OGH vom 17.01.2018, 6Ob199/17h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Dr. Schramm und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Liebenwein Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. B***** R*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung einer Grundbuchseintragung (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 90/17y25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 19 Cg 15/16i-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 6.679,92 EUR (darin 874,82 EUR Umsatzsteuer und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, Bezirksgericht Innere Stadt Wien; ihre Eigentumsrechte wurden am verbüchert. Verkäuferin der Liegenschaft war die B***** Aktiengesellschaft, über deren Vermögen zwischenzeitig das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Mit Notariatsakt vom hatte die Mutter der Beklagten als Alleinvertretungsberechtigte und Alleinaktionärin der Aktiengesellschaft alle Aktien auf ihren Todesfall an die Beklagte geschenkt; am hatte die Aktiengesellschaft, vertreten durch ihre Mutter, der Beklagten ob der Liegenschaft das Vorkaufsrecht eingeräumt, wobei als Einlösungspreis der Einheitswert vereinbart wurde, der sich auf 188.004,62 EUR beläuft. Zum Zeitpunkt der Vorkaufseinräumung waren auf der Liegenschaft Belastungen von rund 4 Mio EUR ohne Nebenkosten wie Zinsen und Verfahrenskosten eingetragen.
Am hatte eine Interessentin für die Liegenschaft 6,5 Mio EUR geboten, die Klägerin hingegen 6,7 Mio EUR unter Berücksichtigung des damals eingetragenen Vorkaufsrechts und im März 2013 7,38 Mio EUR bei weggefallener Belastung durch das Vorkaufsrecht; dieses war aufgrund einer Löschungserklärung der Beklagten vom gelöscht worden. Zwischen August 2012 und März 2013 waren nur minimale Renovierungsarbeiten durchgeführt worden. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung zwischen der Klägerin und der Aktiengesellschaft war die Liegenschaft mit einem Höchstbetragspfandrecht in Höhe von 5,7 Mio EUR, welches nicht zur Gänze ausgenutzt war, belastet.
Im Juli 2013 erstattete (unter anderem) die Kaufinteressentin im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft und der Löschung des Vorkaufsrechts eine Strafanzeige. Auf Antrag der Beklagten bewilligte daraufhin das Grundbuchsgericht (unter anderem) die Wiederherstellung des gelöschten Vorkaufsrechts und die Anmerkung gemäß § 66 GBG. Eine von der Klägerin angestrengte Löschung dieser Eintragungen durch das Grundbuchsgericht scheiterte mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom (5 Ob 164/16b), desgleichen eine von der Beklagten angestrebte Einwilligung der Klägerin auf Eintragung des Eigentumsrechts an der Liegenschaft zugunsten der Beklagten, eventualiter Zug um Zug gegen Zahlung des Einlösungspreises infolge Vorliegens des Vorkaufsfalls (6 Ob 133/15z).
Die Klägerin begehrt die Unwirksamerklärung des Vorkaufsrechts zugunsten der Beklagten sowie der Anmerkung gemäß § 66 GBG und die Löschung dieser Eintragungen. Zum einen habe die Beklagte zum Zeitpunkt des Kaufs der Liegenschaft durch die Klägerin kein dingliches Vorkaufsrecht gehabt, diese habe damit rechtswirksam gutgläubig Eigentum erworben. Zum anderen sei das einverleibte Vorkaufsrecht von Anfang an nichtig gewesen; die entgeltlose Vorkaufsrechtseinräumung sei mit einem Vorteil der Beklagten verbunden gewesen, nämlich der Möglichkeit des Erwerbs der Liegenschaft erheblich unter dem Marktpreis, und habe damit gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 52 AktG verstoßen.
