OGH vom 16.12.2003, 4Ob213/03g

OGH vom 16.12.2003, 4Ob213/03g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C*****, und 2. C*****, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Unterlassung (Streitwert 60.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 123/03k-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 27 Cg 74/03z-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin, eine Gesellschaft mit Sitz in Japan, ist Inhaberin der im österreichischen Markenregister unter der Nr AM 5705/88 für die Warenklassen 1 - 42 registrierten internationalen Marke CANON. Die Zweitklägerin, eine Vertriebsgesellschaft der Erstklägerin, ist aufgrund mündlich abgeschlossener Lizenzverträge berechtigt, die Marke der Erstklägerin CANON im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten zu nutzen und Markenrechtsverletzungen gerichtlich im eigenen Namen zu verfolgen.

Die Beklagte ist Großhändlerin. Sie vertreibt Verbrauchsmaterial für Kopierer und Drucker, darunter auch CANON-Produkte, die sie teils innerhalb des EWR ein- und auch dort wieder verkauft, teils bezieht sie diese Produkte aus Südostasien und Amerika. Sie besitzt keine Lizenz zur Benutzung der Marke CANON.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehren die Klägerinnen, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es zu unterlassen, die Marke CANON in Österreich beim Vertrieb von Geräten, Ersatzteilen und Zubehör zu Kopiergeräten, insbesondere beim Vertrieb von Kopierer-Trommeln, -Toner, und Cartridges, die nicht von den klagenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, zu verwenden. Die Beklagte vertreibe ausschließlich für den US-amerikanischen Markt produzierte und nicht zur Einfuhr in den EWR bestimmte Originalware der Marke CANON. Sie greife in die geschützte Wortmarke ein, weil die von ihr vertriebenen Erzeugnisse erstmals in den USA und nicht in einem Mitgliedsstaat des EWR in Verkehr gebracht worden seien. Eine Vereinbarung, aus der die Beklagte eine Berechtigung zur Verwendung der Marke ableiten könne, bestehe nicht.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie vertreibe im EWR nur dort erworbene Originalware. CANON-Verbrauchsmaterial kaufe sie zwar auch außerhalb des EWR, vertreibe dieses aber ausschließlich im Wege des sogenannten "Zollausschlussverfahrens" in Länder außerhalb des EWR. Die bloße Durchfuhr im Zollausschlussverfahren bedeute kein Inverkehrbringen im EWR bzw in Österreich. Die Kläger hätten einem Verkauf in Länder des ehemaligen Ostblocks zugestimmt. Im Übrigen sei die Zweitklägerin aktiv nicht legitimiert. Für den Fall der Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragte die Beklagte die Auferlegung einer Sicherheitsleistung von 30 Mio EUR.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 300.000 EUR. Es stellte noch fest, der CANON-Konzern produziere und vertreibe unter anderem ausschließlich für den US-amerikanischen Raum bestimmte Ware, darunter auch Verbrauchsmaterial für Kopierer und Drucker. Die Beklagte beziehe diese (nicht für den EWR bestimmte) Ware in Südostasien und Amerika und verkaufe sie im sogenannten "Zollausschlussverfahren" in Länder außerhalb des EWR. Zu diesem Zweck verfüge sie über ein Zollfreilager in Österreich. Die Ware werde von der Beklagten per E-Mail in Amerika oder Südostasien bestellt und - vom amerikanischen Zoll verplombt - zumeist per Schiff in einen europäischen Hafen gebracht. Nach der europäischen Zollkontrolle werde die Ware wieder verplombt und wieder mittels Spedition in ein Zollfreilager der Beklagten nach L***** gebracht. Dort werde die Verplombung des Zolls nach Kontrolle der Zollnummer durch die Beklagte geöffnet und die Ware hinsichtlich ihrer Ordnungsgemäßheit und im Hinblick auf die Zollpapiere überprüft. Sei alles ordnungsgemäß, werde die Ware gelagert und ins EWR-Ausland weiterverkauft. Dieser Ware würden Papiere beigegeben, aus denen die Herkunft der Ware ersichtlich sei. Sie würden bei der Ausfuhr aus dem EWR vom Zoll abgestempelt und an die Beklagte retourniert, die damit auch kontrollieren könne, dass diese Waren auch tatsächlich aus dem EWR hinausgebracht würden. Beim Verkauf in das EWR-Ausland würden die Original-CANON-Produkte nicht verändert, auch die Marke CANON werde weder von den Produkten noch von der Verpackung genommen.

