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OGH vom 14.01.1987, 1Ob679/86

OGH vom 14.01.1987, 1Ob679/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Wolfgang H***, Architekt, Wien 3., Salesianergasse 31, vertreten durch Dr. Birgit Roessler-Thaler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Friedrich U***, Baumeister, Purkersdorf, Deutschwaldstraße 6, vertreten durch Dr. Friedrich Fenzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 203.159 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 13 R 260/85-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , GZ 33 Cg 410/82-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.888,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 720,75 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Peter und Edith S*** waren Eigentümer der Liegenschaft EZ 117 KG Preßbaum Haus C Nr. 117, Pfalzauerstraße 30, mit den Grundstücken 32 Baufläche, 121/12 Garten und 330 Bauarea. Diese Grundstücke sind noch nicht im Grenzkataster eingetragen. Zu E 3005/78 des Bezirksgerichtes Purkersdorf wurde diese Liegenschaft zugunsten mehrerer betreibender Gläubiger in Zwangsversteigerung gezogen. Über Anfrage des Bezirksgerichtes Purkersdorf gab das Vermessungsamt Wien am das Flächenausmaß laut Kataster wie folgt bekannt:

Grundstück 32 134 m 2 , Grundstück 121/12 6274 m 2 und Grundstück 330 112 m 2 . Die am angeordnete Schätzung fand am auf der Liegenschaft statt.

Gerichtsabgeordneter war wirkl. Amtsrat Helmut F***, gerichtlich bestellter Sachverständiger - sein Name fehlt allerdings in der Urschrift des Bestellungsbeschlusses - war der Beklagte. Der Verpflichtete Peter S*** war bei der Schätzung anwesend. Nach dem Inhalt des über die Schätzung aufgenommenen Protokolles wurden die Grundstücke besichtigt und die Katastraldaten bekanntgegeben. Der Sachverständige erbat zur Erstattung der Beschreibung eine Frist von drei Wochen, weil zur sofortigen Erstattung von Befund und Gutachten die erforderliche Zeit fehle. Der Beklagte hatte die Liegenschaft schon im Jahre 1963 in einem Abhandlungsverfahren und am im parallel laufenden Versteigerungsverfahren E 3008/75 des Bezirksgerichtes Purkersdorf geschätzt. Der Beklagte erstattete am eine "Niederschrift" über die Schätzung der Liegenschaft. Vorweg führte er die Flächen der Grundstücke mit den vom Vermessungsamt Wien bekanntgegebenen Ausmaßen an. Nach der anschließenden Beschreibung bilden die der EZ 117 inneliegenden Grundstücke eine unregelmäßige, jedoch geschlossene Grundfläche, welche sich rechtsseitig der asphaltierten Pfalzauerstraße (Landesstraße 2111) im offen verbauten Gebiet der Marktgemeinde Preßbaum befindet. Die Grundfläche bildet eine Enklave innerhalb des Revieres der Österreichischen Bundesforste und ist über eine kurze Zubringerstraße der Bundesfroste erreichbar. Das Zufahrtsrecht über dieses Straßenstück ist im Grundbuch nicht einverleibt, dürfte jedoch ein ersessenes Recht sein. Die Grundfläche hat eine ziemlich steile und hügelige Osthanglage und ist vom Hauptlatz Preßbaum ca. 10 Gehminuten entfernt. Im Grundbuch ist auf Teilflächen des Grunstückes 121/12 die Wasserleitungsservitut zugunsten der Gemeinde Wien eingetragen. In der Mitte der großen Grundfläche steht ein sehr altes, massiv gemauertes (gemischtes Stein- und Ziegelmauerwerk), aus Erdgeschoß und erstem Stock bestehendes Wohnhaus mit einer verbauten Fläche von 100 m 2 . Trink- und Nutzwasser wird aus einer gemauerten Brunnenstube bezogen. Ein Holzabort befindet sich im Freien. Eine Senkgrube, ein Seifenabscheider und eine Sickergrube sind neu vorhanden, jedoch noch nicht angeschlossen. Zur Hangsicherung befindet sich auf dem Grundstück eine 34 m lange Stützmauer aus 30 cm dicken Schalungssteinen mit einer Höhe von 1,8

