OGH vom 18.06.1970, 1Ob142/70
Norm
Kopf
SZ 43/107
Spruch
Dem Gesellschafter einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes, der zum Hauptstamm keinen Beitrag geleistet hat und sich auch auf keine Sondervereinbarung iS des letzten Satzes des § 1192 ABGB stützen kann, ist es verwehrt, nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses Aufschluß über die Veränderungen des Hauptstammes zu fordern
(OLG Wien 1 R 33/70; HG Wien 27 Cg 1061/69)
Text
Der Kläger begehrte, den beklagten Verlag zu verurteilen, ihm eine Schlußrechnung über das Kapital (Hauptstamm samt Veränderungen) des von den Parteien gemeinsam betriebenen Unternehmens "Österreichisches Branchen-Adreßbuch für Wirtschaft und Fremdenverkehr" vorzulegen. Zwischen den Parteien sei am mit Wirksamkeit vom ein Vertrag zwecks Herausgabe eines neuen Branchen-Adreßbuchs innerhalb der Firma des Beklagten abgeschlossen worden. Während der Kläger die Redaktion des Adreßbuchs und die gesamte Organisation übernommen habe, sei dem Beklagten die übrige Geschäftsführung oblegen. Gewinn und Verlust sollten je zur Hälfte geteilt werden. Der Kläger habe die Vorfinanzierung übernommen, die damit verbundenen Auslagen seien von den erwarteten Betriebseinnahmen zu refundieren gewesen. Am sei es zur einverständlichen Auflösung des Geschäftsverhältnisses der Parteien gekommen. Der Beklagte bestreite, daß zwischen den Parteien eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden habe, und verweigere aus diesem Grund die Erstellung einer Gesamtabrechnung. Der in den Jahren 1967 und 1968 erreichte bedeutende Umsatz sei ohne Kapitaleinsatz lediglich mit dem vom Kläger eingebrachten Titel des Buches, mit dem Kundenstock des Klägers sowie auf Grund der vom Kläger bewirkten Vorfinanzierung erreicht worden.
Der Beklagte wendete ein, daß der Kläger nach dem am abgeschlossenen Vertrag als freier Mitarbeiter 50% des erzielten Nettogewinns zu fordern habe; von einer Kapitalbeteiligung sei niemals gesprochen und eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht gegrundet worden. Der Kläger habe weder den Titel des Adreßbuchs noch einen Kundenstock oder einen Vertreterstab eingebracht. Aus der dem Kläger am übermittelten detaillierten Abrechnung ergebe sich, daß der Kläger nach den getroffenen Vereinbarungen gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf insgesamt 317.592.60 S (Gewinnanteil) besitze, wovon er bisher 309.611.35 S erhalten habe.
Außer Streit gestellt wurde: 1. Der Abschluß des Vertrages v zwischen den Parteien; 2. die Tatsache, daß der Beklagte an den Kläger zwischen dem und dem 28.725.70 S an Vorfinanzierungsgeldern zurückerstattet hat; 3. die Auflösung des Vertragsverhältnisses mit Stichtag ; 4. daß die vom Beklagten gelegte Abrechnung, wonach der Kläger einen Anspruch von 317.592.60 S abzüglich 309.611.35 S an bereits erhaltenen Leistungen, sonach insgesamt einen restlichen Anspruch von 7981.25 S, besitze, eine Abrechnung darstellt, die unter Berücksichtigung von Gewinn und Verlust und nicht unter Berücksichtigung des Stammkapitals erstellt wurde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging: Der Kläger sei in den Jahren 1947 bis 1958 beim Verlag S als Redakteur des "Anzeigenkuriers" sowie als Berater beim "Branchenführer" tätig gewesen. Nach seinem Ausscheiden aus dieser Firma bis zum Beginn der Herausgabe des klagsgegenständlichen Adreßbuchs, also während eines Zeitraumes von etwa 8 Jahren, sei der Kläger nicht mehr als Vertreter tätig gewesen und habe demzufolge beim Abschluß des Vertrages mit dem Beklagten keinen Kundenstock mehr besessen. Der im Eigentum des Walter B stehende beklagte Verlag vertreibe mehrere Verlagsobjekte. Der Kläger sei während seiner Tätigkeit bei S mit Alfred G und anderen Vertretern bekannt geworden. G sei im Jahr 1966 mit fünf weiteren Kollegen an den Kläger wegen einer Stellenvermittlung herangetreten und habe ihm dabei auch die Idee von der Herausgabe eines Adreßbuchs unterbreitet. Im Mai oder Juni 1966 habe der Kläger dem Walter B vorgeschlagen, gemeinsam mit ihm und sechs Vertretern das "Österreichische Branchen-Adreßbuch (ÖBA)" herauszugeben. Nach Erläuterungen des G über die Vorgangsweise bei der Herausgabe eines solchen Werks habe B diesem Vorschlag zugestimmt. Da B durch seine übrigen Verlagsobjekte voll ausgelastet gewesen sei, habe er den Kläger, der sich als Fachmann ausgegeben habe, gebeten, die Leitung des ÖBA zu übernehmen. Bei mehreren Zusammenkünften sei der Buchtitel in Zusammenarbeit der sechs Vertreter und der beiden Parteien