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OGH vom 16.12.2014, 4Ob213/14y

OGH vom 16.12.2014, 4Ob213/14y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in den verbundenen Markenrechtssachen der Antragstellerin M*****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, gegen die Antragsgegnerin (Anmelderin) „T*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in Wien, wegen der Widersprüche gegen die Marken AT 269242, AT 269240, AT 269971 und AT 268080, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 34 R 56/14a, 57/14y, 58/14w und 59/14t-5, womit infolge Widerspruchs der Antragstellerin die Entscheidungen der Rechtsabteilung des Österreichischen Patentamts vom , GZ WM 51/2013-3, WM 53/2013-3 und WM 70/2013-3, abgeändert und die Entscheidung zu WM 165/2012-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden teils bestätigt, teils dahin abgeändert, dass sie nunmehr zu lauten haben:

„Den Widersprüchen der Antragstellerin gegen die Marken AT 269242, AT 269240, AT 269971 und AT 268080 wird teilweise stattgegeben und die Registrierung dieser Marken hinsichtlich Klasse 43 (Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen) mit Wirksamkeit vom Zeitpunkt der Registrierung aufgehoben. Im Übrigen werden die Widersprüche abgewiesen.“

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin beantragte die Registrierung folgender Marken:

a) AT 269242MCMOUNTAIN

b) AT 269240MCTYROL

c) AT 269971 MC TIROL und

d) AT 268080MCTIROL

jeweils in den Klassen 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen), 41 (Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten) und 43 (Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen).

Die Antragstellerin erhob gegen die Registrierung jeweils Widerspruch. Die angegriffenen Marken seien zur Verwechslung mit den nachfolgend wiedergegebenen für sie bereits eingetragenen Marken (Widerspruchsmarken) geeignet:


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AT 129451

AT 79395
RONALD MCDONALD
AT 79396
MCDONALD'S
AT 114123
RONALD MCDONALD PLAYLAND
AT 120206

AT 170394

AT 122848


Die ersten fünf Widerspruchsmarken sind (auch) in der Klasse 41 registriert, die zuletzt genannte in der Klasse 25.

Die Rechtsabteilung des Österreichischen Patentamts gab mit Beschlüssen vom den Widersprüchen gegen die eingangs zu a) bis c) genannten Marken jeweils in Bezug auf die Warenklassen 41 und 43 statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marken in diesem Umfang auf; im restlichen Umfang wies sie den Antrag ab. Den Widerspruch gegen die eingangs zu d) genannte Marke wies die Rechtsabteilung zur Gänze ab.

Gegen diese Entscheidungen erhoben die Antragsgegnerin und die Antragstellerin die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichteten Beschwerden, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab als Rekurse vom Oberlandesgericht Wien zu entscheiden waren (§ 77c Abs 1 MSchG,§ 176b Abs 1 Z 1 PatG).

Das Rekursgericht verband die vier Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und bestätigte die Abweisung des Widerspruchs gegen die Marke AT 268080; in den übrigen Verfahren änderte es die angefochtenen Beschlüsse dahin ab, dass es die Widersprüche zur Gänze abwies. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Bereich der Warenklasse 25, für die die angegriffenen Marken eingetragen seien, sei im Rekursverfahren nicht mehr von Bedeutung. Nicht weiter erörterungsbedürftig sei die Warenähnlichkeit in Bezug auf die Warenklassen 41 und 43. Verwechslungsgefahr aus dem Grund einer „Markenfamilie“ liege nicht vor; die gebotene umfassende Prüfung könne sich nicht auf die Feststellung beschränken, dass die Widerspruchsmarken einen gemeinsamen Bestandteil hätten, der in allen diesen Marken vorkomme. Dass dieser Bestandteil („Mc“, „MC“ und „Mac“) für sich geeignet sei, die Widerspruchsmarken zu Serienmarken zu machen, reiche für die Bejahung der Verwechslungsgefahr nicht aus, weil sowohl die Kennzeichnungskraft dieser ursprünglich als schottische und gaelische Namensvorsilbe bekannten Bestandteile als auch der danach folgende Wortteil gesamtheitlich zu prüfen sei.