m. Auf dem Grundstück stehen einzelne Obst- und Nadelbäume. Eine Einfriedigung ist nicht vorhanden. Das Bauwerk auf dem Grundstück 32 war nicht mehr existent. Das Haus wurde damals renoviert, trockengelegt und umgebaut und war daher in diesem Zustand nicht bewertbar. Den Grundwert ermittelte der Beklagte mit 150 S pro m 2 . Das ergab für eine Fläche von 6520 m 2 978.000 S. Dazu kam ein Pauschale für die Brunnenstube von 12.000 S und die neue Stützmauer von 20.000 S. Daraus ergab sich ein Schätzwert von insgesamt 1,010.000 S. Weder dem Gerichtsabgeordneten noch dem Beklagten, der vor der Besichtigung in die Grundbuchsmappe beim Bezirksgericht Purkersdorf Einsicht genommen hatte, fiel auf, daß der tatsächliche Besitzstand mit dem Mappenstand nicht übereinstimmte: Während nach den in der Grundbuchsmappe eingetragenen und in der Natur vorhandenen Grenzsteinen vom nördlichsten Punkt des Grundstückes 337 die Grenze in südöstlicher Richtung über den Grenzstein 336 zum Grenzstein 344 führen sollte, begann beim Grenzstein 336 ein zuerst etwa nach Süden, später nach Osten zu dem südöstlich des Grenzsteines 344 gelegenen Grenzstein 343 verlaufender Zaun. Die derart umgrenzte Fläche, die ein Ausmaß von 879 m 2 hat, samt dem darauf befindlichen Brunnen wird seit mindestens 1948 ausschließlich und unwidersprochen von den Eigentümern der Nachbarliegenschaft EZ 118, Grundstück 124, KG Preßbaum benützt. Welcher Rechtsgrund für diese Benützung maßgeblich ist, konnte nicht festgestellt werden. Einwendungen gegen den gerichtlich bestimmten Schätzwert von 1,010.000 S erfolgten nicht. In den gerichtlich genehmigten Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt waren die Grundstücksflächen wie in der Auskunft des Vermessungsamtes angegeben. Nach den Versteigerungsbedingungen wird für das im Schätzungsprotokoll angegebene Flächenmaß keine Haftung übernommen. Ob das Versteigerungsedikt von der Gemeinde Preßbaum verlautbart worden ist, steht nicht fest. Das an der Gerichtstafel angeschlagene Exemplar des Versteigerungsediktes enthält nicht die Namen der Verpflichteten. Bei der Versteigerung am wurde die Liegenschaft unter mehreren Bietern dem Kläger, der die Liegenschaft zwar besichtigt und später auch in das Schätzungsgutachten, nicht aber in die Grundbuchsmappe oder in die Katasterdaten Einsicht genommen hatte, als Meistbietendem aufgrund der Versteigerungsbedingungen um das Meistbot von 1,265.000 S zugeschlagen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom wurde das Eigentumsrecht des Klägers an der EZ 117 KG Preßbaum einverleibt. Der Kläger hatte sich darauf verlassen, daß das Schätzungsgutachten richtig sei. Erst nach dem Zuschlag bemerkte der Kläger durch Vergleich der Grundbuchsmappe mit den natürlichen Grenzen, daß diese nicht der Mappe entsprächen. Der Eigentümer der Nachbarliegenschaft vertrat dem Kläger gegenüber den Standpunkt, er habe die abgegrenzte Teilfläche ersessen und werde zur Wahrung seines Besitzstandes alle notwendigen Maßnahmen treffen. Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von 203.159 S samt Anhang. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben im Gutachten des Beklagten, insbesondere über das Flächenausmaß der Liegenschaft, habe der Kläger die Liegenschaft um das Meistbot von 1,265.000 S ersteigert. Da der Eigentümer des Nachbargrundstückes aber ein Teilgrundstück im Ausmaß von 954 m 2 ersessen habe, habe die versteigerte Liegenschaft statt 6520 m 2 nur eine Fläche von 5566 m 2 umfaßt. Der Beklagte sei als Sachverständiger verpflichtet gewesen, sich von der Richtigkeit seines Befundes zu überzeugen. Er habe die Divergenz des Grenzverlaufes in der Mappe mit der natürlichen Grenze schuldhaft übersehen. Der Beklagte habe sich über den Grenzverlauf nur ungenügend informiert und sei damit seinen Verpflichtungen als Sachverständiger nicht nachgekommen. Die vom Nachbarn ersessene Grundfläche stelle sich in der Natur als Teil der Nachbarliegenschaft dar. Da der Kläger eine um 14,6 % geringere Fläche, als sie im Gutachten angegeben worden war, erworben habe, sei ihm ein Schaden von 203.159 S entstanden.