bestimmt worden. Der Vertrag v sei von den Parteien abgefaßt worden. Anstelle eines Honorars oder eines fixen Bezuges sei eine Beteiligung von 50% : 50% am Gewinn und am Verlust vereinbart worden. Die Buchhaltung für das geplante Vorhaben sei vereinbarungsgemäß gesondert zu führen gewesen. Der Verlag B halte dies bei sämtlichen Vertriebsobjekten so, um den Ertrag jedes einzelnen Objekts leicht feststellen zu können. In der Folge sei es zum Abschluß einer Vereinbarung zwischen den Parteien einerseits und der Buchdruckerei Karl K andererseits über den Druck des Adreßbuchs gekommen. Das Verhältnis der Parteien habe zu Beginn des Jahres 1967 eine Trübung erfahren, weil der Kläger die Personal- und Betriebsführung des Walter B kritisiert habe. Der Kläger sei mit Schreiben v unter Hinweis auf P 2 des Vertrages v von jeder Verantwortlichkeit enthoben worden; ihm seien jedoch weiterhin 50% des Reingewinns ausgezahlt worden. Von diesem Zeitpunkt an habe der Kläger nur noch entsprechend den Anweisungen des B arbeiten müssen, dabei jedoch keine nennenswerte Tätigkeit entfaltet, so daß es zur Auflösung des Vertrages gekommen sei. Der Kläger habe kein Kapital eingebracht; der von ihm vorschußweise ausgegebene Betrag von 28.725.70 S sei innerhalb kürzester Zeit von Walter B rückerstattet worden. Die vom Beklagten angestellten Vertreter habe der Kläger lediglich vermittelt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Kläger lediglich als freier Mitarbeiter i S eines Angestellten mit gewisser Verantwortlichkeit und mit Beteiligung am Gewinn und Verlust beim Verlagsobjekt ÖBA des beklagten Verlages beschäftigt gewesen sei. In dieser Eigenschaft stehe ihm der erhobene Anspruch auf Rechnungslegung über das Stammkapital nicht zu.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte aus, daß der Kläger für seinen Rechtsstandpunkt auch dann nichts gewinnen könne, wenn i S seiner Berufungsausführungen unterstellt werde, daß zwischen den Parteien eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1175 ABGB) bestanden habe. Nach § 1183 Satz 2 ABGB habe nämlich derjenige, der nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht, Anspruch auf den Gewinn, nicht aber auf den Hauptstamm. Dieser bleibe im Eigentum derjenigen, die dazu beigetragen haben, es sei denn, daß der Wert der Arbeit zum Kapital geschlagen und alles als gemeinschaftliches Gut erklärt worden sei (§ 1192 ABGB). Ein Anspruch auf Rechnungslegung über den Hauptstamm bestehe aber nur dann, wenn der einen solchen Anspruch geltend machende Gesellschafter entweder Sachleistungen eingebracht oder eine Vereinbarung des Inhalts getroffen habe, daß seine Arbeitsleistungen zum Kapital geschlagen werden sollten. Das Schicksal des Hauptstamms berühre nur die daran beteiligten Gesellschafter. Bei Beendigung der Gesellschaft falle der Hauptstamm den beitragenden Mitgliedern der Gesellschaft zu und werde unter ihnen geteilt (Wahle in Klang[2] V 581). Wohl könne das Statut bestimmten Gesellschaftern einen Vorzug bei der Verteilung des Hauptstammes sichern, insb auch Gesellschaftern, die nur Arbeiten versprochen haben, einräumen, daß der Wert dieser Arbeiten dem Hauptstamm (Kapital) zugeschlagen werde (Wahle in Klang[2] V 582), doch könne sich der Kläger auf eine derartige Begünstigung nicht berufen. Nach dem Vertrag sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, Geld- oder Sachleistungen in die Gesellschaft einzubringen, und er habe solche auch nicht eingebracht. Bei diesen Gegebenheiten sei das Begehren des Klägers auf Rechnungslegung hinsichtlich des Hauptstamms, an dem er nicht beteiligt sei, zutreffend abgewiesen worden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Den Rechtsausführungen des Klägers ist darin beizupflichten, daß der Beitragsbegriff des § 1184 ABGB körperliche Sachen, Geld, aber auch Wertpapiere, Immaterialgüterrechte wie Patente, Marken, Urheberrechte, Betriebsgeheimnisse, insb geheime Erfindungen, Rezepte usw, ferner Konzessionen, Kundenstöcke, eingespielte Geschäftsapparate, Beistellung eigenen Personals, Lieferungsverträge usw umfaßt. Den Gesellschaftern ist es anheimgestellt, was sie im Gesellschaftsvertrag einem Mitglied als Kapitaleinlage anrechnen wollen und mit welchem Betrag sie dies tun (Wahle in Klang[2] V 587). Die Beteiligung am Hauptstamm, dessen Bildung vom Gesetz bei der Gründung einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft übrigens nicht gefordert wird, ist für das Gesellschaftsverhältnis jedoch nicht wesentlich (Wahle in Klang[2] V 509, 580, 588).
