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OGH 15.06.2016, 4Ob123/16s

OGH 15.06.2016, 4Ob123/16s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers E***** S*****, vertreten durch Dr. Karlheinz De Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beklagten H***** F*****, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, Rechtsanwalt in Velden, wegen Wiederherstellung (Streitwert 15.000 EUR), infolge Rekurse des Klägers und des Beklagten jeweils gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 224/15s-59, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 25 Cg 125/12i-54, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt, sein Urteil durch einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zu ergänzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts, womit dieses dem Beklagten auftrug, eine Stützmauer zu errichten, auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu, ohne den Entscheidungsgegenstand zu bewerten.

Besteht der Entscheidungsgegenstand – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so muss das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO in sein Urteil einen Bewertungsausspruch aufnehmen. Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses ersetzt diesen Ausspruch nicht, weil die rein formale Zulässigkeit des Rechtsmittels das Überschreiten der Wertgrenze von 5.000 EUR voraussetzt und der Oberste Gerichtshof zwar nicht an den Ausspruch über die Zulässigkeit wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage, wohl aber – innerhalb bestimmter Grenzen – an die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht gebunden ist (1 Ob 234/15s mwN). Der Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts bleibt trotz eines Zulässigkeitsausspruchs dort unzulässig, wo ein weitergehender Rechtsmittelausschluss besteht, so etwa dann, wenn der Entscheidungsgegenstand unter 5.000 EUR liegt (Kodek in Rechberger ZPO4 § 519 Rz 20).

Neben dem Hauptbegehren auf Errichtung einer Stützmauer hatte der Kläger auch ein 5.000 EUR übersteigendes Eventualbegehren auf Zahlung gestellt. Die Rechtsprechung, wonach das Rechtsmittel jedenfalls zulässig ist, wenn entweder das Hauptbegehren oder das Eventualbegehren die maßgebliche Wertgrenze übersteigt (RIS-Justiz RS0039370), findet nur dann Anwendung, wenn das Berufungsgericht über das Eventualbegehren auch abzusprechen hatte (RIS-Justiz RS0042305 [T5, T7]). Da über das Eventualbegehren nur dann abzusprechen ist, wenn das Hauptbegehren zurück- oder abgewiesen wurde (RIS-Justiz RS0037585; RS0037615 [T1]) und das Berufungsgericht im vorliegenden Fall das dem Hauptbegehren stattgebende Urteil des Erstgerichts aufgehoben hat, liegt dieser Ausnahmefall nicht vor.

Dem Berufungsgericht ist daher ein entsprechender Ergänzungsauftrag zu erteilen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers E***** S*****, vertreten durch Dr. Karlheinz De Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beklagten H***** F*****, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, Rechtsanwalt in Velden, wegen Wiederherstellung (Streitwert 15.000 EUR), über die Rekurse des Klägers und des Beklagten jeweils gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 224/15s-59, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 25 Cg 125/12i-54, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Kosten der jeweiligen Rekursbeantwortung werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften, wobei der Kläger Oberlieger und der Beklagte Unterlieger ist. Im Zuge der Errichtung einer Garage auf seinem Grundstück grub der Beklagte entlang der Grenze einen Teil der Böschung ab, sodass der Hangwinkel steiler wurde. Seitdem kommt es immer wieder zu Abrieselungen im Sinne einer natürlichen Erosion. Die Hangstabilität im Sinne einer zu befürchtenden Hangrutschung oder Beeinträchtigung der Standsicherheit ist dadurch zwar nicht beeinträchtigt, durch den in Gang gesetzten Erosionsprozess kommt es aber zu einer Abflachung der Böschung und einer Absackung des Grundstücks des Klägers (um bisher bereits 0,5 m). Die Arbeiten des Beklagten waren dafür ursächlich. Ohne Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Grundstücks des Klägers kann diese Absackung nur durch die Errichtung einer Stützmauer verhindert werden.

Der Kläger begehrte, gestützt auf § 364b ABGB, (zuletzt) die Herstellung einer Stützmauer, die geeignet ist, die Höhe des Hanges (bis zur Böschungskrone) zu stützen, in eventu die Zahlung von 15.640,16 EUR, welchen Betrag eine Fachfirma für diese Arbeit veranschlagt habe.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Der Kläger sei nicht gehalten, die Verflachung seines Grundstücks zu dulden. Die Stützmauer sei erforderlich, um die Stabilität wiederherzustellen.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung auf. Es sei zu prüfen, ob die begehrte Errichtung einer Stützmauer auch tunlich sei. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil fraglich sei, ob der Kläger unmittelbar die Errichtung einer Stützmauer fordern oder nur allgemein Maßnahmen verlangen könne, die das angestrebte Ziel erreichen, deren Auswahl aber dem Beklagten überlassen bleibe, bzw ob der Kläger bei Untunlichkeit der Naturalrestitution auf Wertersatz umsteigen könne.