Der Beklagte wendete ein, er habe die Größe des Grundstückes durch Einsicht in die bei Gericht eingelangte Auskunft des Vermessungsamtes Wien festgestellt. Da ihm das Ausmaß des Grundstückes durch ein amtliches Schriftstück nachgewiesen worden sei, sei er nicht verpflichtet gewesen, die Grundstücke nachzumessen. Er habe auch keine Überprüfung der Grenzsteine vornehmen müssen. Das angebliche Ersitzungseigentum des Eigentümers des Nachbargrundstückes habe er nicht erkennen können. Bei pflichtgemäßer Vornahme der Schätzung habe nicht festgestellt werden können, daß ein Teil der Liegenschaft im außerbücherlichen Eigentum eines Dritten stehe. Im übrigen habe der Kläger auch an diesem Grundstreifen gemäß § 1500 ABGB Eigentum erworben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 170 Z 5 EO sei nicht anwendbar, weil nicht nachgewiesen sei, daß das Versteigerungsedikt von der Gemeinde kundgemacht worden wäre, und überdies das an der Amtstafel des Gerichtes angeschlagene Exemplar die Bezeichnung der Verpflichteten nicht enthalten habe. Der Kläger sei aber gemäß § 1500 ABGB gutgläubig gewesen. Er habe auf den Buchstand vertrauen dürfen, zumal er konkrete Wahrnehmungen, daß die tatsächlichen Besitzverhältnisse mit dem Buchstand nicht übereinstimmten, nicht gemacht habe. Bei einer Zwangsversteigerung käme es einzig darauf an, daß der Ersteher zum Zeitpunkt des Zuschlages, mit dem er unter Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes Eigentum erworben habe, gutgläubig gewesen sei. Sei der Kläger aber auch Eigentümer des strittigen Grundstreifens geworden, habe er keinen Schaden erlitten. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Revision erklärte es für zulässig. Auf Ersatzansprüche wegen eines in einem gerichtlichen Verfahren eingeholten unrichtigen Sachverständigengutachtens sei das Amtshaftungsgesetz nicht anzuwenden. Die Bestimmung des § 1500 ABGB, wonach das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung eine Sache oder ein Recht an sich gebracht habe, zu keinem Nachteil gereichen könne, sei auch im Falle des Erwerbes in der Zwangsversteigerung anwendbar, zumal § 170 Z 5 EO nur regle, wie das durch Ersitzung erworbene Recht gegenüber dem gutgläubigen Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren geltend zu machen sei. Im vorliegenden Fall sei auch nicht die Grenze zwischen den Grundstücken 121/12 und 124 strittig, wofür die Mappe, solange kein Grenzkataster vorliege, nicht verbindlich sei, sondern es gehe um die Auswirkungen der Ersitzung eines bestimmten Teiles des Grundstückes 121/12 durch den bücherlichen Eigentümer des Grundstückes 124. Insoweit müsse derjenige, der durch Ersitzung außerbücherliches Eigentum erworben habe, dem gutgläubigen Ersteher im Sinne der Regelung des § 1500 ABGB weichen, weil er sein außerbücherliches Eigentum nicht eintragen habe lassen und sein Recht auch im Zwangsversteigerungsverfahren nicht angemeldet habe. Das Vertrauen auf die öffentlichen Bücher bestehe im Fall des § 1500 ABGB in der unverschuldeten Unkenntnis des Bestandes des ersessenen Rechtes. Dieses Vertrauen sei unabhängig davon zu schützen, ob das ersessene Recht den ganzen Grundbuchskörper, einzelne Grundstücke oder nur einen Teil eines Grundstückes erfasse. Beim Ersteher komme es auch nicht auf den Umfang des Besitzes des Verpflichteten und auf den Umfang einer Übergabe durch den Verpflichteten an, weil der Ersteher durch Zuschlag nicht abgeleitet vom Verpflichteten, sondern originär Eigentum an der versteigerten Liegenschaft und dem im Versteigerungsedikt angeführten Zubehör erwerbe. Der Kläger habe im Zeitpunkt des Zuschlages keine Kenntnis von einer Ersitzung oder Benützung einer Teilfläche durch den Nachbarn der versteigerten Liegenschaft gehabt. Es könne ihm aber auch keine fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden, weil er bei der Besichtigung der Liegenschaft mehr als ein halbes Jahr vor der späteren Versteigerung noch keine Einsicht in Pläne oder Akten genommen habe, hiezu auch nicht verpflichtet gewesen sei und sich auf den Inhalt des Versteigerungsaktes und insbesondere auf das Gutachten des Beklagten habe verlassen können, ohne weitere eigene Erhebungen anstellen zu müssen. Da der Ersteher in der Zwangsversteigerung bereits durch Zuschlag Eigentum erwerbe, komme es nur auf seine Gutgläubigkeit in diesem Zeitpunkt, nicht aber auf den Zeitpunkt der späteren Verbücherung seines bereits durch den Zuschlag erworbenen Eigentumes an. Sei der Kläger aber auch Eigentümer des vom Eigentümer der Nachbarliegenschaft ersessenen Grundstreifens geworden, habe das Erstgericht zutreffend das Klagebegehren abgewiesen. Aber auch bei anderer Ansicht sei für den Kläger nichts gewonnen. Der Beklagte als Sachverständiger im Zwangsversteigerungsverfahren hafte nämlich keineswegs dem Ersteher wie ein Vertragspartner nach Grundsätzen der Gewährleistung oder des § 872 ABGB für eine Preisminderung wegen einer Flächendifferenz, sondern nur für einen durch sein Verschulden verursachten Schaden. Es müsse somit konkret behauptet und dargelegt werden, welcher Schaden durch ein schuldhaftes Verhalten des Sachverständigen verursacht worden sei. Der Kläger könne daher vom Beklagten nicht einen Betrag in der Höhe der Verminderung seiner Auslagen im Verhältnis des geringeren Flächenausmaßes verlangen, weil keineswegs klar sei und von ihm auch gar nicht näher behauptet worden sei, daß er die Liegenschaft bei Aufnahme eines Hinweises auf die mögliche Ersitzung der Teilfläche im Sachverständigengutachten in diesem Ausmaß billiger hätte ersteigern können. Nach den Eigengesetzlichkeiten einer Versteigerung, bei der es zu einer Lizitation zwischen mehreren Bietern gekommen, der Schätzwert letztlich um etwa 25 % überschritten worden und das nächstniedrigere Gebot eines pfandrechtlich sichergestellten Bieters nur geringfügig unter dem Meistbot des Klägers gelegen sei, müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Kläger auch bei einem Hinweis auf eine mögliche Ersitzung einer Teilfläche im Gutachten des Beklagten die Liegenschaft nur um den Betrag seines tatsächlichen Meistbotes oder aber gar nicht hätte erwerben können, wenn er dann nicht so weit mitgeboten hätte. Der geltend gemachte Schaden ergebe sich daher aus den Behauptungen des Klägers nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Kläger als Ersteher einer zwangsweise versteigerten Liegenschaft stellt gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche, weil dieser als gemäß § 143 Abs. 1 EO beigezogener Sachverständiger schuldhaft ein auf einem unrichtigen Befund (Beschreibung) basierendes Schätzungsgutachten erstattet habe. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung SZ 58/42 = JBl. 1985, 628 mit ausführlicher Begründung und unter Ablehnung der Meinung von Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 115 f, darlegte, ist der gerichtlich bestellte Sachverständige kein Organ im Sinn des § 1 Abs. 2 AHG, weil er selbst keine Entscheidung treffe, sondern dem Gericht durch seinen Befund und sein Gutachten lediglich ein Beweismittel liefere. Für den durch sein unrichtiges Gutachten verursachten Schaden haftet daher der Sachverständige der davon betroffenen Prozeßpartei unmittelbar und persönlich. Anderes gelte nur bei einem sogenannten Amtssachverständigen, also dem einer Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen nach § 52 Abs. 1 AVG. In diesem Fall werde Handeln in Vollziehung der Gesetze angenommen.

