OGH vom 29.01.2019, 4Ob213/18d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH Co. KG, *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** GmbH, 2. M***** S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz und Dr. Michael Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen zuletzt 68.277,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 22/18m29, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 43 Cg 52/15t25, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die in Deutschland ansässige Klägerin ist eine der weltmarktführenden Herstellerinnen von LED-Metall-taschenlampen und vertreibt Taschenlampen der bekannten Marke „LED LENSER“ in großem Umfang auch nach Österreich. Sie ist Inhaberin des Gemeinschafts-geschmacksmusters (GGM) RCD 000718598-0004.
Die Erstbeklagte (im Folgenden wegen der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens gegen den Zweitbeklagten nur mehr: Beklagte) war bis 2010 im Bereich staatlicher Einrichtungen und Behörden für die Klägerin als Großhändlerin tätig. Im Jahr 2009 wurde der Beklagten im Rahmen einer Ausschreibung nach dem BVergG 2006 der Zuschlag für die Belieferung der Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) mit Taschenlampen der Klägerin erteilt. Die Lampen waren für das Innenministerium, Polizeidienststellen, Feuerwehren und Finanzbehörden vorgesehen.
Für die Erteilung des Zuschlags des BBG-Auftrags war die praktische Eignung zur Handhabung der Taschenlampe im dienstlichen Einsatz das entscheidende Kriterium. Vorgeschrieben waren dabei die Mitführbarkeit in einer Tragevorrichtung, die (eine sichere Handhabung gewährleistende) Oberflächengestaltung, eine Vorrichtung zur Befestigung einer Lampenschlaufe und Zubehör (Holster, Trageschlaufe und Signalkegel). Weniger Bedeutung hatten das Design oder ästhetische Gründe.
Im Ausschreibungsverfahren gab die Klägerin eine Patronatserklärung als (gemäß § 2 Z 4 BVergG) verbundenes Unternehmen zu Gunsten der Beklagten ab. Ungeachtet ihrer Kenntnis von der Ausschreibung und ihrer vertraglichen Verpflichtung als verbundenes Unternehmen stellte die Klägerin die Belieferung der Beklagten mit Ende 2010 ein und wies auch eine andere GmbH an, die Beklagte nicht mehr zu beliefern. Die Klägerin bemühte sich bei der BBG vergeblich um die Übertragung des Liefervertrags.
Um den Auftrag an die BBG zu erfüllen, ließ die Beklagte ab 2011 mehrere tausend Lampen selbst produzieren, die den Ausschreibungsvorgaben der BBG entsprechen sollten.
Die Beklagte nahm im Vergleich zur früher gelieferten Taschenlampe der Klägerin einige Veränderungen vor (Vertiefungen im vorderen Bereich und beim Lichtschalter). Die Beklagte griff dennoch mit dem neuen Erzeugnis in das klägerische GGM ein. Alternativ wäre es ihr möglich gewesen, sich ein Ersatzprodukt eines anderen Herstellers zu besorgen, das nicht in das GGM eingreift.
Nach Mitteilung über den Lieferstopp der Klägerin und den Umstand, dass nunmehr ein anderes, ähnliches Modell geliefert werde, überprüfte das Innenministerium die von der Beklagten produzierten Taschenlampen. Danach wurden die Taschenlampen ca im Sommer 2011 freigegeben. Dafür war abermals die praktische Nutzung der Taschenlampe ausschlaggebend und nicht so sehr das Design oder ästhetische Gründe. Die an das GGM angelehnte Krümmung beim Übergang von Kopf und Schaft war überhaupt kein Kriterium.
Letztlich wurden von den (das GGM verletzenden) Taschenlampen der Beklagten (samt Zubehör) mehr als 98 % an die BBG verkauft, den Rest kauften einige private Käufer.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Höhe des gegen die Beklagte nach § 34 MuSchG im Rahmen einer Stufenklage geltend gemachten Verletzergewinns (vgl unten).
Die Klägerin begehrt zuletzt 68.277,86 EUR sA und vertrat den Standpunkt, dass ihr der durch den Eingriffsgegenstand erzielte Gewinn ungeschmälert zustehe.
Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Klägerin nur den dem Design zuzurechnenden Anteil des Gewinns begehren könne. Der Reingewinn sei um die BBG-Gebühr, den Skonto, die Verpackungs- und Versandspesen, die Serviceleistungen, die Kosten für Ersatzteile sowie um die Gewinnanteile für Zubehör (Signalkegel, Gürteltaschen und Handschlaufen) zu reduzieren.
Das Erstgericht ging von einem Reingewinn von 68.277,86 EUR aus, den es durch den Verkaufserlös abzüglich der für Einkauf, Zoll und Transport angefallenen Kosten ermittelte. Der Verletzer habe jedoch nur den Gewinn herauszugeben, den er gerade aufgrund des widerrechtlichen Eingriffs erzielt habe. Gemeinkosten, die dem Eingriffsgegenstand unmittelbar zugerechnet werden könnten und ohne Verletzung in dieser Höhe nicht entstanden wären, seien abzuziehen. Das Erstgericht bejahte einen Abzug für die angefallene Gebühr, die Ankaufs- und Materialkosten für das Zubehör, (weitere) Kosten für Verpackung, für Verpackung und Versand, für Serviceleistungen und für Ersatzteile. Hingegen sei kein Abzug für Gewinnanteile des Zubehörs zu gewähren. Das Zubehör sei nämlich nur deshalb mitverkauft worden, weil es zur Nutzung der Taschenlampe gehöre. Auch der Skonto sei nicht abzuziehen. Unter Anwendung des § 273 ZPO sprach es einen Verletzergewinn von 55.872,10 EUR zu. Die Abweisung des Mehrbegehrens von 12.405,76 EUR erwuchs in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise statt und änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es der Klägerin – ausgehend von einem Reingewinn von 54.109,87 EUR – 5.411 EUR (gerundet 10 %) zusprach und zusätzlich zum bereits vom Erstgericht abgewiesenen Betrag weitere 50.461,10 EUR abwies.
Der Verletzer habe nur jenen Reingewinn herauszugeben, den er aufgrund des widerrechtlichen Eingriffs in das GGM erzielt habe. Der Anspruch beziehe sich stets nur auf jenen Gewinnanteil, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts beruhe. Es komme maßgeblich darauf an, inwieweit der Entschluss der Käufer zum Erwerb des angegriffenen Erzeugnisses gerade darauf zurückzuführen sei, dass dieses das eingetragene Design benutze. Jener Anteil des Gewinns, der auf andere Ursachen (etwa die Qualität der Ware oder die Intensität der Werbung des Verletzers) entfalle, habe dem Verletzer zu verbleiben. In welchem Umfang der Gewinn auf der Benutzung des GGM beruhe, könne nur durch eine wertende Betrachtung festgestellt werden. Bei der Ermittlung sei § 273 ZPO anzuwenden. Der Einwand der Beklagten, dass sie nicht den vollen Reingewinn schulde, sei deshalb berechtigt, weil für die Freigabe des Eingriffsgegenstands durch das Innenministerium nicht so sehr das Design oder ästhetische Gründe, sondern die praktische Nutzung ausschlaggebend gewesen sei. Die Beklagte habe nur den mit 10 % vom (durch Skontoabzüge verminderten) Reingewinn nach § 273 ZPO festzulegenden Anteil des auf das GGM entfallenden Gewinns herauszugeben.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, wobei es in der Begründung seines Ausspruchs nur auf den (einzelfallbezogenen und in dritter Instanz nicht mehr relevanten) Gesamteindruck eines informierten Benutzers Bezug nahm, nicht aber mit Fragen zur Ermittlung des Verletzergewinns argumentierte.
Der Zuspruch von 5.411 EUR erwuchs ebenso in Rechtskraft wie die Abweisung von weiteren 1.762,23 EUR.
Gegen die Abweisung von 48.698,87 EUR richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass ihr auch dieser Betrag zugesprochen werde.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, es ist aber nicht berechtigt.
1.1 Die Beklagte bestreitet in ihrer Rechtsmittelbeantwortung die Designverletzung und argumentiert dazu umfassend. Sie lässt dabei außer Acht, dass sie im Rahmen des Verfahrens über die Stufenklage mit Teilanerkenntnisurteil bereits rechtskräftig zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet wurde. Ein Rechnungslegungs- und Auskunftsbegehren hängt von einer Rechtsverletzung ab, worüber bei einer Stufenklage mit bindender Wirkung für das Leistungsbegehren bereits bei der Klärung des Manifestationsbegehrens zu entscheiden ist (4 Ob 243/17i mwN). Für das Revisionsverfahren ist damit von einer Verletzung des klägerischen GGM auszugehen.