Das Berufungsgericht hat durchaus nicht übersehen, daß der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag verbunden war, eine Vorfinanzierung vorzunehmen und daß er dieser Verpflichtung mit der Hingabe eines Betrages von 28.752.70 S auch nachgekommen ist. Die Umstände, unter denen dies geschehen ist, insb die Rückerstattung des Betrages wenige Wochen nach Beginn des Gesellschaftsverhältnisses, sprechen jedoch für die Richtigkeit der Annahme des Berufungsgerichts, daß es sich dabei keineswegs um die Übernahme einer sozietären Verpflichtung durch den Kläger, sondern um die Gewährung eines kurzfristigen Kredits des Klägers an die Gesellschaft gehandelt hat, so daß die vorschußweise geleisteten Auslagen des Klägers - entgegen der Vorstellung des Revisionswerbers - zutreffend nicht als Vermögenseinlage qualifiziert wurden.
Der neuerliche Versuch des Rechtsmittelwerbers, darzutun, daß er den Vermögensfonds durch die "Einbringung von sechs branchenkundigen Vertretern und deren Kundenstocks" gestärkt habe, muß deshalb scheitern, weil er nach den Verfahrensergebnissen lediglich die Anstellung dieser Vertreter vermittelt hat. Diese Tatsache verwehrt es dem Kläger, den Kundenstock, über den diese Vertreter allenfalls verfügten, als vermögenswerte Sacheinlage zu buchen.
Der Titel des herauszugebenden Werks ist nach den Urteilsfeststellungen in mehreren Arbeitssitzungen, an der neben den Parteien auch die anzustellenden Vertreter teilgenommen haben, von allen Teilnehmern gemeinsam erarbeitet worden, so daß auch von der Einbringung eines immateriellen Gutes in die Gesellschaft in der Form eines Buchtitels nicht gesprochen werden kann.
Grundsätzlich muß der Inhalt einer nach § 1198 ABGB zu erstellenden Abrechnung Aufschluß über die abgewickelten Geschäftsfälle, über die Einnahmen und die Ausgaben geben und darüber hinaus auch die Veränderungen des Hauptstamms erkennen lassen (Wahle in Klang[2] V 626).
Bei der Lösung der hier im Vordergrund stehenden Frage der Kontrollrechte des Klägers ist jedoch nicht zu übersehen, daß Sacheinlagen (§§ 1182 f ABGB) ohne Rücksicht auf allfällige Wertänderungen Teile des Hauptstamms bleiben. Ihr Schicksal ist nur für die am Hauptstamm beteiligten Mitglieder der Gesellschaft von Bedeutung. Der Hauptstamm bildet demnach eine besondere, die Gewinn- und Verlustrechnung nicht berührende Masse, die bei der Bilanzierung außer Betracht bleiben kann (Wahle in Klang[2] V 581).
Die beschriebene Vergangenheit des Hauptstamms zugunsten der beitragenden Mitglieder (§§ 1183, 1192 Satz 2, erster Halbsatz, ABGB) macht deutlich, daß es einem Gesellschafter, der - wie der Kläger - nur seine Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen zu verwenden verspricht und zum Hauptstamm keinen Beitrag geleistet hat (§ 1183 Satz 2 ABGB) und der sich auch nicht auf eine Sondervereinbarung i S des § 1192, Schlußsatz, ABGB stützen kann, mangels eines schutzwürdigen Interesses verwehrt ist, nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses Aufschluß über die Veränderungen des Hauptstamms, auf den er bei der nach § 1215 ABGB vorzunehmenden Teilung des Gesellschaftsvermögens keinen Anspruch hat, zu fordern.