Diese Entscheidung wurde von Zechner in JBl. 1986, 415 ff ablehnend besprochen. Er wendete sich insbesondere gegen die Ausgangsposition, der gerichtlich bestellte Sachverständige sei bloß Beweismittel und schon deshalb kein Organ im Sinn des § 1 Abs. 2

AHG. Der gerichtliche Sachverständige sei vielmehr vornehmlich Beweisorgan des Gerichtes. Er habe den Richter bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Die Einbringung außerjuristischen Sachverstandes durch einen gerichtlichen Sachverständigen stehe in einer engen inneren und äußeren Verknüpfung mit der urteilenden Tätigkeit des Richters; sie sei hiefür eine nicht wegzudenkende Voraussetzung, wenn es dem Richter selbst am erforderlichen außerjuristischen Sachverstand mangle. Die Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen stehe daher im Dienste eines geordneten Funktionierens der Rechtspflege und mit dieser in einem inneren Zusammenhang. Durch den Bestellungsbeschluß würden dem Sachverständigen kraft Sonderkompetenz hoheitliche Aufgaben zur Besorgung übertragen.

Rechtsanwendung setzt die Feststellung jener Tatsachen voraus, an die die Rechtsordnung den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen knüpft. Der festzustellende Sachverhalt hat sich mit der Wirklichkeit zu decken. Das Gericht hat alle beweisbedürftigen rechtserheblichen Tatsachen festzustellen. Der Beweis hat dem Richter die Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit des Sachverhaltes zu vermitteln (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 799;

Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht 13 652 f). Der Überzeugung von der Richtigkeit des festzustellenden Sachverhaltes dienen die Beweismittel (Fasching aaO Rz 924; Rosenberg aaO 656). Die Zivilprozeßordnung regelt im dritten bis siebenten Titel des ersten Abschnittes des zweiten Teiles den Beweis durch Urkunden, durch Zeugen, durch Sachverständige, durch Augenschein und durch Vernehmung der Parteien. Der Sachverständige ist kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes Beweismittel, dessen Aufgaben allerdings darin liegen, dem Richter die ihm fehlende Kenntnis von Erfahrungssätzen zu vermitteln, daraus Schlußfolgerungen zu ziehen oder kraft seiner Sachkenntnis Tatsachen festzustellen (Fasching aaO Rz 996; Blomeyer, Schadenersatzansprüche des im Prozeß Unterlegenen wegen Fehlverhaltens Dritter 163). Seine Tätigkeit bleibt daher (mit Ausnahme der Feststellung fremden Rechtes nach § 271 Abs. 1 ZPO,§ 4 IPRG) grundsätzlich auf die Feststellung des Sachverhaltes beschränkt. Nicht jeder, der zur Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe beiträgt, ist schon Organ im Sinn des § 1 Abs. 2 AHG. Die Bestellung einer physischen oder juristischen Person ist nur dann eine Beleihung mit der Ausübung einer hoheitlichen Funktion im Sinne des § 1 Abs. 2 AHG, wenn mit ihr der Auftrag verbunden ist, selbst für den Rechtsträger hoheitliche Handlungen zu setzen bzw. solche mitzuvollziehen; es muß also die Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe selbst übertragen sein (1 Ob 34/86; Loebenstein-Kaniak, AHG 2 42). Es gibt aber Aufgaben, die zwar eindeutig der Vollziehung dienen, manchmal sogar zwischen Vollziehungsakte geschaltet werden, aber durch einen eindeutigen hoheitlichen Akt - oder schon durch ein Gesetz oder eine Verordnung - aus der Vollziehung ausgeschieden und Außenstehenden unter eigener Verantwortung, aber ohne Übertragung der Möglichkeit, selbst Hoheitsakte zu setzen, übertragen werden;

diese Außenstehenden sind dann nicht Organe im Sinne des § 1 Abs. 2 AHG (1 Ob 34/86; Loebenstein-Kaniak aaO 49). Das gilt etwa für einen im Exekutionsverfahren bestellten Verwahrer (SZ 57/83; 1 Ob 34/86;