1.2 Die Beklagte ließ die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der dieses den Zuspruch des Verletzergewinns in der Höhe von 5.411 EUR sA auf ihr Verschulden stützte, unbekämpft. Die Frage, ob ein Verschulden der Beklagten in dritter Instanz noch zu prüfen ist, kann dahinstehen, weil der klägerischen Revision auch bei Bejahung eines Verschuldens der Beklagten aus folgenden Erwägungen nicht Folge zu geben ist:
2.1 Das Berufungsgericht hat den Verletzergewinn nach § 273 ZPO ermittelt. Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es den § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung. Wurde zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RIS-Justiz RS0040282). Eine solche Mängelrüge hat die Klägerin nicht erhoben. Allerdings ist das Ergebnis einer nach § 273 ZPO erfolgten Betragsfestsetzung als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0111576, RS0040341). Dazu zählt auch die Frage, welche maßgeblichen Faktoren zur Bemessung heranzuziehen sind, weil davon ihr Ergebnis abhängt (vgl zB 7 Ob 626/92, 4 Ob 49/98d, 4 Ob 74/05v, 7 Ob 29/05y). Als maßgebliche Faktoren der Bemessung sind nur jene heranzuziehen, die sich aus dem Gesetz oder aus Erfahrungssätzen ergeben, sowie jene, zu denen die Tatsacheninstanzen Feststellungen treffen konnten (7 Ob 674/87).
2.2 Das Rechtsmittel wirft die Frage auf, ob bei einer Geschmacksmusterverletzung nach Ermittlung des Reingewinns noch ein weiterer Abschlag vorzunehmen ist. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass sich der vom Berufungsgericht vorgenommene Abschlag nicht aus dem Gesetz ergibt. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass diese Frage einer Überprüfung im Rahmen der Rechtsrüge zugänglich ist.
3.1 Die Verordnung (EG) Nr 6/2002 des Rates vom über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) normiert keinen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns.
3.2 Die Klägerin konnte ihre Klage aber auf § 34 MuSchG stützen. Demnach hat derjenige, der in seinem Musterrecht verletzt worden ist, ua Anspruch auf Herausgabe des Gewinns, wobei § 150 PatG 1970 sinngemäß gilt. Dessen Abs 1 und 2 lauten wie folgt:
Ansprüche in Geld
§ 150. (1) Der durch unbefugte Verwendung eines Patentes Verletzte hat gegen den Verletzer Anspruch auf ein angemessenes Entgelt.
(2) Bei schuldhafter Patentverletzung kann der Verletzte an Stelle des angemessenen Entgeltes (Abs 1)
a) Schadenersatz einschließlich des ihm entgangenen Gewinnes oder
b)
.
4. Nach zutreffender Ansicht ist der im Immaterialgüterrecht normierte Anspruch des Verletzergewinns (neben § 34 MuSchG iVm § 150 Abs 2 lit b PatG vgl auch § 87 Abs 4 UrhG,§ 53 Abs 2 Z 2 MSchG,§ 9 Abs 4 UWG) als Bereicherungsanspruch nach dem Vorbild der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag konzipiert,
der – abweichend von den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen – ein Verschulden des Bereicherten voraussetzt (allgemein Schacherreither, Bereicherung und Schadenersatz im Immaterialgüterrecht [2018], 88 ff; für das Urheberrecht: 4 Ob 376/86, 1 Ob 11/91 = SZ 64/85, RIS-Justiz RS0077421; Walter, Schadenersatz, angemessenes Entgelt und Verletzergewinn bei Urheberrechtsverletzungen, MR 1995, 2 [„trotz des vorgesehenen Verschuldenserfordernisses dogmatisch nicht schadenersatzrechtlich zu deuten“]; idS auch zum Markenschutzrecht: Guggenbichler in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2§ 53 MSchG Rz 38).