Dagegen richten sich die Rekurse beider Parteien, die von der jeweiligen Gegenseite beantwortet wurden.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Rekurs des Beklagten

1.1. Der Beklagte argumentiert, die Klage sei bereits deswegen abzuweisen, weil die Hangstabilität gar nicht beeinträchtigt, der Anwendungsbereich des § 364b ABGB somit nicht eröffnet sei.

Damit übergeht er allerdings die Rechtsprechung, wonach § 364b ABGB ganz allgemein die Sicherung der Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen Eingriffe in die bodenphysikalische Beschaffenheit bezweckt (RIS-Justiz RS0010703), etwa dann, wenn dem Nachbargrundstück durch eine Hangabgrabung die Stütze entzogen wird (RIS-Justiz RS0053264; RS0110474). So ein Fall liegt hier vor, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen zwar keine Hangrutschung zu befürchten ist, aber eine (weitere) Absackung des an der betroffenen Stelle bereits um einen halben Meter erodierten Klagsgrundstücks droht.

1.2. Die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht (statt das Verfahren in zweiter Instanz selbst zu ergänzen) kann zwar einen Verfahrensmangel begründen, wenn die Voraussetzungen dafür (etwa ein erheblicher Mehraufwand an Kosten oder Verfahrensverzögerungen) nicht vorliegen (RIS-Justiz RS0042125; RS0108072). Von einer unrichtigen Lösung einer Frage des Verfahrensrechts, die für die Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung ist, kann aber nur dann gesprochen werden, wenn eine Selbstergänzungspflicht nach der ratio des § 496 Abs 3 ZPO geradezu auf der Hand liegt, also eine gravierende Verkennung der Rechtslage vorliegt (8 Ob 145/06s). Eine solche zeigt der Beklagte angesichts der Notwendigkeit der weiteren Erörterung des Prozessstoffs (vgl RIS-Justiz RS0042125 [T6]) und des nicht auszuschließenden Erfordernisses der Einholung eines Ergänzungsgutachtens jedoch nicht auf.

1.3. Zuletzt greift der Beklagte die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts auf und argumentiert, ein Begehren auf Vornahme bestimmter Abwehrmaßnahmen sei unzulässig. Vielmehr müsse dem Beklagten die Wahl einer geeigneten Maßnahme zustehen.

Die vom Beklagten ins Treffen geführte Rechtsprechung, wonach auf § 364 Abs 2 ABGB oder § 364b ABGB gestützte Unterlassungsbegehren nur (allgemein) auf sichernde Vorkehrungen und nicht auf bestimmte Einrichtungen gerichtet sein dürfen (8 Ob 255/98b), ist hier mangels Unterlassungsbegehrens nicht einschlägig (vgl RIS-Justiz RS0010526).

Selbst wenn man mit dem Beklagten diese Rechtsprechung auch im Rahmen des § 364b ABGB fruchtbar machen wollte, wäre die Zulassungsfrage nicht präjudiziell. Nach dieser Rechtsprechung kann nämlich bei Unterlassungsklagen ein bestimmtes Begehren gestellt werden, wenn offenkundig kein anderes Mittel zur Abhilfe geeignet ist (RIS-Justiz RS0010526 [T25]). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist dies hier der Fall, weil die einzige Maßnahme, eine künftige Absenkung des Grundstücks des Klägers zu vermeiden, ohne dieses Grundstück durch Anschüttung oder Abnahme von Erdmaterial zu beeinträchtigen, die Errichtung einer Stützmauer ist.

2. Rekurs des Klägers

2.1. Der Kläger macht zusammengefasst geltend, der Beklagte habe in erster Instanz den Einwand der Untunlichkeit der Errichtung einer Stützmauer gar nicht erhoben, weshalb das Berufungsgericht zu Unrecht eine diesbezügliche Verfahrensergänzung aufgetragen habe.

2.2. Richtig ist, dass das Berufungsgericht nicht eine Verfahrensergänzung auftragen darf, die durch das Prozessvorbringen der Parteien nicht gedeckt ist (RIS-Justiz RS0042430), und dass die Behauptungslast für die Untunlichkeit der Naturalherstellung den Schädiger trifft (RIS-Justiz RS0030394), was bereits in erster Instanz eingewandt werden muss (2 Ob 38/09s).

2.3. Allerdings hat der Beklagte in erster Instanz vorgebracht, die Errichtung einer Stützmauer wäre eine Verbesserung des früheren Zustands. Dies hat das Berufungsgericht vertretbar als Einwand der Untunlichkeit gewertet.

Wie ein bestimmtes Prozessvorbringen zu verstehen ist und ob es danach spezifiziert genug ist, um als Einwendung gegen den Klagsanspruch zu gelten, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042828 [T9]). Anderes gilt im Interesse der Rechtssicherheit nur bei Verstößen gegen Denkgesetze oder Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut (RIS-Justiz RS0042828 [T7, T11]; 4 Ob 55/09f). Eine derartige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

3. In Ermangelung von Rechtsfragen im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO sind beide Rekurse zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (RIS-Justiz RS0123222).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
1 Generalabonnement
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00123.16S.0615.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAD-37648

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