nicht bestehen kann. Würde das begehrte Urteil rechtskräftig, müßte eine Exekution nach § 353 EO bewilligt werden können, was jedoch unstatthaft wäre. Es darf dann aber kein Exekutionstitel geschaffen werden.