Rechtlich bejahte das Erstgericht einen Markenrechtsverstoß. Das Markenrecht der Klägerinnen sei - mangels Inverkehrbringens im EWR - nicht erschöpft. Die Beklagte habe die mit der Marke versehenen Originalwaren aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat in ein österreichisches Zollfreilager und damit ins Inland importiert und dort zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedsstaaten gelagert. Sie habe damit Benutzungshandlungen im Sinn des § 10a Z 2 und 3 MSchG vorgenommen und gegen §§ 10 und 10a MSchG verstoßen. Mit Rücksicht auf die durch das Unterlassungsgebot erforderlich werdende Umstellung des Vertriebssystems hat das Erstgericht den Vollzug der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 EUR abhängig gemacht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu "Inverkehrbringen" und "Vertrieb" nicht ohne weiteres ausgegangen werden könne. Eine Erschöpfung der Rechte aus der Marke trete nur dann ein, wenn die damit gekennzeichnete Ware in der Gemeinschaft (seit Inkrafttreten des EWR-Abkommens im EWR) in Verkehr gebracht werde. Die Kläger seien ihrer Behauptungs- und Beweislast in Bezug auf die beanstandete Markenrechtsverletzung in ausreichender Weise nachgekommen. Die Aktivlegitimation der Zweitklägerin ergebe sich aus den mit der Erstklägerin mündlich geschlossenen Lizenzvereinbarungen, die eine uneingeschränkte Benutzung der für die Erstklägerin geschützten Marke ebenso umfasse wie die Verfolgung von Markeneingriffen im eigenen Namen. Indem die Beklagte die von den Klägern außerhalb des EWR in Verkehr gebrachten und nicht für den EWR bestimmten Waren aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat in ein österreichisches Zollfreilager importiere und dort zum Zweck späteren Exports in einen anderen Nicht-EU-Mitgliedsstaat lagere, verletze sie das inländische Markenrecht der Klägerin. Der bloße Besitz dieser nicht für den EWR bestimmten Ware zur Vorbereitung ihres späteren Inverkehrbringens sei ebenso Benutzung im Sinn des § 10 Abs 1 MSchG wie deren Ein- und Ausfuhr. Dass die Kläger dem Vertrieb auf die von der Beklagten vorgenommene Weise zugestimmt hätten, sei nicht bescheinigt. Wegen der mit einer Umstellung des Vertriebssystems notwendigerweise verbundenen (kurzfristigen) Einbußen sei der Erlag einer Sicherheitsleistung für allfällige Schadenersatzansprüche berechtigt.

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass angesichts der der Abdeckung der aufgetragenen Sicherheitsleistung dienenden und nunmehr unbefristet ausgestellten Bankgarantie kein Zweifel besteht, dass die Beklagte durch den von ihr angefochtenen Beschluss beschwert ist.

Dem Einwand der Beklagten, die Kläger hätten das Markenrecht nicht ausreichend behauptet und bescheinigt, sind die Klagebehauptungen und die dazu angebotenen Bescheinigungsmittel entgegenzuhalten. Das Erstgericht hat den als Beilage ./B vorgelegten Auszug aus dem österreichischem Markenanzeiger 1989 entsprechend berücksichtigt und seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Das Rekursgericht hat eine Verletzung des § 297 ZPO (den die Rechtsmittelwerberin darin erblickte, dass das Erstgericht die Beilage ./B zur Gänze gelesen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte) verneint. Abgesehen davon, dass eine vom Gericht zweiter Instanz verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz an den Obersten Gerichtshof nicht mehr herangetragen werden kann, ist auch eine Verletzung des § 297 ZPO idF ZVN 2002 nicht zu erkennen. Nach den Gesetzesmaterialien (962 BlgNR 21. GP zu Art II Z 50 ZVN 2002) dient § 297 ZPO der Aufwandersparnis und soll es dem Gericht und den Parteien erleichtern, die Relevanz eines Beweismittels schneller und einfacher beurteilen zu können. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Gericht nicht mit dem gesamten Inhalt des Beweismittels beschäftigen dürfte.

Dem Einwand der mangelhaften Aktivlegitimation der Zweitklägerin sind die den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen entgegenzuhalten, wonach die Zweitklägerin aus (mit der Markeninhaberin geschlossenen) Lizenzverträgen berechtigt ist, die Marke CANON in Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu nutzen und Markenrechtsverletzungen Dritter gerichtlich im eigenen Namen zu verfolgen. Die Auffassung der Vorinstanzen, die die Aktivlegitimation der Erstklägerin angesichts dieser Feststellungen bejaht haben, steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang, wonach auch eine einfache Markenlizenz in Verbindung mit einer Ermächtigung, gegen Markeneingriffe Dritter mit Klage vorzugehen, die Klagebefugnis des einfachen Lizenznehmers nach § 51 MSchG begründet (4 Ob 209/02t = ÖBl 2003, 87 - Brühl [Hiti] = ecolex 2003, 257 [Schanda]; RIS-Justiz RS0116973, RS0113976 und RS0113315; vgl Schanda, Kritisches zur Aktivlegitimation der Markenlizenznehmer ÖBl 2001, 151).

