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OGH 29.08.2018, 1Ob140/18x

OGH 29.08.2018, 1Ob140/18x

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der außerstreitigen Familienrechtssache der Antragsteller 1. F* G*, geboren am * 1996, 2. L* G*, geboren am * 1998, und 3. E* G*, geboren am * 2000, *, gegen den Antragsgegner Ing. P* G*, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 586/17k-283, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 1 Pu 60/10p-261, 1 Fam 9/15k-29, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater für seinen Sohn monatlich zu zahlenden Unterhalt von bisher 350 EUR für die Zeit vom bis um monatlich 315 EUR, vom bis um monatlich 275 EUR, vom bis um monatlich 350 EUR, vom bis um monatlich 210 EUR und vom bis um monatlich 265 EUR und wies den Antrag des Vaters auf Unterhaltsbefreiung für den Zeitraum bis ab.

Das Erstgericht setzte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt für seine ältere Tochter von bisher 300 EUR für die Zeit vom bis um monatlich 365 EUR, vom bis um monatlich 325 EUR, vom bis um monatlich 245 EUR und ab bis um monatlich 315 EUR hinauf.

Weiters erhöhte das Erstgericht den vom Vater für seine jüngere Tochter monatlich zu leistenden Unterhalt von bisher 300 EUR für die Zeit vom bis um monatlich 250 EUR, vom bis um monatlich 325 EUR, vom bis um monatlich 245 EUR sowie vom bis um monatlich 315 EUR.

Das Rekursgericht bestätigte über den jegliche Erhöhung bekämpfenden und erkennbar weiterhin eine Befreiung für die Zeit des Zivildienstes (ab bis ) gegenüber dem Sohn anstrebenden Rekurs des Vaters diese Entscheidung hinsichtlich der Töchter, änderte sie aber hinsichtlich des Sohns teilweise ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Dagegen erhob der Vater einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorlage widerspricht dem Gesetz.

1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert nicht insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 59 Abs 1 Z 2 AußStrG). Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur einen Antrag an das Rekursgericht (Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG) stellen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; mit dieser Zulassungsvorstellung ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.

2. Der Wert des Entscheidungsgegenstands des Unterhaltsanspruchs ist für jedes Kind einzeln zu berechnen; eine Zusammenrechnung der Begehren mehrerer Unterhaltsberechtigter hat nicht stattzufinden (RIS-Justiz RS0017257 [T3, T4]; RS0112656 [T1]). Wird eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet grundsätzlich nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung den Streitwert im Sinn des § 58 Abs 1 JN (RIS-Justiz RS0046543). Für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts ist daher regelmäßig der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbetrags maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz noch strittig war (RIS-Justiz RS0122735 [T1]). Zusätzlich begehrte, bereits fällig gewordene Beträge sind dann nicht gesondert zu bewerten (RIS-Justiz RS0103147 [T1, T6]; RS0114353; RS0122735 [T5]). Sind jedoch, wie hier, nur Teilbeträge eines in der Vergangenheit liegenden Zeitraums Gegenstand des Rekursverfahrens, bildet deren Summe den Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz (RIS-Justiz RS0046547 [T1]; RS0111964 [T3]).

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich für den Sohn ein Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts von 25.490 EUR ([315 EUR x 3] + [275 EUR x 12] + [350 EUR x 41] + [210 EUR x 9] + [265 EUR x 7] + [350 EUR x 9]), für die ältere Tochter von 22.810 EUR ([365 EUR x 3] + [325 EUR x 33] + [245 EUR x 5] + [315 EUR x 31]) und für die jüngere Tochter von 20.925 EUR ([250 EUR x 3] + [325 EUR x 33] + [245 EUR x 27] + [315 EUR x 9]).

Da somit die nach § 62 Abs 3 AußStrG maßgebliche Wertgrenze von 30.000 EUR bei keinem Kind erreicht wird, kommt ein „außerordentlicher“ Revisionsrekurs nicht in Betracht. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (vgl RIS-Justiz RS0109505).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der außerstreitigen Familienrechtssache der Antragsteller 1. F***** G*****, geboren am ***** 1996, 2. L***** G*****, geboren am ***** 1998, *****, und 3. E***** G*****, geboren am ***** 2000, *****, gegen den Antragsgegner Ing. P***** G*****, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 586/17k-283, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 1 Pu 60/10p-261, 1 Fam 9/15k-29, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners (Vaters) gegenüber den mittlerweile volljährigen Antragstellern
– seinen Kindern – für die Zeit vom bis einschließlich gestaffelt je Kind.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Vaters diese Entscheidung hinsichtlich der beiden Töchter, änderte sie aber hinsichtlich des Sohnes teilweise ab. Es sprach nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil „eine Klarstellung in Ansehung der mit den Revisionsrekursausführungen in Zweifel gezogenen, stets zu wahrenden Rechtssicherheit angezeigt erscheint“.