Loebenstein-Kaniak aaO 54), aber auch für einen in einem solchen Verfahren bestellten Sachverständigen. Wenn der Sachverständige nach dem ihm obliegenden Aufgabenbereich auch als Gehilfe des Gerichtes (Richtergehilfe) bezeichnet werden kann (Fasching aaO Rz 996; Rosenberg-Schwab aaO 726 f), ändert dies, weil allein das Gericht den Hoheitsakt, mit dem es den Ausführungen des Sachverständigen nicht folgen muß, zu setzen hat, nichts daran, daß der Sachverständige ebenso wie Zeugen, Augenschein, Urkunden und Vernehmung der Parteien Beweismittel und damit Ermittlungshelfer der Prozeßparteien bleibt (Rosenberg aaO 727; vgl. Blomeyer aaO 138). Für die Amtshaftung kommt es bei Personen, die nicht schon kraft ihrer Stellung Organe des Rechtsträgers sind, nicht darauf an, welchen inhaltlichen Einfluß ein Verfahrensbeteiligter - auch die Aussage eines Zeugen oder einer Partei kann für einen Verfahrensausgang allein relevant sein - auf das Ergebnis des Verfahrens hatte, sondern inwieweit er auch verfahrensrechtlich dazu berufen war, beim Hoheitsakt unmittelbar mitzuwirken. Wird er durch gesetzgeberische Entscheidung, wie im gerichtlichen Verfahren durch beschlußmäßige Heranziehung als Beweismittel, nicht direkt in das hoheitliche Verfahren eingebunden, wird er nicht zum Organ im Sinne des § 1 Abs. 2 AHG. Für die Schätzung im Zwangsversteigerungsverfahren, für die die Sachverständigen vom Exekutionsgericht "ernannt" (§ 143 Abs. 3 AO) werden, wird die Entscheidung des Gesetzgebers, daß der Sachverständige Beweismittel ist, nicht so deutlich wie für den Zivilprozeß getroffen, jedoch besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Exekutionsordnung den Sachverständigen grundsätzlich anders sehen wollte als die Zivilprozeßordnung; dagegen spricht schon § 144 Abs. 1 EO, wonach mit der Vornahme der Beschreibung und Schätzung das gerichtliche Vollstreckungsorgan beauftragt ist; Sachverständige sind nur "beizuziehen" (§ 143 Abs. 1 und 2 EO).

Daß der österreichische Gesetzgeber den Sachverständigen nicht als Organ im Sinn des § 1 Abs. 2 AHG gewertet wissen wollte, ergibt sich auch aufgrund der Vorschriften des Strafgesetzbuches. Dieses behandelt in seinem 21. Abschnitt strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege, im 22. Abschnitt strafbare Verletzungen der Amtspflicht und verwandte strafbare Handlungen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige gilt nicht als Beamter im Sinne der funktional zu verstehenden Vorschrift (JBl. 1984, 622; JBl. 1983, 545; SSt 53/40 ua; Leukauf-Steininger, StGB 2 504; Steininger in ÖJZ 1980, 479) des § 74 Z 4 StGB. Er ist somit weder Organ noch mit den Aufgaben der Vollziehung der Gesetze betraut. Erstattet er vorsätzlich einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten, begeht er, weil er ausschließlich im Dienste der Rechtspflege steht, das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht gemäß § 288 Abs. 1 StGB, nicht aber Amtsmißbrauch nach § 302 Abs. 1 StGB. Nur der Amtssachverständige, der auch nach herrschender Ansicht Organ im Sinne des § 1 Abs. 2 AHG ist, ist hoheitlich handelnder Beamter und begeht dann bei vorsätzlich falscher Gutachtenserstattung das Verbrechen des Amtsmißbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB (Bertel in Wiener Kommentar § 302 StGB Rz 21 und in den Vorbemerkungen zu §§ 302 bis 313 StGB Rz 7; vgl. JBl. 1970, 46).

Den Vorinstanzen ist nicht darin beizupflichten, daß das Klagebegehren schon deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil der Kläger kraft gutgläubigen Eigentumserwerbes auch an dem von den Eigentümern des Nachbargrundstückes ersessenen Grundstreifen Eigentümer geworden sei, sodaß ihm ein Schaden nicht habe entstehen können. Eine Präklusionswirkung durch das Versteigerungsedikt nach § 170 Z 5 EO konnte nicht eintreten, weil nicht feststeht, ob es gemäß § 171 Abs. 6 EO von der Gemeinde Preßbaum in ortsüblicher Weise verlautbart worden war. Präklusionswirkung tritt unter anderem nur dann ein, wenn das Edikt ordnungsgemäß kundgemacht wurde (Heller-Berger-Stix 1305; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 2 156; Klang 2 II 372 f). Die allfällige Anwendung des § 1500 ABGB setzte voraus, daß Gegenstand der Versteigerung auch der strittige Grundstreifen gewesen wäre; dies ist aber zu verneinen. Der Zuschlag ist ein rechtsbegründender gerichtlicher Akt, durch den das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft dem Ersteher auflösend bedingt übertragen wird (SZ 57/23; SZ 52/13; Heller-Berger-Stix 1241; Holzhammer aaO 164; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 425). Für den Umfang des Eigentumserwerbes ist in erster Linie der Inhalt der Versteigerungsbedingungen und des Versteigerungsediktes maßgeblich (JBl. 1985, 288; SZ 52/13; SZ 24/123). Die Versteigerungsbedingungen verweisen auf das Beschreibungs- und Schätzungsprotokoll und führen ebenso wie das Versteigerungsedikt als Flächenausmaß die vom Vermessungsamt Wien mitgeteilten Katasterdaten an. Eine Beschreibung der (natürlichen) Grenzen des zu versteigernden Grundstückes enthält das Schätzungsprotokoll nicht. Der Schluß der Vorinstanzen, das Grundstück wäre im Umfang der Katasterdaten und nicht der natürlichen Grenzen versteigert worden, der Kläger hätte daher durch den rechtsbegründenden Akt des Zuschlages bei Gutgläubigkeit Eigentum in diesem Umfang erworben, ist durch den Inhalt der Versteigerungsbedingungen und des Versteigerungsediktes dann aber nicht gedeckt. Nach § 3 AGAG dient außerhalb des Geltungsbereiches des Vermessungsgesetzes die Mappe lediglich zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaft. Die Grundbuchsmappe macht daher keinen Beweis über die Größe und Grenze der Grundstücke (SZ 51/64;