Die inhaltlich ohne entsprechende Ergänzung und für sich genommen nicht auf bestimmte Waren und Dienstleistungen hindeutende und daher schwache Kennzeichnungskraft von „Mc/MC“ korrespondiere mit den Worten „MOUNTAIN“, „TYROL“ und „TIROL“, die jeweils eine im allgemeinen Sprachgebrauch wurzelnde, nicht primär an Essen und Trinken erinnernde Bedeutung hätten und allen Bestandteilen der Widerspruchsmarken unähnlich seien. Die Buchstabenfolge „Mc/MC“ werde jeweils mit einem weiteren Bestandteil in einer Art und Weise verschmolzen, dass sie vom Publikum nicht (mehr) im Sinne des gaelischen oder schottischen Wortes für „Sohn“ verstanden werde, sondern als verschieden interpretierbare Buchstabenkombination vor einem weiteren Wort. „MC“ besitze als Abkürzung gerade im Bereich der Unterhaltungsdienstleistungen verschiedene Bedeutungen (etwa: „Master of Ceremonies“, „Musik-Cassette“, „Motorcycle“ und „Motorcycle Club“ oder „Motorclub“) und sei einem Teil der Verkehrskreise überdies als römische Zahl für 1100 bekannt; im Übrigen sei diese Buchstabengruppe auch der internationale Ländercode für Monaco und die Abkürzung der englischen Maßeinheit der Frequenz „Mega Cycle“ (deutsch: Megahertz). Im Hinblick auf die sich aus der konkret vorliegenden Zeichenzusammensetzung ergebenden Varianten des Verständnisses und die damit einhergehenden vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten könne die Buchstabenfolge „MC“ im Zusammenhang der Marken der Antragsgegnerin nicht als nebeneinander gereiht betrachtet werden; sie verliere vielmehr den Charakter eines eigenständigen Wortes und gehe im Gesamtwortlaut auf, weshalb insgesamt von keiner Markenähnlichkeit auszugehen sei. Die Widersprüche seien deshalb zur Gänze abzuweisen. Die selben Überlegungen trügen auch die abweisende Entscheidung des Patentamts im Verfahren WM 165/2012.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Die Antragstellerin macht geltend, dass das Rekursgericht die (mittelbare) Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt einer Serienmarke unzutreffend verneint habe.

1. Prüfungsmaßstab für das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist § 10 Abs 1 Z 2 MSchG. Sie ist gegeben, wenn das Publikum glauben kann, die betreffenden Waren stammten aus demselben Unternehmen (unmittelbare Verwechslungsgefahr) oder zumindest aus wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbundenen Unternehmen (mittelbare Verwechslungsgefahr; vgl RIS-Justiz RS0078978).

2. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind dabei ua die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (vgl RIS-Justiz RS0121500). Die fraglichen Marken sind jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen und ihre Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren zu beurteilen (RIS-Justiz RS0117324; Nachweise bei Schumacher in Kucsko, marken.schutz 210 in FN 77).

3. Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten, und es dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss den einzelnen Markenteilen auf den Gesamteindruck des Zeichens zukommt. In keinem Fall darf außer Acht gelassen werden, dass das charakteristische Merkmal eines Zeichens grundsätzlich nicht auf einem schutzunfähigen oder nur schwachen Zeichenbestandteil liegt, die Aufmerksamkeit des Käufers vielmehr in solchen Fällen zwangsläufig auf die übrigen Zeichenelemente gelenkt wird (RIS-Justiz RS0066753).

4. Zutreffend haben die Vorinstanzen nach dem doch erheblichen Unterschied im Gesamteindruck der in Frage stehenden konkurrierenden Marken unmittelbare Verwechslungsgefahr verneint; dieses Ergebnis wird im Rechtsmittel an die dritte Instanz auch nicht in Frage gestellt. Damit kommt es entscheidend auf die mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt einer Serienmarke (Abwandlung eines Stammzeichens) an.

4.1. Die Serienmarken einer Markenfamilie charakterisiert ein gemeinsamer Stammbestandteil (Stammzeichen) als Wortstamm, Bildstamm oder auch als Hörstamm. Serienmarken werden durch das Verändern bestimmter Zeichenbestandteile gebildet, wie das Voranstellen, Anhängen oder Weglassen von Wortsilben sowie der Modifikation von Bildbestandteilen mit der Absicht, sich auf diese Weise für die Einführung neuer Zeichen des Bekanntheitsgrades des Stammzeichens zu bedienen (vgl Fezer, Markengesetz 4 § 14 Rn 593; OPM Om 18/92, PBl 1994, 27 - McChinese unter Hinweis auf von Gamm, Warenzeichengesetz § 31 Rn 38).

4.2. Anders als bei der unmittelbaren Verwechslungsgefahr, bei der eine reine Zeichenverwechslung vorliegt, weil der Verkehr die eine Marke für die andere hält, handelt es sich bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr um eine assoziative Fehlzurechnung des Verkehrs dahin, aufgrund der gemeinsamen Stammbestandteile der Kollisionszeichen seien die Produkte dem Markeninhaber der Markenfamilie zuzurechnen. Der gemeinsame Stammbestandteil enthält im Wesentlichen den markenrechtlichen Identifikationshinweis, sei es herkunftsidentifizierend, weil der Verkehr annimmt, die markierten Produkte stammten aus demselben Unternehmen, sei es produktidentifizierend, weil die Waren oder Dienstleistungen der Produktverantwortung des Markeninhabers zugerechnet werden ( Fezer, Markengesetz 4 § 14 Rn 593; vgl auch 4 Ob 2104/96g - McCruise).