5. Zu berücksichtigen ist, dass bei der Prüfung eines behaupteten Eingriffs in ein Geschmacksmuster nicht das Erzeugnis des Schutzrechtsinhabers, sondern nur dessen Muster heranzuziehen ist; dieses Muster ist wiederum mit dem Eingriffsgegenstand zu vergleichen (4 Ob 76/13z – Grablicht, 4 Ob 17/18f – La Plaza; vgl Art 3 lit a GGV). Geschützt ist demnach nicht ein Erzeugnis an sich, sondern die sich am Erzeugnis zeigende Gestaltung (17 Ob 16/08i mwN, 17 Ob 4/10b; RIS-Justiz RS0121789). Bei der Beurteilung des Umfangs des Verletzergewinns nach § 34 MuSchG iVm § 150 Abs 2 lit b PatG haben allfällige Nachahmungen der klägerischen Taschenlampen außer Betracht zu bleiben. Der Vorwurf der Klägerin, dass sich die Beklagte „bewusst dem Design der klägerischen Taschenlampen weitestmöglich angenähert“ habe, ist bei der Prüfung des § 34 MuSchG iVm § 150 Abs 2 lit b PatG daher ohne Relevanz.
6. Der Senat schließt sich der Ansicht des Berufungsgerichts an, dass dem Verletzer jener Anteil des Gewinns zu verbleiben hat, der nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Verletzer das fremde Geschmacksmuster verletzt hat.
6.1 Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes steht dem Rechteinhaber die Herausgabe des Gewinns nicht generell zur Gänze zu, sondern eben nur insoweit, als er auf die Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts zurückzuführen ist (arg: „durch die Verletzung erzielt hat“).
6.2.1 Wenngleich die hier zu beantwortende Frage in der Entscheidung 4 Ob 182/13p, Grant's, zur vergleichbaren Rechtslage nach dem MSchG nicht geklärt werden musste, wurde dort vom Senat hervorgehoben, dass der Verletzer den „gerade aufgrund des widerrechtlichen Kennzeicheneingriffs“ erzielten Reingewinn herauszugeben hat.
6.2.2 § 150 Abs 2 lit b PatG ist enger gefasst als die frühere Bestimmung des § 108 Abs 3 PatG 1950, der dem Verletzten die Befugnis gab, vom Verletzer „die Herausgabe der erfolgten Bereicherung zu fordern“. Die Judikatur lehnte es freilich bereits zu dieser Norm ab, allein die Motive der Käufer, einen Gegenstand nur wegen des geschützten Rechts zu erwerben, als Maßstab zur Ermittlung des Umfangs der Bereicherung heranzuziehen (4 Ob 354/59 SZ 32/141).
6.3 Auch weite Teile des Schrifttums verneinen es im Sinne des Berufungsgerichts, dass der Verletzer stets zur Herausgabe des ungeschmälerten Reingewinns zu verpflichten ist.
6.3.1 H. Torggler vertrat bereits zu § 9 UWG idF vor der Markenrechts-Novelle 1999 (mit der in Abs 4 die sinngemäße Anwendung des § 150 Abs 2 lit b PatG für § 9 UWG normiert wurde), dass bei der Ausmessung des auf § 1041 ABGB zu stützenden Bereicherungsanspruchs auch der Beitrag des Verletzers zu berücksichtigen ist (H. Torggler, Der Bereicherungsanspruch beim Missbrauch von Unternehmenskennzeichen, JBl 1971, 1).
6.3.2 Guggenbichler vertritt zum MSchG, dass der Verletzer nicht mehr herauszugeben habe, als er gerade aufgrund der Markenverletzung erlangt habe. Jener Anteil, der auf andere Ursachen, etwa die Qualität der Ware entfalle, habe dem Verletzer zu verbleiben (Guggenbichler in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2§ 53 MSchG Rz 43).
6.3.3 Auch Thiele/T. Schneider heben hervor, dass jener Reingewinn herauszugeben sei, den der Verletzer „gerade aufgrund des widerrechtlichen Designereingriffs erzielt hat“ (Thiele/T. Schneider, MuSchG und Muster-RL § 34 Rz 114).
6.3.4 Jüngst hielt Schacherreither (Bereicherung 96 f) fest, dass die Abschöpfung des gesamten Reingewinns, zu dem der Verletzte nichts beigetragen habe, nicht sachgerecht sei. Ein solches Ergebnis könne auch nicht mit präventiv-pönalen Gründen gerechtfertigt werden.