Der nachträglich zugelassene (§ 63 AußStrG) Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht gelangte zum Ergebnis, dass seinem Ergänzungsauftrag im ersten Rechtsgang entsprochen wurde, hielt fest, dass bestimmte im Rekurs genannte Beweismittel nicht den relevanten Unterhaltsbemessungs-zeitraum betreffen, und verneinte die vom Vater behauptete Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens. Die im Revisionsrekurs neuerlich gerügten und vom Rekursgericht bereits verneinten Mängel des Verfahrens erster Instanz sind vom Obersten Gerichtshof nicht mehr zu prüfen (RIS-Justiz RS0030748; RS0050037).

2. Das Erstgericht folgte inhaltlich den Ergebnissen eines eingeholten Sachverständigengutachtens und stellte auf dieser Grundlage das Einkommen des Vaters in den Jahren 2010 bis 2013 fest. Das Rekursgericht übernahm diese Feststellungen. Wenn der Vater die von den Vorinstanzen für schlüssig erachteten Ausführungen der Sachverständigen im Revisionsrekurs in Zweifel zieht, betrifft dies ausschließlich nicht überprüfbare Beweisfragen. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz und die Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen und der Beweiswürdigung mit Revisionsrekurs ist nicht möglich (RIS-Justiz RS0006737 [T4]; RS0043371 [T15]; RS0108449 [T2]).

3.1. Soweit der Rechtsmittelwerber die vom Erstgericht vorgenommene und vom Rekursgericht gebilligte Schätzung der Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Jahre 2014 und 2015 kritisiert, spricht er Fragen der Beweiswürdigung an, die – wie dargelegt – im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof (auch im Außerstreitverfahren) nicht mehr überprüft werden können (RIS-Justiz RS0007236 [T4]). Das Rekursgericht hat sich mit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung auseinandergesetzt und dargelegt, dass der Vater nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe, womit er seiner Mitwirkungspflicht nicht (vollständig) nachgekommen sei. Der Unterhaltspflichtige muss im Sinn des § 16 Abs 2 AußStrG bei der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitwirken, widrigenfalls sein Einkommen nach freier Würdigung geschätzt werden kann (RIS-Justiz RS0047430; RS0047432).

3.2. Die Frage, ob das Gericht die § 273 ZPO, nachgebildete Bestimmung des § 34 AußStrG anwenden darf, ist eine verfahrensrechtliche (RIS-Justiz RS0040282 [T14]). Hat das Rekursgericht – wie hier – verneint, dass das Erstgericht zu Unrecht § 34 AußStrG anwendete, kommt demnach eine Anfechtung in diesem Punkt im Revisionsrekurs als vermeintlicher Verfahrensmangel erster Instanz nicht mehr in Betracht (2 Ob 96/17g mwN).

3.3. Wie bei § 273 ZPO ist auch bei Anwendung des § 34 AußStrG mit Rechtsrüge nur überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung der Vorschrift richtig ist (RIS-Justiz RS0040341 [T14]). Da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die als solche von den Umständen des Einzelfalls abhängt, können nur gravierende Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (2 Ob 96/17g mwN = RIS-Justiz RS0007104 [T9]). Ein Fehler solcher Qualität wird im Revisionsrekurs nicht konkret aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich. Zwar behauptet der Vater im Jahr 2014 den Bezug eines durchschnittlichen (monatlichen) Einkommens von (nur) 2.599,01 EUR und will durch ein „erweitertes Geschäftsfeld“ in diesem Jahr einen Verlust von 15.056,38 EUR erlitten haben, ohne aber näher darzulegen, wie er zu diesen Zahlen gelangt.

4. Die von ihm angesprochene Judikatur, nach der unter bestimmten Umständen (RIS-Justiz RS0113405) bei der Unterhaltsbemessung vom über einen längeren Zeitraum bezogenen Durchschnittseinkommen auszugehen ist, hat keinen Anwendungsbereich, wenn es – wie hier (2010–2015) – allein um Unterhalt für die Vergangenheit geht (RIS-Justiz RS0047509 [T2]).

5. Mangels Darlegung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2019:E122801
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAD-37578