4.3. Der mittelbare Verwechslungsschutz von Serienmarken besteht unter den beiden Voraussetzungen, dass einerseits ein identischer oder im Wesentlichen identischer Stammbestandteil besteht, der andererseits als kennzeichenrechtlicher Identifikationshinweis der Markenfamilie dient. Ob nach dem Gesamteindruck der Kollisionszeichen unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, ist demgegenüber ohne Bedeutung ( Fezer, Markengesetz 4 § 14 Rn 596 ff).

4.4. Ob ein übereinstimmender Zeichenbestandteil der Markenfamilie einen kennzeichnenden Stammbestandteil von Serienmarken bildet, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, die ihrerseits durch die Eigenart dieses Zeichenbestandteils selbst und durch seine Eigenständigkeit gegenüber dem übrigen Zeicheninhalt beeinflusst wird ( Fezer, Markengesetz 4 § 14 Rn 600). Bei Wortverbindungen wird das vorangestellte Element den Eindruck eines Stammbestandteils hervorrufen ( Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz 10 § 9 Rn 462).

4.5. Auch im Zusammenhang mit mittelbarer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens sind alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, weshalb es bei der Prüfung nicht allein auf die Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der Stammbestandteile der einander gegenüberstehenden Zeichen, sondern auch auf die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren ankommt.

5.1. Nach diesen Grundsätzen ist der Widerspruch der Antragstellerin wegen (mittelbarer) Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt der Serienmarke im Umfang der Warenklasse 43 berechtigt.

5.2. Der Stammbestandteil der Widerspruchsmarken „MCDONALD'S“ „McBURGER“ und „McKIDS“ ist - abgesehen von der Groß- oder Kleinschreibung des zweiten Buchstabens - identisch mit jenem der kollidierenden Wortmarken (bzw dem Wortbestandteil der kollidierenden Wortbildmarke) und verliert (wegen des identen Markenbildungsprinzips wie bei den Widerspruchsmarken) in diesen seine Selbständigkeit nicht.

Rechtliche Beurteilung

5.3. Das Publikum erkennt somit einerseits die einleitende Buchstabengruppe Mc/MC in den angegriffenen Marken als selbständige Buchstabenfolge, die von den jeweils nachfolgenden Worten mit jeweils klar erkennbarem Bedeutungsinhalt abgegrenzt ist. Diese Buchstabenfolge, die mit dem Stammzeichen der zuvor genannten Widerspruchsmarken identisch ist, ist darüber hinaus geeignet, vom Publikum in Verbindung mit Verpflegung und Nahrungsmitteln infolge der Vielzahl der Marken dieser Markenfamilie und deren notorisch weiter Verbreitung als auf das Unternehmen der Antragstellerin hinweisendes Stammzeichen aufgefasst zu werden (vgl OPM Om 18/92, PBl 1994, 27 - McChinese; anders im Zusammenhang mit Reisebüroleistungen: 4 Ob 2104/96g - McCruise).

5.4. Unter diesen Umständen besteht bei der (im Revisionsrekursverfahren nicht in Frage gestellten) Identität bzw Nähe der zu vergleichenden Dienstleistungen und beim Charakter der Buchstabengruppe Mc/MC als Stammbestandteil im Zusammenhang mit der Klasse 43 die Gefahr, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit den angegriffenen Marken der Antragsgegnerin bezeichnete Dienstleistungen für solche der Antragstellerin oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens hält (vgl 4 Ob 18/02d - OPUS ONE). Anders als vom Rekursgericht angenommen kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der zweite Markenbestandteil („Mountain“, „Tyrol“, „Tirol“) einen auf Verpflegung oder Nahrungsmittel hinweisenden Sinngehalt hat. Vielmehr genügt es, dass die angegriffenen Marken (auch) für diese Waren registriert wurden. Denn die Prüfung der Verwechslungsgefahr hat unter der Annahme einer dieser Registrierung entsprechenden Verwendung der Marken zu erfolgen. Werden die Marken aber für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Verpflegung und Nahrungsmittel verwendet, so werden die angesprochenen Kreise eine Verbindung zur Markenfamilie unabhängig davon herstellen, ob (auch) der weitere Markenbestandteil eine Assoziation zu Nahrungsmitteln hervorruft oder nicht. Die (mittelbare) Verwechslungsgefahr muss deshalb insoweit bejaht werden.

5.5. Für Dienstleistungen der Klasse 41 (Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten) und Waren der Klasse 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen) gilt anderes. Insofern ist nämlich nicht notorisch, dass das Publikum die Buchstabenfolge „Mc/MC“ als auf das Unternehmen der Antragstellerin hinweisendes Stammzeichen auffasst. Damit entfällt aber in diesem Umfang die mittelbare Verwechslungsgefahr.

6. Dem Revisionsrekurs ist somit teilweise, nämlich im Umfang der Klasse 43, Folge zu geben.

Oberster Gerichtshof,
Wien, am
Dr. S c h e n k
Für die Richtigkeit der Ausfertigung
die Leiterin der Geschäftsabteilung:

Zusatzinformationen


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ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00211.14D.1216.000