6.4 Dieses Ergebnis korrespondiert auch mit der herrschenden Ansicht zum Umfang des Bereicherungs-anspruchs gegen den unredlichen Besitzer nach § 355 ABGB (vgl § 1437 ABGB), wonach es selbst bei bewusst unrechtmäßigem Gebrauch fremder Sachen nicht sachgerecht sei, den Gewinn des Unredlichen stets zur Gänze dem Verletzten zuzusprechen (vgl F. Bydlinski, JBl 1969, 252 [256]; Holzner in Rummel/Lukas4§ 335 ABGB Rz 1; Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05§ 335 Rz 1; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 1758 und 1765; 2 Ob 404/67 JBl 1969, 272, 1 Ob 590/89, 1 Ob 65/97h, 3 Ob 190/04v). F. Bydlinski verweist in diesem Zusammenhang auf die Formulierung in § 335 ABGB, wonach der unredliche Besitzer verbunden ist, alle „durch den Besitz erlangten Vorteile zurückzustellen“ (F. Bydlinski, JBl 1969, 255; idS auch Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 1758). Demnach hat auch der unredliche, ja selbst der bewusst rechtswidrig handelnde Bereicherungsschuldner dem Verkürzten nicht alle Vorteile herauszugeben, für die das fremde Rechtsgut kausal war, wenn er einen gewichtigen eigenen Beitrag für die Vermögensvermehrung leistete (RIS-Justiz RS0010249). Der Gesamtvorteil ist daher auf die Beteiligten aufzuteilen und die Verwendung der Rechtsgüter des Bereicherungsgläubigers durch eine angemessene Vergütung auszugleichen (RIS-Justiz RS0107346; RS0010249).
6.5 Die zu § 87 Abs 4 UrhG vertretene, gegenteilige Ansicht von Mahr (in Dittrich, Beiträge zum Urheberrecht IV [1996] 47) überzeugt nicht. Dieser Autor behauptet „stark präventiv-pönale Züge“ der Norm, die die Förderung eines unredlichen Nutzerinteresses des Eingreifers verhindern soll. Gleichzeitig referiert er die Materialien zu den § 86 bis 90 UrhG, wonach der Verletzer vom Berechtigten wie ein unechter Geschäftsführer zu behandeln sei, ohne schlüssig nachzuweisen, warum die bereicherungsrechtliche Gewinnhaftung in diesem Punkt über das „Vorbild des § 335 ABGB“ hinausgehen soll. Ungeachtet präventiv-pönaler Züge des § 150 Abs 2 lit b PatG trägt der Wortlaut dieser Norm nicht das von der Klägerin behauptete Ergebnis („der Verletzer soll eben keinen Gewinn erzielen“), dass der Berechtigte auch auf jenen Gewinn des Verletzers greifen kann, der in keinem Zusammenhang mit der Schutzrechtsverletzung steht.
6.6.1 Die Rechtsansicht, dass der Verletzer nur jenen Gewinn herauszugeben habe, den er gerade aufgrund der Verletzung erlangt habe, deckt sich auch mit der in Deutschland zu vergleichbaren Normen vertretenen Rechtsprechung und Lehre.
6.6.2 Demnach ist etwa nach § 42 Designgesetz bei der Berechnung des Verletzergewinns („Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat“) nur jener Anteil des Gewinns zu berücksichtigen, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts beruht (Steinberg in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht3§ 42 DesignG Rz 17; Günther in Günther/Beyerlein, Designgesetz3 § 42 Rz 32 mwN; idS zur Vorgängerbestimmung des § 14a Geschmacksmustergesetz: BGH I ZR 246/98 GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil).
