OGH vom 26.02.1998, 6Ob200/97y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der A*****Aktiengesellschaft mit dem Sitz in ***** G*****, FN 47358w des Firmenbuches beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom , GZ 4 R 81/97g-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Firmenbuchgericht vom , GZ 27 Fr 653/97t-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß dem Antrag der Gesellschaft vom auf Eintragung von Satzungsänderungen stattgegeben und dem Erstgericht die Eintragung in das Firmenbuch aufgetragen wird.
Text
Begründung:
Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist zu FN 47358w die A***** AG mit dem Sitz in G***** und einem Grundkapital (bis ) von 75,000.000 S eingertragen.
In der ao Hauptversammlung der Gesellschaft vom , bei der ein Grundkapital von 58,637.000 S ordnungsgemäß repräsentiert war, wurde einstimmig beschlossen:
1. in § 5 Abs 2 der Satzung das Aktiennominale von 1.000 S auf 100 S je Aktie zu ändern;
2. das Grundkapital der Gesellschaft mit Einbringung von Sacheinlagen unter Ausschluß der Bezugsrechte der gegenwärtigen Aktionäre von Nominale 75,000.000 S um Nominale 132,317.700 S auf Nominale 207,317.700 S durch Einbringung der 100 %igen Beteiligung der Sacheinlegerin "A***** Holding Inc" an der "AT ***** Holding Inc" im Wert von 231,556.000 S gemäß Art III Umgründungssteuergesetz zum Stichtag gegen Ausgabe von 1,323.177 Stück auf Inhaber lautender Stammaktien zum Nennbetrag von je 100 S zu erhöhen und
3. die Satzung im § 5 Abs 1 hinsichtlich des erhöhten Grundkapitales von 207,317.700 S zu ändern;
4. § 5 der Satzung durch Anfügung eines Abs 3 dahin zu ändern, daß der Vorstand gemäß §§ 169 ff Aktiengesetz ermächtigt wird, innerhalb von fünf Jahren ab Eintragung der Durchführung der (in Punkt 2. genannten) Kapitalerhöhung von 75,000.000 S auf 207,317.700 S das Grundkapital durch Ausgabe (weiterer) 1,000.000 auf Inhaber lautender Aktien im Nominale von je 100 S um bis zu weiteren Nominale 100,000.000 S zu erhöhen und Ausgabekurs und -bedingungen im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat festzusetzen, wobei diese Ermächtigung erst am Tag nach Eintragung der zu 2. beschlossenen Kapitalerhöhung im Firmenbuch wirksam werden solle und der Vorstand auch zum Ausschluß des Bezugsrechtes der bisherigen Aktionäre ermächtigt wird.
Die oben zu 2. genannte Erhöhung des Grundkapitales wurde am ins Firmenbuch eingetragen.
Mit Schriftsatz vom meldete der Vorstand der Aktiengesellschaft beim Firmenbuchgericht die Änderung der Satzung dahingehend an, daß der Vorstand gemäß §§ 169 ff AktG ermächtigt ist, das Grundkapital bis zum um bis zu 100,000.000 S durch Ausgabe von entsprechenden Inhaberaktien gegen Einlagen, gegebenenfalls unter Ausschluß der Bezugsrechte bisheriger Aktionäre zu erhöhen und gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Ausgabebedingungen und -kurse festzusetzen und beantragte die Eintragung dieser Satzungsänderung.
Das Erstgericht wies den Eintragungsantrag ab. Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals für die Kapitalerhöhung dürfe die Hälfte des zur Zeit der Ermächtigung vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen. Der maßgebliche Zeitpunkt sei jener des Aktionärsbeschlusses.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft keine Folge.
