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OGH vom 04.09.2013, 7Ob139/13m

OGH vom 04.09.2013, 7Ob139/13m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** B*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, und des Nebenintervenienten G***** H*****, vertreten durch Dr. Erich Bernögger, Rechtsanwalt in Kirchdorf, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart Rechtsanwalt in Linz, wegen 310.959,93 EUR sA und Rente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 85/13g 76, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die außerordentliche Revision bekämpft nur noch den von den Vorinstanzen übereinstimmend mit angenommenen Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Versicherungsleistung und vertritt folgenden Standpunkt:

Die gemäß § 15a VersVG einseitig zwingende Bestimmung des § 11 VersVG sei im Bereich der Unfallversicherung dahin auszulegen, dass eine „(Teil )Fälligkeit“ auch dann eintrete, wenn die „genaue Höhe der Gesamtinvalidität“ noch strittig sei, aber eine „gewisse Invaliditätsleistung“ bereits feststehe (hier: 6 Wochen nach Kenntnisnahme der Beklagten [Unfallmeldung: ] von der Unterschenkelamputation, deren Invaliditätswert laut Gerichtsgutachter „immer“ mit 5/7 des Beinwertes [von 70 %] zu bemessen sei, was 50 % der Versicherungssumme entspreche). Diese „(Teil )Invaliditätsleistung“ sei auch wenn der Kläger explizit keine Vorschüsse (nach Art 14 Z 3 AUVB) verlangt habe schon zu diesem Zeitpunkt ( ) fällig gewesen. Damit gehe die Frage einher, ob der Versicherer gemäß § 11 Abs 2 VersVG zur Akontierung der bereits „feststehenden Leistungen“ verpflichtet sei. Der wesentliche Rechtsfehler des Berufungsgerichts liege darin, dass es sich zur Fälligkeit zum Nachteil des Versicherungsnehmers „rechtswidrig auf die AUVB bezieht“.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber zieht somit nicht in Zweifel, dass (wie bereits das Berufungsgericht aufgezeigt hat):

- nach Art 7 Z 5 der AUVB 2003 im ersten Jahr nach dem Unfall von der Beklagten nur dann eine Invaliditätsleistung erbracht wird, „ wenn Art und Umfang der Unfallfolgen aus ärztlicher Sicht eindeutig feststehen “, woraus sich für die Zeit bis zum Vorliegen eines ärztlichen Gutachtens (hier: ) kein Argument für eine Fälligkeit ergibt;

- nach Art 14 Z 2 und 3 AUVB (wie nach § 11 Abs 1 und 2 VersVG) die Leistung fällig wird, sobald „ die Leistungspflicht dem Grunde und der Höhe nach feststeht “, und der Anspruchsberechtigte Vorschüsse bis zu der Höhe des Betrages „ verlangen kann “, den der Versicherer „ nach Lage der Sache mindestens zu zahlen “ haben wird;

- eine solche Vorschussleistung hier jedoch nicht Verfahrensgegenstand ist (Seite 5 des Berufungsurteils).

Was die Fälligkeit und Verzinsung der Versicherungsleistung und das angebliche Abweichen vom einseitig zwingenden § 11 VersVG betrifft, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 202/12z wenn auch in anderem Zusammenhang aufgezeigt dass (etwa):

§ 94 Abs 1 VersVG für die Feuerversicherung eine Verzinsung von 4 % per anno nach Ablauf eines Monats nach der Anzeige des Versicherungsfalls ohne Rücksicht auf die Fälligkeit des Anspruchs vorsieht, es sei denn, dass nach § 94 Abs 2 VersVG die Ermittlungen zur Schadensfeststellung durch ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erfolgen können. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll dies dem Versicherungsnehmer einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Dauer der Ermittlungen häufig von Zufällen abhängig ist und die Fälligkeit der Entschädigungsleistung deshalb gelegentlich für einen langen Zeitraum aufgeschoben werden kann ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ [1995] 203). § 94 VersVG bietet somit einen Ausgleich dafür, dass gemäß § 11 Abs 1 erster Satz VersVG grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erst mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und Leistungsumfangs nötigen Erhebungen eintritt, auf die der Versicherungsnehmer nur begrenzten Einfluss hat .“