6.6.3 Auch im Urheberrecht (zB BGH I ZR 98/06 GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp-Stuhl;BGH I ZR 122/08 GRUR 2010, 1090 – Werbung eines Nachrichtensenders), Patentrecht (zB BGH X ZR 51/11 GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger; Grabinski/Zülch in Benkard,PatentG11 [2015] § 139 Rz 74), im Markenrecht (zB BGH I ZR 322/02 GRUR 2006, 419 – Noblesse; Fezer,MarkenR4 § 14 MarkenG Rz 1034) und für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (BGH I ZR 107/90 GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II;BGH I ZR 6/04 GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen36§ 9 UWG Rz 1.46) ist diese Ansicht herrschend, weil eben nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzergewinn vollständig auf der Verletzung beruhe (vgl allgemein für das Immaterialgüterrecht: Kunkel, Die Schadensersatzberechnung im Immaterialgüterrecht [2018]: „nur insoweit, als sie auf der Schutzrechtsverletzung beruht“).
6.7 Dem hier vertretenen Ergebnis steht auch nicht die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums entgegen. Art 13 leg cit sieht unter anderem die Möglichkeit der Berechnung eines Ersatzanspruchs auch anhand des vom Verletzer „zu Unrecht erzielten“ Gewinns vor, verlangt dabei aber nicht die Abschöpfung des gesamten Reingewinns (in diesem Sinn auch BGH I ZR 122/08 GRUR 2010, 1090 – Werbung eines Nachrichtensenders; Goldmann,Die Berechnung des Schadenersatzanspruchs vor und nach Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie, WRP 2011, 950 [967]).
6.8 Der (als argumentum ad absurdum gebrauchte) Hinweis im Rechtsmittel, dass sogar das (einfache) angemessene Entgelt hier höher wäre als der zuerkannte Betrag, vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass dieser Einwand allenfalls die konkrete Höhe des Verletzeranteils betrifft, lässt sich der dabei von der Klägerin pauschal behauptete 6%ige Anteil am Umsatz als (einfaches) angemessenes Entgelt nicht begründen. Für die Höhe des Prozentsatzes bedeutsam sind vielmehr der Bekanntheitsgrad und Ruf des verletzten Rechts, der Grad der Verwechslungsgefahr, der Beeinträchtigung oder Ausbeutung, der Bedeutung des Rechts für die Abnehmer sowie Dauer und Umfang der Nutzung (4 Ob 36/05f – BOSS Zigaretten; 4 Ob 133/13g – EDV-Firmenbuch). Dabei wird in der Rechtsprechung der prozentuale Anteil am Bruttoerlös unter Gewichtung dieser Faktoren auf bis zu 1 % reduziert (vgl 4 Ob 3/15t – Blutgerinnungskonzentrat), was im Anlassfall zur Folge hätte, dass selbst das zweifache angemessene Entgelt geringer wäre als der zugesprochene Betrag. Der Einwand der Klägerin, dass ein Abzug vom Verletzergewinn schon deshalb gesetzwidrig sei, weil sie dann (stets) schlechter stünde als bei einem Zuspruch des doppelten oder auch nur des einfachen angemessenen Entgelts, verfängt daher nicht.
6.9 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass sich der herauszugebende Verletzergewinn stets nur auf den Anteil des Gewinns bezieht, der gerade auf der Benutzung des fremden GGM beruht.
7.1 Das (im Sinne der hA in Deutschland, vgl Steinberg in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht3§ 42 DesignG Rz 17 mwN) im Wege der freien richterlichen Schadensschätzung nach § 273 ZPO erzielte Ergebnis des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren im Rahmen der Rechtsrüge überprüfbar (siehe oben Punkt 1.1). Dabei ist von jenen Umständen auszugehen, die die Tatsacheninstanzen als feststehend angenommen haben (RIS-Justiz RS0040341 [T9, T 11]).
7.2 Nach dem Berufungsgericht beruht der Verletzergewinn nur in einem untergeordneten Ausmaß auf dem Eingriff in das GGM, was aufgrund der Feststellungen nicht zu beanstanden ist. Sowohl im Vergabeverfahren als auch bei der nachträglichen Überprüfung des von der Beklagten produzierten Modells durch das Innenministerium war die praktische Eignung zur Handhabung der Taschenlampe im dienstlichen Einsatz das entscheidende Kriterium des (praktisch) einzigen Abnehmers, das Design spielte hingegen keine wesentliche Rolle. In der Festsetzung des herauszugebenden Gewinnanteils mit 10 % des Reingewinns liegt kein Verstoß gegen § 273 ZPO.
8. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
9. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00213.18D.0129.000 |
Schlagworte: | LED‑LENSER, |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.