§ 169 Abs 3 AktG lasse eine Kapitalerhöhung nur zu, wenn der Nennbetrag des genehmigten Kapitals nicht höher sei als die Hälfte des zur Zeit der Genehmigung vorhandenen Grundkapitales. Eine ähnliche Beschränkung auf die Hälfte des Grundkapitales sehe auch § 159 Abs 3 AktG für die (allerdings nur eingeschränkt zulässige) bedingte Kapitalerhöhung vor, für die der Nennbetrag nicht höher als die Hälfte des zur Zeit des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung vorhandenen Grundkapitals sein dürfe. Daraus könnte an sich abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber diese beiden Fälle der Kapitalerhöhung nicht habe gleich behandeln wollen, weil im Falle des genehmigten Kapitals der Höchstnennbetrag auf die Zeit der Ermächtigung, bei der bedingten Kapitalerhöhung auf die Zeit der Beschlußfassung abstelle. Die Lehre in Österreich und Deutschland stelle die Zeitbestimmung des § 169 Abs 3 AktG auf die Wirksamkeit der Ermächtigung, also die Eintragung der Satzungsänderung mit der erteilten Ermächtigung in das Firmenbuch ab. Dies sei im vorliegenden Fall im Beschluß der Hauptversammlung auch ausdrücklich mit dem Tag nach Eintragung der zuvor beschlossenen Kapitalerhöhung bestimmt. Das Rekursgericht könne die Ansicht der Lehre nicht teilen, weil diese völlig unberücksichtigt lasse, daß die zwischen Beschlußfassung (= Erteilung der Ermächtigung durch die damaligen Aktionäre, wenn auch unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung) und der Eintragung der diesbezüglichen Satzungsänderung im Firmenbuch neu hinzukommenden Aktionäre, die im vorliegenden Fall sogar rund 64 % der Anteile halten sollten, nicht hätten mitbestimmen dürfen, gegebenenfalls nicht einmal in Kenntnis der beschlossenen Satzungsänderung über die Kapitalerhöhung gewesen seien, weil diese Satzungsänderung mangels Anmeldung und Eintragung im Firmenbuch noch nicht erkennbar gewesen sein könnte. Auf diese Weise wäre bei einem Einstieg dem neuen Aktionär mit Mehrheitsrechten gleichsam unter einem eine bloße Minderheitenbeteiligung verblieben. Auch § 169 AktG müsse grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt des Aktionärsschutzes gesehen werden, dessen Abs 3 könne daher trotz des anderslautenden Textes nur so verstanden werden, daß der Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung durch die Aktionäre, somit auch hier der Beschluß in der Hauptversammlung als maßgeblich anzusehen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, daß mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der anderslautenden maßgeblichen Lehre der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 Rz 4 bis 6 zu § 169 führt zur vorliegenden Problematik aus, fehle es an einer Satzungsbestimmung, so liege es bei der Hauptversammlung, ob sie die bisher fehlende Grundlage für genehmigtes Kapital durch Satzungsänderung neu schaffe. Das Ausmaß des genehmigten Kapitals sei wie jenes des bedingten Kapitals (§ 159 Abs 3) beschränkt. Dafür spreche das öffentliche Interesse. Die Beschränkung bedeute einen Schutz der Aktionäre, deren gesetzlicher Anspruch auf Beteiligung an der Kapitalerhöhung sogar vom Vorstand ausgeschlossen werden könne (§ 171 Abs 1). Der Nennwert des genehmigten Kapitals dürfe nicht mehr als die Hälfte des Grundkapitals zur Zeit des Wirksamwerdens der Ermächtigung betragen. Ein noch nicht ausgenütztes bedingtes Kapital zähle nicht mit. Veränderungen des Kapitales nach dem Wirksamwerden der Ermächtigung berührten den gesetzlichen Höchstbetrag des genehmigten Kapitales nicht.
Kostner, Handbuch der Aktiengesellschaft 96 führt aus, daß das genehmigte Kapital höchstens die Hälfte des im Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung (also im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft oder des satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses) vorhandenen Grundkapitals betragen dürfe. Werde das Grundkapital in der Zeit zwischen der Ermächtigung und der Durchführung der Kapitalerhöhung erhöht oder herabgesetzt, so ändere dies nichts an dieser Höchstquote.
Auch die deutsche Lehre teilt diese Rechtsansichten. Nach Schilling (Großkomm3 III Anm 10 zu § 202) ist für die Obergrenze des Nennbetrages des genehmigten Kapitals das bei der Erteilung der Ermächtigung "vorhandene" Grundkapital entscheidend. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag, an dem die Gesellschaft, bei späterer Erteilung der Ermächtigung die Satzungsänderung eingetragen wird. Wie die Höhe des vorhandenen Kapitals entstanden ist, bleibe sich gleich, es zählten aber nur durchgeführte Kapitalerhöhungen.
