OGH vom 19.12.2019, 4Ob123/19w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. Almdorf „S*****“ ***** AG, *****, vertreten durch Werdnik Kusternigg Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, 2. D. ***** OG, *****, vertreten durch Mag. Max Verdino und andere Rechtsanwälte in St. Veit/Glan, 3. K***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kochwalter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, 4. H***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Messnarz, Rechtsanwalt in Villach, wegen 26.416,67 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 167/18y-98, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 27 Cg 67/15d-89, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Erstbeklagten die mit 1.725,84 EUR (darin 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Erstbeklagte ließ als Liegenschaftseigentümerin 2004/2005 im Rahmen eines seit 1995 bestehenden „Almdorfes“ eine Jagdhütte errichten, für die der Drittbeklagte (als damaliger Vorstand der Erstbeklagten) ein Edelstahlkaminsystem bestellte, das der Viertbeklagte nicht fachgerecht einbaute (was auch der Rauchfangkehrer nicht bemerkte). Der fehlerhaft eingebaute Kamin verursachte 2012 einen Brand, bei dem die Jagdhütte zerstört wurde. Im Zuge des Brandgeschehens wurde auch ein neben der Hütte abgestellter Pkw derart beschädigt, dass wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe des Klagsbetrags eintrat. Das Fahrzeug gehörte einem Unternehmen, das es ihrem Dienstnehmer, der in der Jagdhütte aufgrund eines Beherbergungsvertrags genächtigt hatte, auch für private Zwecke zur Verfügung stellte. Als Kaskoversicherer des Fahrzeugs ersetzte die Klägerin dem Unternehmen den Schaden in Höhe des Klagsbetrags. Schon 2008 hatte die Erstbeklagte das gesamte Almdorf an eine GmbH verpachtet, die dieses seitdem als Beherbergungsunternehmen führt.
Die Klägerin begehrte den Ersatz des für den abgebrannten Pkw ausgezahlten Entschädigungsbetrags zur ungeteilten Hand von der erstbeklagten Eigentümerin der Jagdhütte, vom zweitbeklagten Rauchfangkehrerunternehmen, vom drittbeklagten Vorstand der Erstbeklagten und vom viertbeklagten Bauunternehmer.
Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, stellte gegenüber dem Viertbeklagten – über dessen Vermögen mittlerweile das Konkursverfahren eröffnet worden war – fest, dass die Forderung als Konkursforderung zu Recht bestehe und wies die Klage gegen die Erstbeklagte und den Drittbeklagten ab. Sie hätten kein Verhalten gesetzt, welches für die Entstehung des Brandes kausal gewesen sei, und eine Zurechnung des Handelns des Viertbeklagten nach § 1313a und 1315 ABGB komme nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ in Ansehung der Erstbeklagten die Revision zur Frage zu, ob ein Liegenschaftseigentümer als Werkbesteller nach § 1313a ABGB im Rahmen des Instituts eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für den im Vermögen eines am Ende der Vertragskette (Werkvertrag-Pachtvertrag-Beherbergungsvertrag-Überlassungsvertrag) stehenden Dritten eingetretenen Schaden hafte, dessen Ursache in einer schuldhaft mangelhaften Erfüllung eines acht Jahre vor Verpachtung abgeschlossenen Werkvertrags gelegen sei.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Revision, der Klage gegen die Erstbeklagte stattzugeben; die Erstbeklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Klägerin macht in ihrer Revision neuerlich geltend, dass sich die Erstbeklagte als Errichterin und spätere Verpächterin bei der Herstellung der Baulichkeit ein Fehlverhalten nachgeordneter Gehilfen (des Viertbeklagten) zurechnen lassen müsse, das zu einem derart groben Baumangel geführt habe, dass dem Dienstgeber eines Urlaubssuchenden (der mit dem Pächter der Erstbeklagten im Beherbergungsvertragsverhältnis stand) ein Schaden entstand.
2.1. Soll die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht nicht aufgehoben oder verwischt werden, hat der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, eng gezogen zu werden. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags ist ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers. Ein solches ist zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat.
2.2. Im vorliegenden Fall ist kein derartiger deckungsgleicher Anspruch gegeben, weil zwischen dem geschädigten Unternehmen und dem Beherbergungsbetrieb kein Vertragsverhältnis bestand. Vertragspartner der Pächterin der Erstbeklagten war nämlich ein Dienstnehmer der Geschädigten.
2.3. Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB ist, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Derjenige, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, soll auch das Risiko tragen, dass an seiner Stelle der Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt (9 Ob 28/15f).
2.4. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB maßgebend ist, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, ob er also in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in dessen Risikobereich einbezogen war (RS0028425). Um das schuldhafte Verhalten eines Dritten dem Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB zuzurechnen, ist es daher erforderlich, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasste (RS0121745). Steht das Verhalten des Gehilfen in sachlichem Zusammenhang mit dieser Interessenverfolgung, so ist die Haftung nach § 1313a ABGB zu bejahen. Entscheidend ist, welche konkreten Leistungspflichten bzw Schutz- und Sorgfaltspflichten der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner übernommen hat (RS0028425 [T7]). So wird etwa judiziert, dass der Erzeuger nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist (RS0022662 [T3]).
2.5. Erfüllungsgehilfe kann auch derjenige sein, der die nötigen Vorbereitungen zur Leistung trifft. Die Vorbereitungshandlung muss aber einen Teil der Erfüllungshandlung bilden oder doch in engem Zusammenhang mit ihr stehen (RS0028487 [T3]). Diese Frage kann aber immer nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gelöst werden, weshalb sie regelmäßig – von einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (vgl 3 Ob 244/18f mwN).
3.1. Im vorliegenden Fall wurde – mangels konkreten Vorbringens – nicht festgestellt, dass die Erstbeklagte der Pächterin gegenüber Herstellungspflichten übernahm. Es steht auch nicht fest, dass bei Errichtung der Jagdhütte bereits eine Verpachtung geplant war. Die im Auftrag der Erstbeklagten erfolgte Kaminherstellung war damit keine Vorerfüllungshandlung im Hinblick auf den Beherbergungsvertrag zwischen der Pächterin der Erstbeklagten und dem Dienstnehmer der Geschädigten.
3.2. Das Berufungsgericht hat daher die Zurechnung des Viertbeklagten an die Erstbeklagte nach § 1313a ABGB im Rahmen des Pachtvertrags vertretbar verneint. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der aufgezeigten Judikatur, die darauf abstellt, dass die Vorbereitungshandlungen einen Teil der Erfüllungshandlungen bilden oder doch im engen Zusammenhang mit ihr stehen müssen (RS0028487 [T3]).
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO. Die Erstbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00123.19W.1219.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.