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OGH vom 14.11.1984, 1Ob676/84

OGH vom 14.11.1984, 1Ob676/84

Norm

AktG § 200 Abs 1;

GmbHG § 49 Abs 1;

GmbHG § 52 Abs 4;

Kopf

SZ 57/174

Spruch

Formmängel der notariellen Beurkundung einer Erhöhung des Stammkapitals einer GesmbH und des Notariatsaktes über die Übernahmserklärung heilen jedem gegenüber durch die rechtskräftige Eintragung ins Handelsregister

1 Ob 676, 677/84 (OLG Linz 4 R 71, 72/84; LG Salzburg 14 Cg 206, 273/83)

Text

Gesellschafter der Firma B & L Wasseraufbereitungstechnik GesmbH waren die Kurt L GesmbH, die Firma B & L KG und der Zweitbeklagte. Geschäftsführer waren die drei Beklagten. Das Stammkapital der Gesellschaft belief sich ursprünglich auf 3 Mio. S. In der Beurkundung Geschäftszahl 5057 beurkundete Dr. Alois H, öffentlicher Notar in S, daß bei der am im Hause S, F-Straße 46, abgehaltenen Generalversammlung der B & L Wasseraufbereitungstechnik GesmbH in S der Prokurist Willi R als ausgewiesener Machthaber aller Gesellschafter erschienen ist und nach Verhandlung zum Tagesordnungspunkt Erhöhung des Stammkapitals namens der von ihm vertretenen Gesellschafter den einstimmigen Generalversammlungbeschluß zu Protokoll gegeben hat, daß das Stammkapital der Gesellschaft von bisher 3 Mio. S um 27 Mio. S auf 30 Mio. S erhöht wird, der Gesellschaftsvertrag vom dementsprechend geändert wird, daß das Stammkapital der Gesellschaft nunmehr 30 Mio. S beträgt, und die Gesellschafterin Kurt L GesmbH in N zur Übernahme des gesamten erhöhten Stammkapitals zugelassen wird. Am selben Tag nahm Notar Dr. Alois H einen Notariatsakt (GZ 5058) auf, in dem die Kurt L GesmbH erklärt, daß sie das gesamte erhöhte Stammkapital von 27 Mio. S übernehme und sich verpflichte, die auf sie entfallende neue Stammeinlage sogleich bar in die Gesellschaftskassa zur Einzahlung zu bringen. Dr. Alois H, der am amtierte, unterfertigte die Urkunde 5057 und den Notariatsakt 5058. Er war aber weder bei der von ihm beurkundeten Generalversammlung noch bei der Unterfertigung durch den hiezu bevollmächtigten Willi R persönlich anwesend; er las Willi R auch den Notariatsakt nicht vor. Die Unterschriften Willi Rs holte Dr. Alois H auf den von ihm vorbereiteten Urkunden durch seinen Substituten Dr. Friedrich S ein. Dr. Alois H meldete namens der drei Beklagten die Kapitalerhöhung zum Handelsregister beim Landesgericht Salzburg mit der von Willi R als Machthaber des Erst- und Zweitbeklagten und vom Drittbeklagten unterfertigten Erklärung an, daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt worden sei und zur freien Verfügung der Gesellschaft stehe. Auf Grund dieser Anmeldung erfolgte die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom der Anschlußkonkurs eröffnet.

Die klagende Partei, der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, begehrt den Zuspruch des Betrages von 27. Mio. S. Die Kurt L GesmbH habe das übernommene Stammkapital nicht bar einbezahlt. Sei die Erklärung der Geschäftsführer, daß das gesamte erhöhte Stammkapital bar einbezahlt worden sei, wissentlich falsch, so seien die Geschäftsführer aus dem Titel des Schadenersatzes verpflichtet, die der Gesellschaft entgangene Stammeinlage einzuzahlen. Der der Gesellschaft durch die unrichtige Erklärung entstandene Schaden betrage 27 Mio. S. Im Zeitpunkt der behaupteten Aufrechnung sei die Gesellschaft überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Dr. Walter V als Masseverwalter im Konkurs der Firma B & L Wasseraufbereitungstechnik GesmbH habe der klagenden Partei diese Forderung abgetreten. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, daß Eingänge aus den vorliegenden Verfahren unter Einhaltung der Verteilungsgrundsätze der Konkursordnung zu verteilen seien; schon jetzt stehe fest, daß nur drei Gläubiger zum Zuge kommen und daß der klagenden Partei, die knapp 30 Mio. S bezahlt habe, etwa 95 vH zufließen würden.