Auch Wilhelmi (in Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz3 II Anm 6 zu § 202) nennt als maßgebenden Zeitpunkt den, zu dem die Ermächtigung wirksam werde, das heiße also, der Eintragung der Satzungsänderung, die die Ermächtigung enthalte. Der Ermächtigungsbeschluß sei wirksam, wenn die Eintragung der Satzungsänderung erst erfolge, nachdem die Kapitalerhöhung aufgrund des bedingten Kapitals durchgeführt sei. Gleiches gelte erst recht, wenn eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen zusammen mit einer Ermächtigung zu weiterer Kapitalerhöhung beschlossen und ihre Durchführung vor letzterer eingetragen werde.
Der erkennende Senat teilt die Bedenken des Rekursgerichtes gegen diese Ansichten aus Gründen des Aktionärsschutzes nicht. Zunächst weist schon die unterschiedliche Textierung in § 159 Abs 3 AktG "Zeit des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung" und in § 169 Abs 3 AktG "des zur Zeit der Ermächtigung vorhandenen Grundkapitals" auf eine vom Gesetzgeber gewollte unterschiedliche Behandlung bei bedingter Kapitalerhöhung und genehmigtem Kapital hin, die eine korrigierende Auslegung einer Bestimmung im Sinne der anderen verbietet. Eine bedingte Kapitalerhöhung darf nach § 159 Abs 1 nur soweit durchgeführt werden, als von einem unentziehbaren Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das die Gesellschaft auf die neuen Aktien (Bezugsaktien) einräumt. Hier wird auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung abgestellt, weil die bisherigen Aktionäre geschützt werden sollen. Deren Einbuße an Aktionärsrechten infolge der Verringerung ihrer Beteiligungsquote am Grundkapital durch weitere Beteiligungen, worauf kein mitgliedschaftliches Bezugsrecht besteht, soll sich in Grenzen halten. Zum Zeitpunkt der Beschlußfassung steht noch nicht fest, in welchem Umfang vom Umtausch- und Bezugsrecht in Zukunft Gebrauch gemacht wird. Derselbe Aktionärsschutz wird im Falle der Kapitalerhöhung durch genehmigtes Kapital durch das Abstellen auf das zur Zeit der Ermächtigung vorhandene Grundkapital, die erst mit der Eintragung der Satzungsänderung im Firmenbuch wirksam wird, erreicht. Ist zu diesem Zeitpunkt (wie hier) eine vorangehende oder auch gleichzeitig beschlossene Kapitalerhöhung im Firmenbuch bereits durchgeführt, sind alle Aktionäre (auch jene, die Aktien erst im Zuge der vorangegangenen Kapitalerhöhung durch Einlagen erhalten haben) von der erst danach wirksam werdenden Ermächtigung des Vorstandes, das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen, in gleicher Weise betroffen (also ebenso wie die Aktionäre bei der Beschlußfassung über bedingte Kapitalerhöhung schon "Altaktionäre") und werden dadurch geschützt, daß ihre Beteiligungsquote durch künftige, im Zeitpunkt der Eintragung der Satzungsänderung ebenfalls in ihrem tatsächlichen Umfang noch nicht feststehende, durch den Vorstand (mit Zustimmung des Aufsichtsrates) nicht über das gesetzlich festgesetzte Höchstausmaß hinaus verringert wird.
Der erkennende Senat kommt daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre zu dem Ergebnis, daß nach § 169 Abs 3 AktG, anders als nach § 159 Abs 3 leg cit bei der Berechnung des Höchstausmaßes des genehmigten Kapitales, nicht der Zeitpunkt der Beschlußfassung (durch die Gesellschafter oder) durch die Hauptversammlung, sondern jener der Eintragung (der Gesellschaft oder) des satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses im Firmenbuch entscheidend ist.
Im vorliegenden Fall ist daher nach der bereits durchgeführten Kapitalerhöhung zum Zeitpunkt des Antrages auf Satzungsänderung von einem Grundkapital von 207,317.700 S auszugehen, so daß das genehmigte Kapital von weiteren 100,000.000 S unter der Höchstgrenze des § 169 Abs 3 AktG liegt.
Dem Revisionsrekurs ist daher wie im Spruch stattzugeben.