EvBl. 1967/101; JBl. 1961, 233; SZ 28/127). Der Stand der Grundbuchsmappe kann dann guten Glauben des Erwerbers im Sinne des § 1500 ABGB nicht begründen (EvBl. 1967/101; Klang 2 II 338;

Ehrenzweig 2 I/2, 123; Koziol-Welser 7 II 90). Für den rechtsgeschäftlichen Verkehr wurde daher ausgesprochen, daß für den Umfang des Eigentumserwerbes an Grundstücken nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Umfang, in dem das Grundstück nach dem Willen der Parteien übertragen wird, maßgeblich ist. Sollte ein Grundstück zur Gänze verkauft und übertragen werden, ist dann der wahre Grenzverlauf maßgebend (SZ 56/141 mwN; Koziol-Welser aaO). Die Exekutionsordnung normiert nicht, was rechtens sein soll, wenn sich der Umfang der zu versteigernden Grundstücke nicht aus den Versteigerungsbedingungen sowie aus dem Versteigerungsedikt und dem ihnen zugrundeliegenden Schätzungsprotokoll ergibt. Die Vorschrift des § 1089 ABGB legt es nahe, die Grundsätze, die Rechtsprechung und Lehre über den Umfang des Eigentumserwerbes aufgrund von Kaufverträgen entwickelt haben, auch auf die exekutive Veräußerung im Rahmen einer Zwangsversteigerung anzuwenden. Heller-Berger-Stix 1244 führen daher zutreffend aus, daß der Ersteher für den Grenzverlauf im Streit mit den Nachbarn den Besitz des Verpflichteten im Sinne des § 372 ABGB nachzuweisen habe. Der Oberste Gerichtshof hat demgemäß in seiner Entscheidung SZ 52/13 ausgesprochen, daß sich für den Umfang des Eigentumserwerbes durch Zuschlag Abweichungen zur Mappe dann ergeben können, wenn die Grenzen eines Grundstückes in der Natur mit den Mappengrenzen nicht übereinstimmen. Dies ist aber hier der Fall. Der Kläger konnte dann aber Eigentum nur in dem Umfang erwerben, in dem der Verpflichtete das Grundstück besaß oder zu besitzen berechtigt war. Da zum Zeitpunkt der Versteigerung und des Zuschlages die Verpflichteten die strittige Grundstücksfläche weder besaßen noch infolge Ersitzung durch den Eigentümer des Nachbargrundstückes zu besitzen berechtigt waren, erwarb der Kläger das Grundstück nicht im Umfang der Mappengrenzen, sondern der bestehenden natürlichen Grenze. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers ist aber mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges ausgeschlossen. Erstattet der Sachverständige aufgrund eines Vertrages ein Gutachten, so haftet er zwar für eine Schädigung aufgrund eines unrichtigen Gutachtens grundsätzlich nur seiner Vertragspartei; eine Haftung gegenüber Dritten tritt aber ein, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar gerade auch die Interessen dieses Dritten bei der Bestellung des Gutachtens mitverfolgt (RdW 1985, 306 mwN; SZ 43/236 ua). In der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre ist allgemein anerkannt, daß der gerichtlich beeidete Sachverständige für den durch die Erstattung eines fahrlässigen unrichtigen Gutachtens den Prozeßparteien verursachten Schaden persönlich haftet; die Prozeßparteien sind vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung umfaßt (JBl. 1985, 628; SZ 50/98; SZ 11/225; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten 79; derselbe in NZ 1984, 95; Bydlinski in JBl. 1965, 321; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 190). Eine darüber hinausgehende, aus dem Bestellungsakt abgeleitete Haftung gegenüber beliebigen Dritten wird aber abgelehnt. Das in einem Verfahren erstattete Gutachten sei nicht für den rechtsgeschäftlichen Verkehr bestimmt. Werde ein an einem Verfahren nicht Beteiligter an seinem Vermögen durch ein unrichtiges in einem Verfahren abgegebenes Sachverständigengutachten geschädigt, bestehe zwischen dieser Schädigung und dem Verhalten des Sachverständigen kein Rechtswidrigkeitszusammenhang (Welser aaO). Ob ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem nach § 143 Abs. 1 EO beigezogenen Sachverständigen und einem durch ein unrichtiges Gutachten dem Ersteher zugefügten Schaden besteht, wurde in der Rechtsprechung bisher nicht einheitlich beantwortet. Die als Beleg für die Haftung des Sachverständigen angeführte Entscheidung SZ 16/143 betraf nicht die Haftung des Sachverständigen einem Verfahrensfremden gegenüber, sondern gerade seine Haftung aufgrund eines in einem Pflegschaftsverfahren erstatteten Gutachtens dem Pflegebefohlenen, also der Partei des Verfahrens gegenüber. Diese Entscheidung ging demnach nicht über die Begründung der Entscheidung SZ 11/225 hinaus. Zur Stützung dieser These verwendete der Oberste Gerichtshof allerdings, auf die nicht veröffentlichte und nicht mehr greifbare Entscheidung 1 Ob 813/33 verweisend, erstmals das Argument, auch ein vertraglich bestellter Sachverständiger, der ein Gutachten über den Wert einer Liegenschaft erstatte, das nach der Auffassung des Verkehrs auch dritten Personen zur Richtschnur dienen soll, hafte nicht nur dem Besteller des Gutachtens, sondern auch dem Dritten für den dadurch verursachten Schaden, weil der Sachverständige eben im Hinblick darauf, daß solche Gutachten vom Besteller im allgemeinen nicht dazu bestimmt sind, ihn selbst über den Wert der Liegenschaft zu unterrichten, sondern einem Geldgeber zur Richtschnur für die Höhe des zu gewährenden Darlehens zu dienen, die aus seinem Berufe als Schätzmann fließende Verpflichtung habe, sich bei Abgabe des Gutachtens der Wahrheit zu "befleißen". Nur in der Entscheidung JBl. 1937, 58 wurde die Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Ersteher grundsätzlich bejaht. Der Oberste Gerichtshof vertrat die Ansicht, daß ein zu einer gerichtlichen Schätzung im Zwangsversteigerungsverfahren berufener Sachverständiger für das schuldhafterweise unrichtig erstattete Gutachten auch dritten Personen gegenüber hafte, weil es denen zur Richtschnur gedient habe. Er berief sich dabei ausschließlich auf die Entscheidungen SZ 16/143 und 1 Ob 818/33, in denen aber gerade ein solcher Rechtssatz weder ausgesprochen noch begründet wurde. In der Entscheidung SZ 57/105 hingegen sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß der im Zwangsversteigerungsverfahren zur Schätzung der Liegenschaft beigezogene Sachverständige dem Ersteher nicht für die Richtigkeit des ermittelten Schätzwertes hafte. Der spätere Ersteher habe als Kauflustiger keinen Anspruch auf die in Zwangsversteigerung gezogene Liegenschaft, er habe nur einen im Verfahrensrecht begründeten Anspruch, nicht ungünstiger behandelt zu werden als andere Kauflustige. Den Schätzungsgutachter treffe gegenüber dem späteren Ersteher in Ansehung der gutächtlichen Äußerung zur Schätzwertermittlung keine besondere Sorgfaltspflicht. Die Stellung des Bieters und späteren Erstehers sei nach seiner rechtlich geschützten Lage von der der Parteien (dazu zählten im Zwangsversteigerungsverfahren auch die Buchberechtigten) zu unterscheiden. Eine auf Fahrlässigkeit beruhende Abweichung des Schätzwertes vom wahren Wert begründe daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges keinen Schadenersatzanspruch des späteren Erstehers.