Die Beklagte wendete ein, das Vorkaufsrecht sei von ihrem Treuhänder treuwidrig gelöscht worden. Die am Verkauf der Liegenschaft Beteiligten hätten bewusst und gewollt zum Nachteil der Kaufinteressentin und der Beklagten zusammengewirkt und die Liegenschaft unter Umgehung des Vorkaufsrechts der Beklagten an die Klägerin verkauft.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Einräumung des Vorkaufsrechts zum Einlösungspreis in Höhe des Einheitswerts ohne Gegenleistung der Beklagten an die Aktiengesellschaft habe angesichts des tatsächlichen Verkehrswerts der Liegenschaft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen und sei deshalb nichtig gewesen.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Einräumung eines Vorkaufsrechts an einer Liegenschaft auch dann gegen § 52 AktG verstößt, wenn zum Zeitpunkt der Einräumung aufgrund zu übernehmender Schulden durch den Vorkaufsberechtigten die Unangemessenheit des Kaufpreises (richtig: Einlösungspreises) noch nicht feststeht, dieses Missverhältnis zum Zeitpunkt der möglichen Einlösung gegeben wäre, es aber faktisch zu einer Einlösung nicht kommt.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Frage, ob zwischen der Aktiengesellschaft und dem Aktionär ausgetauschte Leistungen in einem objektiven Missverhältnis im Sinn des § 52 AktG stehen, könne bei Einräumung eines Vorkaufsrechts erst im Vorkaufsfall beurteilt werden; hiebei seien aushaftende Lasten und das Verhältnis von Einlösungspreis und Marktpreis zu berücksichtigen. Die Einräumung eines Vorkaufsrechts per se stelle noch keine unzulässige Einlagenrückgewähr dar.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Nach der – ebenfalls zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangenen – Entscheidung 6 Ob 133/15z richtet sich das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 52 AktG grundsätzlich nur an die Gesellschaft und die Gesellschafter, nicht aber auch gegen Dritte. Dritte sind nach diesen Bestimmungen nur ausnahmsweise rückgabepflichtig. Dies ist dann der Fall, wenn Kollusion vorliegt, sowie dann, wenn der Gesellschafter bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handelte und der Dritte davon wusste oder sich der Missbrauch ihm geradezu aufdrängen musste.
Allerdings ist das Verbot der Einlagenrückgewähr auch auf ehemalige Gesellschafter unmittelbar anzuwenden, wenn die Leistung im Hinblick auf ihre ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird (RIS-Justiz RS0105536 [T8]). Gleichermaßen entspricht es herrschender Auffassung in der Literatur, dass auch zukünftige Gesellschafter erfasst sind, wenn die Leistung im Hinblick auf die zukünftige Gesellschafterstellung erbracht wird (Reich-Rohrwig, Verbotene Einlagenrückgewähr bei Kapitalgesellschaften, ecolex 2003, 152 mwN; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 82 Rz 18; Bauer/Zehetner in Straube, WK GmbHG [2009] § 82 Rz 78; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG I5 [2011] § 52 AktG Rz 30; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 52 Rz 42). Ein solcher Fall liegt hier vor, hatte die Mutter der Beklagten doch dieser die Aktien auf den Todesfall geschenkt und erbrachte die Aktiengesellschaft (anschließend) eine Leistung im Hinblick auf deren zukünftige Gesellschafterstellung; die Einräumung des Vorkaufsrechts erfolgte ja ausdrücklich „zur Besicherung des Übereignungsanspruchs“ (Beilage ./C) und nach den Feststellungen des Erstgerichts aufgrund des „familiären Naheverhältnisses“. Bei der Einräumung des Vorkaufsrechts an sie stand deshalb die Eigenschaft der Beklagten als zukünftige Gesellschafterin im Vordergrund, womit ein geradezu „klassischer“ Fall der Einlagenrückgewähr gegeben ist, in dem der Gesellschafter gerade aufgrund seiner Gesellschafterstellung einen Vorteil von der Gesellschaft erhält (vgl RIS-Justiz RS0105540, RS0105534).
2. In der bereits erwähnten Entscheidung wies der erkennende Senat – wenn auch lediglich obiter – darauf hin, dass das der Beklagten eingeräumte (obligatorische) Vorkaufsrecht, die Liegenschaft zum Einheitswert zu erwerben, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 52 AktG nichtig sein könnte, habe es sich dabei doch um eine völlig unübliche Bestimmung gehandelt, die ersichtlich darauf abzielte, der Beklagten als Tochter der Alleinaktionärin einen Vorteil zu verschaffen; die Diskrepanz zwischen dem Einheitswert von 188.004,62 EUR und dem letztlich vereinbarten Kaufpreis von 7,38 Mio EUR liege auf der Hand. Den Überlegungen des Berufungsgerichts, die Einräumung eines Vorkaufsrechts per se stelle noch keine unzulässige Einlagenrückgewähr dar, vermag sich der erkennende Senat vor diesem Hintergrund nicht anzuschließen:
2.1. Regelmäßig hat der Vorkaufsberechtigte jenen Preis zu bezahlen, den auch der Dritte geboten hat (vgl RIS-Justiz RS0020174; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 [2017] § 1077 Rz 1). Für die Frage der Zulässigkeit mit Bezug auf das Verbot der Einlagenrückgewähr ist jedoch maßgeblich, ob die Aktiengesellschaft das Vorkaufsrecht zu gleichen Bedingungen auch einem gesellschaftsfremden Dritten eingeräumt hätte (vgl RIS-Justiz RS0105540 [T8]). Dies ist hier zu verneinen:
Im Ergebnis erhielt die Beklagte als zukünftige Aktionärin von der Aktiengesellschaft ein Vorkaufsrecht eingeräumt, für das sie keinerlei Gegenleistung an die Aktiengesellschaft zu erbringen hatte. Darüber hinaus waren die Interessen der Gesellschaftsgläubiger insofern verletzt, als sich die Aktiengesellschaft durch die Einräumung des Vorkaufsrechts in ihren Möglichkeiten, die Liegenschaft zu verkaufen, massiv einschränkte, musste sie doch der Beklagten die Liegenschaft zur Einlösung zu einem bestimmten Preis anbieten, der unter dem Verkehrswert liegen konnte. Aus dem Umstand, dass mit einer Einlösung durch die Beklagte wohl auch gerechnet werden musste, wenn der vereinbarte Einlösungspreis unter dem Verkehrswert lag, folgt, dass das Grundstück für die Aktiengesellschaft erheblich weniger wert war als ohne das Vorkaufsrecht: Ohne Vorkaufsrecht hätte sie damit rechnen können, es zum Verkehrswert verkaufen zu können; mit Vorkaufsrecht konnte sie es realistischerweise nur noch zum Einheitswert verkaufen. Bereits dieser drohende Verkauf deutlich unter dem Marktwert bedeutete für die Gläubiger der Aktiengesellschaft einen erheblichen Nachteil, zumal es sich bei der Liegenschaft um das einzige nennenswerte Vermögen der Aktiengesellschaft handelte.