Die Beklagten wendeten ein, das übernommene Stammkapital sei bar überwiesen worden. Im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung sei die Firma B & L GesmbH nicht überschuldet gewesen. Dr. Alois H sei bei Errichtung der Beurkundung GZ 5057 und des Notariatsaktes GZ 5058 nicht anwesend gewesen, die Urkunden seien daher nicht vor einem öffentlichen Notar errichtet worden. Die ohne Rechtsgrund erfolgte Zession sei nichtig, es sei bloß ein Prozeßführungsrecht übertragen worden. Die Beklagten bestritten auch ein Verschulden, sollte ihre Erklärung, das erhöhte Stammkapital sei bar einbezahlt worden, unrichtig sein.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Nach den §§ 38, 52 NO habe der Notar die Erklärungen der Parteien bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit persönlich aufzunehmen. Sei der Notariatsakt rechtsunwirksam, dann ergebe sich die Löschung der Handelsregistereintragung als notwendige Folge, da sie nur auf Grund jenes Instrumentes erwirkt worden sei. Damit entfalle mit der Unwirksamkeit der Verpflichtung der Kurt L GesmbH zur Bareinzahlung der neuen Stammeinlage auch der allfällige Anspruch der klagenden Partei gegen die beklagten Geschäftsführer auf Ersatz des durch falsche Angaben verursachten Schadens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es setzte seinem Beschluß einen Rechtskraftvorbehalt bei. Dr. Alois H habe innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises den Kapitalerhöhungsbeschluß der Gesellschafter und die Übernahmserklärung der Kurt L GesmbH durch die Notariatsakte vom beurkundet. Daß dabei Förmlichkeiten und Vorsichten außer acht gelassen worden wären, die in den §§ 54 bis 65 sowie 68 NO vorgeschrieben seien, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Gemäß § 2 NO lägen daher öffentliche Urkunden über den Kapitalerhöhungsbeschluß der Gesellschaft und die Übernahmserklärung der Kurt L GesmbH vor. Sie begrundeten grundsätzlich vollen Beweis dessen, was darin vom öffentlichen Notar Dr. Alois H erklärt und bezeugt werde, doch sei der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorgangs oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. Eine solche Urkundenanfechtung könne etwa damit begrundet werden, daß der Notar entgegen der Vorschrift des § 38 NO beim beurkundeten Vorgang nicht anwesend gewesen sei. Dies habe das Erstgericht festgestellt. Demnach seien Kapitalerhöhungsbeschluß und Übernahmserklärung ungültig gewesen. Die Kapitalerhöhung sei jedoch im Handelsregister eingetragen worden. Diese Eintragung habe den Mangel der vorgeschriebenen Notariatsform geheilt. Die im § 144 FGG eingeräumte Möglichkeit, einen in das Handelsregister eingetragenen Beschluß der Generalversammlung einer GesmbH von Amts wegen als nichtig zu löschen, stehe dieser Rechtsansicht nicht entgegen, weil eine solche Löschung gemäß § 144 Abs. 2 FGG voraussetze, daß der Beschluß durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletze und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheine. Beide Voraussetzungen lägen nicht vor. Um über den eingeklagten Schadenersatzanspruch urteilen zu können, bedürfe es noch der vom OGH in seinem Beschluß vom , 1 Ob 515/83, (SZ 56/37) geforderten Verfahrensergänzung sowie der Auseinandersetzung mit dem Einwand der Scheinzession. Bei gehöriger Präzisierung des Vorbringens der Beklagten werde auch zu prüfen sein, ob das erhöhte Stammkapital bar eingezahlt worden sei oder nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 49 Abs. 1 GmbHG kann eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages nur durch Beschluß der Gesellschafter erfolgen; der Beschluß muß notariell beurkundet werden. Gemäß § 52 Abs. 4 GmbHG bedarf bei einer Erhöhung des Stammkapitals die Übernahmserklärung der Beurkundung durch einen Notariatsakt. Ob wegen Verletzung der Vorschriften der §§ 38 und 52 NO die beiden Notariatsurkunden unwirksam sind, kann dahingestellt bleiben. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß durch die rechtskräftige Eintragung von der äußeren Form entsprechenden Notariatsurkunden im Handelsregister und deren Verlautbarung Formmängel heilen. Die in § 52 Abs. 4 GmbHG angeordnete Formvorschrift dient nicht nur der Warnung des Übernehmers der erhöhten Stammeinlage, sondern auch der Aufklärung der Öffentlichkeit über die Kapitalgrundlage der Gesellschaft und dem Schutz des Rechtsverkehrs (vgl. Ulmer in Hachenburg[7] § 55 dGmbHG, Rdz. 52). Das Handelsregister dient durch die Eintragung und Verlautbarung grundlegender Tatsachen und Rechtsverhältnisse der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Unternehmen des Handelsstandes (NZ 1973, 142; Pranner, Österr. Handelsregisterrecht 9). Könnten die Gesellschafter einer GesmbH, die unter Wahrung der äußeren Form eine Kapitalerhöhung beschlossen und durch die Geschäftsführer zur Eintragung anmelden ließen, noch Jahre später die Unwirksamkeit der Kapitalerhöhung mit Erfolg geltend machen, weil die Beurkundungen über vom Notar bei Errichtung der Urkunden einzuhaltende Formvorschriften unrichtig waren, wäre der Rechtsverkehr entscheidend gestört. Bei gleicher Schutzzwecklage sieht § 200 Abs. 1 AktG die Heilung absolut nichtiger Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, die nicht (bzw. nicht gehörig) nach § 111 Abs. 1, 2 und 4 AktG beurkundet wurden (§ 199 Abs. 1 Z 2 AktG), durch die Eintragung im Handelsregister ausdrücklich vor. Der Grund für die Regelung liegt darin, daß bloße Beurkundungsfehler selten die Interessen der Aktionäre oder der Gesellschaft unmittelbar betreffen; sie berühren auch nicht die öffentliche Ordnung, das Wesen der Aktiengesellschaft, das Gemeinwohl oder die guten Sitten; wenn demnach das Registergericht dennoch einträgt, soll es damit sein Bewenden haben; im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gilt die Fehlerhaftigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses als geheilt (Henn, Handbuch des Aktienrechts[2] 336 f.). Deshalb soll die Eintragung im Handelsregister und ihre Verlautbarung die fehlende oder mangelhafte notarielle Beurkundung voll, sofort und jedem - auch dem Registergericht - gegenüber ersetzen (Zöllner im Kölner Komm. zum AktG II 741, 745, § 242 Anm. 3, 19; Schilling in Großkomm.[3], § 242 dAktG Anm. 2). Auch wenn das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung keine gleichartige ausdrückliche Regelung enthält, ist die Interessenlage doch so gleich, daß für diesen Rechtsbereich nichts anderes gelten kann; nur so kann auch dem Wesen der Handelsregistereintragung Rechnung getragen werden. Es wird demnach auch für die GesmbH gelehrt, daß die Anfechtbarkeit der Übernahmserklärung gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen ist, sobald die Kapitalerhöhung im Register eingetragen ist (Reich-Rohrwig, Das österr. GmbH-Recht 497 unter Berufung auf § 63 Abs. 6 GmbHG). Dies muß jedenfalls gelten, wenn die Übernahmserklärung dem Erklärungswillen der Gesellschaft entsprach und die vorausgehende Beschlußfassung über die Erhöhung des Stammkapitals und die Übernahmserklärung in der äußeren Form der notariellen Beurkundung bzw. des Notariatsaktes erfolgte. Die Erklärung wirkt dann gegenüber jedem, auch der Gesellschaft selbst (Ulmer in Hachenburg aaO § 55 Rdz. 55; Scholz-Priester, GmbHG[6] § 55 Anm. 54; Eder in Eder-Berg-Hauser-Tillmann-Gaul, Handbuch der GmbH[10] Rdz. 517; Lutter, Gescheiterte Kapitalerhöhung, FS Schilling 207 ff., insbesondere 231). Wurde eine allfällige Unwirksamkeit der notariellen Beurkundungen aber geheilt, bestand unter den übrigen Voraussetzungen der Anspruch der Gesellschaft gegen den, der die erhöhte Stammeinlage übernahm, zu Recht. Das bedeutet aber, daß auch eine Haftung der Geschäftsführer für die allfällige Unrichtigkeit ihrer Erklärungen, das gesamte Stammkapital sei bar einbezahlt und stehe zu ihrer freien Verfügung, zu Recht bestehen kann.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher neben der Klarstellung des Vorbringens der Beklagten, ob die erhöhte Stammeinlage bar einbezahlt und den Geschäftsführern frei zur Verfügung gestanden sei, bei unterbliebener Barzahlung, wie schon in der den Erstbeklagten betreffenden Entscheidung des , SZ 56/37, ausgeführt wurde, zu klären sein, ob bei Bareinzahlung eine vorher bestandene Überschuldung entfallen wäre, sodaß eine Verpflichtung der Geschäftsführer, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen, nicht mehr bestanden hätte.