Diese Ansicht ist aufrechtzuerhalten. Wie bereits dargelegt wurde, entspricht es nunmehr ständiger, von der herrschenden Lehre gebilligter Rechtsprechung, daß bei auf Vertrag beruhender Gutachtenserstattung der Sachverständige nur dann einem Dritten gegenüber für die Richtigkeit seines Gutachtens haftet, wenn die Interessen dieses Dritten vom Besteller für den Sachverständigen erkennbbar beim Vertragsabschluß mitverfolgt wurden. Da es sich bei der Frage, inwieweit der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht nur dem Gericht und der vertraglich bestellte Sachverständige nicht nur seinem Vertrasgspartner gegenüber haftet, um verwandte Problemkreise handelt (Koziol aaO), könnte eine Haftung des Schätzmannes nach der Realschätzordnung zugunsten des späteren Erstehers, wie sie in der Entscheidung JBl. 1937, 58 bejaht wurde, nicht mehr aus der Vertragshaftung des Sachverständigen jedem Dritten gegenüber, dem das Gutachten als Richtschnur dienen soll, abgeleitet werden. Anders als die Parteien des Exekutionsverfahrens und die Buchberechtigten, deren Rechte durch die gerichtliche Bestimmung des Schätzwertes geschützt werden müssen, ist der Mitbieter und Ersteher Herr seiner Entschlüsse (vgl. Bydlinski in JBl. 1965, 321). Da er auch nie zur Bezahlung der Gutachtenskosten verpflichtet werden kann und deren Kosten auch seine Vermögenslage nicht berühren können, ist ihm gegenüber das Gutachten nicht entgeltlich im Sinn des § 1300 ABGB. Der Ersteher hat daher selbst zu prüfen und zu beurteilen, ob die Abgabe eines Anbotes seinen wirtschaftlichen Interessen entspricht. Der Ersteher weiß, daß ihn das wirtschaftliche Risiko trifft, kann er doch weder gegen das Gericht noch gegen den Verpflichteten Gewährleistungsansprüche stellen (§ 189 Abs. 2 EO); er kann aber auch weder Willensmängel noch Verletzung über die Hälfte geltend machen (Heller-Berger-Stix 1249; Holzhammer aaO 164). In den Versteigerungsbedingungen wurde insbesondere auch darauf hingewiesen, daß eine Haftung für ein bestimmtes Flächenausmaß nicht übernommen wird.