2.2. Grundsätzlich sind schuldrechtliche Austauschbeziehungen zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft nur dann zulässig, wenn der Wert der Leistung der Aktiengesellschaft durch die Gegenleistung des Gesellschafters abgegolten wird; die Gesellschaft darf also mit ihrem Aktionär nur wie fremdüblich, also zum Marktpreis kontrahieren (6 Ob 132/10w; Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG I5§ 52 Rz 12; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 52 Rz 24, 32). Bestehen keine Marktpreise, so ist jedenfalls eine fachgerechte Bewertung nach anerkannten Bewertungsmethoden notwendig (Artmann aaO; Saurer aaO Rz 30). Der Vorstand der Aktiengesellschaft muss sich in diesem Fall im Rahmen eines vertretbaren unternehmerischen Ermessens halten (Bayer in MünchKomm zum Aktiengesetz4§ 57 Rz 49, 58). Es ist also ein „hypothetischer Marktvergleich“ durchzuführen (Laubert in Hölters, AktG³ § 57 Rz 8).
Außerhalb der Massengeschäfte sind alle zwischen der Aktiengesellschaft und ihrem Aktionär getätigten Rechtsgeschäfte prima facie verdächtig; es ist genau zu prüfen, ob es sich um ein zulässiges Geschäft zu marktüblichen Konditionen handelt oder ob an den Aktionär in unzulässiger Weise Leistungen aus dem Vermögen der AG erbracht werden (Bayer aaO Rz 53). Die hier gewählte Konstruktion, in der ein ungewöhnlich niedriger Einlösungspreis gewählt wurde, wird den dargestellten Anforderungen – jedenfalls im Zweifel – nicht gerecht: Die Bezugnahme auf den Einheitswert als Einlösungspreis ist unternehmerisch nicht vertretbar, sodass ein sorgfältiger Vorstand ein derartiges Vorkaufsrecht nicht einräumen würde.
2.3. Ob die Einräumung eines Vorkaufsrechts ohne bestimmten Einlösungspreis vertretbar wäre, braucht hier nicht beantwortet zu werden.
2.4. So wie in der Entscheidung 6 Ob 133/15z geht der erkennende Senat auch in diesem Verfahren davon aus, dass das der Beklagten eingeräumte (obligatorische) Vorkaufsrecht, die Liegenschaft zum Einheitswert zu erwerben, wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 52 AktG nichtig war.
2.5. Auf den im Verfahren erster Instanz erhobenen Einwand, die am Verkauf der Liegenschaft Beteiligten hätten bewusst und gewollt zum Nachteil der Kaufinteressentin und der Beklagten zusammengewirkt und die Liegenschaft unter Umgehung des Vorkaufsrechts der Beklagten an die Klägerin verkauft, kommt die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.
3. Infolge Nichtigkeit der ursprünglichen Einräumung eines Vorkaufsrechts an die Beklagte kann sich diese auch nicht auf die Wiederherstellung des (zwischenzeitig) gelöschten Vorkaufsrechts gemäß § 66 GBG berufen; das eingetragene Vorkaufsrecht bleibt unwirksam und ist zu löschen, mit dem von der Kaufinteressentin eingeleiteten Strafverfahren hat dies nichts zu tun. Damit verbleibt aber auch für Anmerkung nach § 66 GBG kein Raum mehr; auch diese ist zu löschen (vgl die ebenfalls zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangenen Grundbuchsentscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 164/16b).
4. Damit war in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts jene des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00199.17H.0117.000 |
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