Die Haftung nach § 10 Abs. 4 GmbHG setzt ein Verschulden der Geschäftsführer voraus (SZ 50/38 mwN; Kastner, Gesellschaftsrecht[3] 253; Gellis-Feil, Kommentar[2] 141; Hämmerle-Wünsch[3] II 400). Die Geschäftsführer haben für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes einzustehen; es werden von ihnen Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt, die für den Geschäftszweck der Gesellschaft üblicherweise erforderlich sind (EvBl. 1979/135; Kastner aaO 267). Die Vorschrift des § 10 Abs. 4 GmbHG ist eine zugunsten der Gesellschaft getroffene Schutzvorschrift. Verletzt ein Geschäftsführer diese Vorschrift, liegt es an ihm zu beweisen, daß ihn an dieser Verletzung kein Verschulden traf (§ 1298 ABGB; vgl. GesRZ 1982, 56; Doralt, Unbeschränkte Haftungen bei Insolvenz der GmbH, GesRZ 1982, 89) oder daß auch bei rechtmäßigem Verhalten der Schaden eingetreten wäre.

Die bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes wäre dem österreichischen Recht fremd und daher unzulässig (SZ 47/46; SZ 42/105 ua.). Die Abtretung als kausales Verfügungsgeschäft ist auch nur dann wirksam, wenn sie auf einem gültigen Rechtsgrund beruht (RdW 1983, 105; Koziol-Welser[6] I 229). Sollte aber das Vorbringen der klagenden Partei zutreffen, es würde ihr bei gänzlichem oder teilweisem Obsiegen 95 vH des Ersiegten zustehen, könnte von einer bloßen Übertragung des Prozeßführungsrechtes keine Rede sein. Wenn die Konkursmasse ihr zustehende Schadenersatzforderungen demjenigen überträgt, dem der Großteil des ersiegten Betrages aus der Masse zuzukommen hätte, ist der Rechtsgrund der Zession darin zu erblicken, daß durch die Übertragung der Forderung an den materiell Berechtigten der Konkursmasse das Prozeßkostenrisiko erspart bleibt.