Soweit die Entscheidung SZ 57/105, für deren Ergebnis ohne Belang, weiter ausführt, eine Haftung des Sachverständigen sei für den Fall zu bejahen, daß die gemäß § 144 Abs. 1 EO dem Vollstreckungsorgan obliegende Beschreibung durch seinen Befund im Schätzungsgutachten ersetzt werden soll und der Ersteher durch eine solche unrichtige Beschreibung einen Schaden erleidet, ist ihr nicht zu folgen. Gemäß § 140 Abs. 1 EO hat das Exekutionsgericht die Schätzung der zu versteigernden Liegenschaft anzuordnen. Mit der Vornahme der Beschreibung und Schätzung ist das Vollstreckungsorgan zu beauftragen (§ 144 Abs. 1 EO). Dieses Vollstreckungsorgan hat ein Beamter des gehobenen Dienstes oder ein Beamter des Fachdienstes zu sein (§ 40 Abs. 2 Geo). Das zur Vornahme der Schätzung abgeordnete Gerichtsorgan hat sich aus der Mappe über die Lage der zu schätzenden Parzellen, aus dem Grundbuche und dem Kataster über deren Kulturgattung genau zu unterrichten, etwaige Abweichungen des Katasters von dem Grundbuche zu erheben und, wenn es zur Identifizierung an Ort und Stelle nötig erscheint, eine Planskizze mittels Durchzeichnen unter Schonung der Mappe abzunehmen (§ 25 RSchO). Die zu schätzenden Liegenschaften sind grundsätzlich in Augenschein zu nehmen (§ 27 Abs. 1 RSchO). Daß der Augenschein unterblieben wäre, weil jeder Zweifel darüber ausgeschlossen war, daß der Beklagte die zu schätzende Liegenschaft genau kannte und der Wert sich auch ohne Augenschein verläßlich bestimmen ließ, ist nicht festgestellt. Nach dem Inhalt des Protokolls wurden vielmehr die Grundstücke auch vom Vollstreckungsorgan besichtigt: bei Gebäuden und Wald darf im übrigen der Augenschein nie unterbleiben. Das Gerichtsorgan hat zudem alle jene Auskünfte einzuholen, die ihm eine Überprüfung des Schätzungsgutachtens ermöglichen (Walker, Österreichisches Exekutionsrecht 4 197). Das vom Gerichtsorgan aufzunehmende (Holzhammer aaO 151) Schätzungsprotokoll hat die einzelnen Parzellen, deren Flächenmaße und eine Beschreibung der zu schätzenden Liegenschaft nach den auf den Wert Einfluß nehmenden Momenten zu enthalten (§ 28 Abs. 1 RSchO). Der Zweck der vom Gerichtsorgan vorzunehmenden Beschreibung ist es demnach, den Bietern ein genaues Bild über Lage, Größe, Kulturgattung, Bauzustand und wirtschaftliche Bedeutung der Liegenschaft zu geben (Holzhammer aaO 149). Gerade dort, wo Fälle der Nichtübereinstimmung des Grundbuches mit dem tatsächlichen Besitzstand häufiger vorzukommen pflegen, ist auf die Feststellung des Umfanges des Exekutionsobjektes größte Aufmerksamkeit zu verwenden (Feil, Exekutionsordnung 226). Bei Nichtübereinstimmung des bücherlichen Standes mit dem Besitzstand ist nach § 27 Abs. 2 RSchO vorzugehen. Das Streitobjekt ist durch Vernehmung der anwesenden Beteiligten und dritter Auskunftspersonen festzustellen, und, wenn sich der Streit nicht beheben läßt, abgesondert zu bewerten. Aus dem Zusammenhalt dieser Vorschriften ergibt sich klar eine Trennung der Tätigkeit des gerichtlichen Organes und der des Sachverständigen. Sache des Gerichtsorganes ist es, dem Schätzmann alle jene Daten an die Hand zu geben, aufgrund deren dieser im Sinne der §§ 16 ff RSchO, allenfalls aufgrund der erforderlichen Anleitungen durch das Gerichtsorgan (§ 29 Abs. 1 RSchO), die Wertermittlung vorzunehmen hat. Liegt die Beschreibung des Grundstückes und damit die Überprüfung der Übereinstimmung der Katasterdaten mit dem tatsächlichen Besitzstand nicht im gesetzlichen Aufgabenbereich des Sachverständigen, dann können außerhalb seines Wirkungsbereiches aufgetretene Fehler seine privatrechtliche Schadenersatzpflicht nicht begründen.

Die Vorinstanzen wiesen daher dem Ergebnis nach zu Recht das Klagebegehren ab. Der Revision ist keine Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.