Dass § 11 VersVG in der Unfallversicherung nicht anders ausgelegt werden kann, ergibt sich aus der erst jüngst ergangenen Entscheidung 7 Ob 93/13x (zur Verjährung des Deckungsanspruchs gegen den Unfallversicherer aus einem Arbeitsunfall), die Folgendes aufzeigt:

„Grundsätzlich hängt somit auch nach der neuen Rechtslage der Beginn der zuvor in § 12 Abs 1 VersVG normierten Verjährungsfrist von der in § 11 VersVG geregelten Fälligkeit ab (RIS-Justiz RS0080324; RS0080075; 7 Ob 138/01x mwN). Wenn aber der Versicherungsnehmer die Beendigung der Erhebungen des Versicherers schuldhaft hindert (vgl auch § 11 Abs 3 VersVG), wozu auch das Unterlassen der Anzeige oder der Mitwirkung bei den Erhebungen zu rechnen ist, wird die Verjährung nicht hinausgeschoben. Die Verjährung beginnt dann ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Erhebungen bei einem korrekten Vorgehen des Versicherers beendet gewesen wären (RIS-Justiz RS0080324 [T4] = 7 Ob 207/00t).

Auch im Fall des Klägers begann die Verjährung grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem er das Recht hätte ausüben können. Die Beurteilung, dass insoweit die Fälligkeit nach der Frist des § 11 Abs 1 VersVG maßgebend sei, im Ergebnis also der Zeitpunkt, in dem der Versicherer bei fristgemäßer Schadensmeldung seine Erhebungen nach § 11 VersVG abgeschlossen hätte (…), folgt der wiedergegebenen Rechtsprechung und ist daher nicht zu beanstanden.“

Die Beurteilung des Berufungsgerichts liegt im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Die außerordentliche Revision will den somit für den Eintritt der Fälligkeit erforderlichen Abschluss der Erhebungen des Versicherers daraus ableiten, dass in der Beweiswürdigung des Ersturteils auf den Gerichtsgutachter verwiesen wird, der damit argumentiere, dass der Invaliditätswert einer Unterschenkelamputation „immer“ mit 5/7 des Beinwertes (von 70 %) zu bemessen sei, welcher Wert „wiederum“ 50 % der Versicherungssumme entspreche. Der Kläger geht davon aus, es hätte festgestellt werden müssen, der Beklagten sei als Versicherungsunternehmen innerhalb von 7 Wochen ab dem Unfall bekannt gewesen, dass eine Beinamputation erfolgt und „eine Invaliditätsleistung von 50 % mit Sicherheit zu erbringen“ sei, weil ihr die Bewertung einer Beinamputation unterhalb des Knies in Höhe von 50 % von 100 % bekannt sei; er entfernt sich hier jedoch von den in der Revision nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen:

Demnach hat die Beklagte das erste medizinische Privatgutachten am erhalten, das sie in die Lage hätte versetzen können, ihre Leistungsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach zu beurteilen; insbesondere kannte der Versicherungsgutachter bereits die als Vorschäden im vorliegenden Prozess „problematisierte“ Außenbandruptur und Fersenbeinfraktur, sah sich aber bereits zu diesem Zeitpunkt in der Lage, die Einschätzung der Invalidität vorzunehmen, obwohl als Ende der unfallbedingten Heilbehandlung erst der angegeben wurde. Am verweigerte die Beklagte die Leistung zur Gänze mit der Begründung, dass der Kläger seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt habe (Seite 14 und 23 des Ersturteils).

Auf dieser Grundlage ist die Beurteilung, die Fälligkeit der Versicherungsleistung sei am eingetreten, nicht zu beanstanden (vgl auch RIS-Justiz RS0114507); dass der Kläger eine Vorschussleistung oder Abschlagszahlung (die gemäß Art 14 Z 3 AUVB oder § 11 Abs 2 VersVG unter den dort genannten Voraussetzungen „ verlangt werden kann “) bereits vor dem Fälligkeitszeitpunkt begehrt hätte, wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.