Die Beklagte bezweifelt nicht, dass das Markenrecht der Erstklägerin an der klagegegenständlichen, außerhalb des EWR in Verkehr gebrachten Ware nicht erschöpft ist. Sie bestreitet auch nicht, diese Ware in Südostasien oder Amerika erworben zu haben, meint jedoch, die bloße Durchfuhr dieser Ware durch den EWR im Zollausschlussverfahren bedeute nicht, dass die Ware im EWR in Verkehr gebracht oder vertrieben würde. Sie habe daher keinen Markenrechtsverstoß begangen.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

§ 10 MSchG idF der Markenrechts-Novelle 1999 legt die Rechte aus der Marke (Abs 1 und 2) und deren Beschränkungen (Abs 3) fest und verweist zum Begriff der Benutzung auf § 10a MSchG.§ 10b MSchG enthält in Umsetzung von Art 7 MarkenRL den Grundsatz der EWR-weiten Erschöpfung des Markenrechts.

§ 10 Abs 1 Z 1 MSchG stellt auf die "Gleichheit" der Zeichen ab, die auch im Fall von Parallelimporten vorliegt und gewährt daher auch dann einen Unterlassungsanspruch, wenn Originalprodukte in Verkehr gebracht werden, bei denen die Voraussetzungen eines zulässigen Parallelimports nicht vorliegen, etwa weil die Waren - wie hier - erstmals außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden (Schanda, MSchG § 10 Z 11; siehe dazu insbesondere FN 113). Dass sich das absolute, durch § 10 Abs 1 Z 1 MSchG geschützte Recht des Markeninhabers auf alle Waren bezieht, die mit seiner Marke versehen sind, somit auch auf Originalwaren, ergibt sich auch aus der Entscheidung des EuGH C 173/98 - Sebago und Dubois (ÖBl 1999, 308).

Zu prüfen bleibt daher die Frage, ob die Vorgangsweise der Beklagten eine Benutzungshandlung im Sinn des § 10a MSchG verwirklicht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte die für den US-amerikanischen Markt erzeugte und mit ihrer Marke versehene Originalware in Südostasien oder Amerika eingekauft und im Wege des sogenannten "Zollausschlussverfahrens" in ihrem Zollfreilager in Österreich zu Zwecken eines späteren Weiterverkaufs eingelagert. Von dort hat sie den Verkauf der Ware in außerhalb des EWR liegende Länder abgewickelt. Der Senat hat in einem insoweit unmittelbar vergleichbaren Fall bereits ausgesprochen, dass Zollgrenzbezirke oder Zollfreilager markenrechtlich nicht als Ausland oder exterritorial anzusehen sind und der Import markenverletzender Ware aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat in ein österreichisches Zollfreilager und die Lagerung dieser Ware zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedsstaaten unter den Begriff des Inverkehrbringens fällt und damit einen inländischen Markenverstoß verwirklicht (4 Ob 54/01x = ÖBl 2002, 147 - BOSS-Zigaretten II mwN). Diese Auffassung wird aufrechterhalten. Sie steht - worauf schon 4 Ob 54/01x hinweist - auch zur Entscheidung 4 Ob 81/01t (ÖBl 2001, 269 - CICLON) nicht in Widerspruch, weil dort ein anderer Sachverhalt zu beurteilen war.

Der Anregung der Rechtsmittelwerberin auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist schon deshalb nicht Folge zu leisten, weil die Vorgangsweise der Beklagten Benutzungshandlungen im Sinn des § 10a Z 2 und Z 3 MSchG verwirklicht. Die Frage, ob schon die bloße Durchfuhr (der Transit) eine Benutzungshandlung im Inland bedeutet, stellt sich somit hier nicht.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Kläger einem erstmaligen Inverkehrbringen der Ware im EWR zugestimmt hätten, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine derartige Zustimmung in Bezug auf Waren, die für den US-Markt produziert und erstmals dort in Verkehr gebracht wurden, dem Schreiben vom keineswegs zu entnehmen ist. Im Übrigen müsste sich eine Zustimmung der Klägerin konkret auf jene Waren beziehen, die die Beklagte im Jahr 2003 tatsächlich in Verkehr gebracht hat ( Sebago und Dubois [ÖBl 1999, 308]).

Auch der Einwand, die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Rechtslage sei nicht mehr rückgängig zu machen, ist nicht berechtigt. Die Beklagte ist keineswegs genötigt, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen, um ihren Lieferaufträgen nachkommen zu können. Es steht ihr vielmehr frei, die Aufträge dadurch zu erfüllen, dass sie ihre Kunden mit im EWR in Verkehr gebrachter Ware (an der das Markenrecht nach § 10b MSchG erschöpft ist) beliefert. Ein durch reduzierte Gewinnerzielung allenfalls entstehender Schade könnte durch Geld ausgeglichen werden und macht die einstweilige Verfügung nicht unzulässig.

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend einen Markenrechtsverstoß der Beklagten bejaht und die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs der Beklagten wird ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Kläger auf § 393 Abs 1 EO und in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.